Hart, aber sachlich debattierten Bundeskanzler Olaf Scholz und CDU/CSU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz im TV-Duell zur Bundestagswahl am Sonntagabend bei ARD und ZDF. 90 Minuten ging es um Migration, Wirtschaft, Steuern, Verteidigung, Außenpolitik und – ja auch ganz kurz um Gesundheitspolitik. Sehr kurz in Relation zur Bedeutung des Themas in der Bevölkerung.


Viele Kommentare sprachen hinterher von einem ausgeglichenen Schlagabtausch – vielleicht mit leichten Vorteilen für Scholz. Scholz war angriffslustiger, Merz gab sich staatsmännisch. Allerdings gelang dem Kanzler, der ja bedingungslos angreifen muss, wenn er die Zahlen der Prognosen noch signifikant zu seinen Gunsten bewegen möchte, nicht der „Lucky Punch“. Merz stand und parierte ruhig und locker die Angriffe des Kanzlers. Der Grundton der Debatte war höflich, was Schriftstellerin und Juristin Juli Zeh bei „Lanz“ „leise Groko-Töne in der Luft“ vernehmen ließ. Wer den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder bei „Miosga“ verfolgte, hörte gleichfalls Wohlmeinendes, fast Väterliches zum SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil.
FORSA-Umfrage zur Bedeutung der Gesundheitspolitik
Rebecca Beerheide, Politik-Chefin beim Deutschen Ärzteblatt, hatte offenbar die Stoppuhr mit vor den Fernseher genommen, denn sie ermittelte exakt zwei Minuten Sozial- und Gesundheitspolitik. „Nur als Stichwort kamen die Themen `gestiegene Krankenkassenbeiträge´ oder die hohen Kosten für Pflegeheimplätze vor. Merz betonte dabei, dass 85 % der pflegebedürftigen Menschen zu Hause gepflegt und diese Angehörigen unterstützt werden müssten. Für die Pflege im Heim solle es eine private Zusatzversicherung geben. Scholz dagegen wirbt für einen Kostendeckel von 1000 Euro für Pflegeheimplätze. Zudem er will mehr Solidarität zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung erreichen, aber offenbar keine Bürgerversicherung im eigentlichen Sinne. Merz erklärt, dass die Lohnnebenkosten nicht weiter steigen dürften.“
Zwei Minuten Gesundheit gegen 88 Minuten Anderes – diese Gewichtung steht in krassem Widerspruch zu dem Gewicht, dass die Wählerinnen und Wähler diesen Themen widmen. Eine repräsentative forsa-Umfrage im Auftrag des AOK-Bundesverbandes zeigt: Als wichtigstes politisches Handlungsfeld für die nächste Bundesregierung nennen die Deutschen den Bereich Gesundheit und Pflege (48 %) – noch vor Wirtschaftlicher Lage (46 %), Innerer Sicherheit und Kriminalbekämpfung (40 %), Bildung (40 %) und Rente- und Alterssicherung (32 %).
Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, sagt dazu: „Im aktuellen Wahlkampf spielt das Thema Gesundheit und Pflege bislang eine untergeordnete Rolle – mit Blick auf die forsa-Ergebnisse allerdings völlig zu Unrecht. Das Thema muss von den Parteien viel stärker priorisiert werden.“ Obwohl das Thema Gesundheit und Pflege von den Befragten als wichtigstes Handlungsfeld benannt wurde, gaben nur sieben Prozent an, gut über die Positionen und Vorhaben der verschiedenen Parteien in diesem Bereich Bescheid zu wissen.
Verengte Debatte im Bereich Gesundheit und Pflege
Laut Reimann liegt eine Ursache darin, dass die öffentliche Debatte im Bereich Gesundheit und Pflege im aktuellen Wahlkampf sehr stark verengt und von populistischen ad hoc-Forderungen geprägt ist, wie etwa nach unbezahlten Karenztagen im Krankheitsfall oder dem Abschaffen der telefonischen Krankschreibung. Reimann: „Solche Schnellschüsse bringen uns nicht weiter, lenken von den eigentlichen Effizienzproblemen im Gesundheitswesen ab und gehen auch an den Sorgen und Wünschen der Wählerinnen und Wähler völlig vorbei. Es geht darum, dass das Gesundheits- und Pflegesystem wieder besser funktioniert und gleichzeitig die finanziellen Belastungen der Menschen und der Wirtschaft nicht weiter steigen.“
Laut forsa-Umfrage sind bei den Maßnahmen für die nächsten Jahre die Bekämpfung des Fachkräftemangels in der Kranken- und Altenpflege am wichtigsten (79 %), gefolgt vom Zugang zur ärztlichen Versorgung auch in benachteiligten Regionen (72 %) und von der Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Krankenhaus, besonders für das Pflegepersonal (70 %).

Konservative Gesundheitspolitik ante portas?
In elf Tagen ist Bundestagswahl. Am 12. Februar 2025 haben CDU/CSU die Nase in Umfragen mit um die 30% vorn. Das Momentum dieser Wahl trägt (bislang) schwarz, weniger rot oder grün. Ein Blick ins Wahlprogramm der Union zeigt, dass sich strukturell in den kommenden vier Jahren wenig ändern würde. In der ambulanten Versorgung könnte es mehr Steuerung durch hausärztliche Praxen geben, in der stationären Versorgung dominieren im Programm konservative Töne. Die Länder holen sich den Hut zurück. Unter CDU/CSU-Ägide würde alles digitaler, die Aufteilung in gesetzliche und private Krankenversicherung bliebe.
Diese Aussicht kann nicht befriedigen, denn dieses Gesundheitssystem braucht dringend Reformen auf allen Ebenen. Ein Herumdoktern an Symptomen wird nichts nützen und die Krise verschärfen.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Franz-Günter Runkel
Chefreporter UroForum


