Der 129. Deutsche Ärztetag vom 27.-30. Mai 2025 im Congress Center Leipzig wird innerärztlich von einem zentralen Thema dominiert: dem Votum des Ärzte-Parlaments über die Zustimmung zur neuen Gebührenordnung für Ärzte. Die Bundesärztekammer ist dafür, 26 Fachverbände dagegen, die Urologie auch – bis auf den Berufsverband der Deutschen Urologie, der die Anti-Erklärung der Verbände im Gegensatz zur DGU nicht unterschrieben hat. Was ist los in der Urologie?
Rot sahen viele Urologen in der Mitgliederversammlung und dem Hauptausschuss des BvDU 2024, weil das BvDU-Präsidium die neue Gebührenordnung für Ärzte und damit den Kurs der Bundesärztekammer unterstützte. Der Berufsverband der Deutschen Urologie war noch im September 2024 für die neue privatärztliche Gebührenordnung, dann nach internen Unruhen in Gremiensitzungen laut Pressemitteilung dagegen. Jetzt weiß das BvDU-Präsidium anscheinend nicht so genau, denn unter der „GOÄ neu – So nicht!“-Erklärung der 26 Berufsverbände und Fachgesellschaften fehlt die Unterschrift des Berufsverbands. Dafür haben Generalsekretär und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Urologie unterschrieben. Zu den DGU-Unterzeichnern gehören DGU-Generalsekretär Prof. Maximilian Burger und DGU-Präsident Prof. Bernd Wullich. Die Signatur von Dr. Axel Belusa fehlt hingegen. Wie soll man das bitte verstehen?
Initiative lehnt neue GOÄ in der vorliegenden Fassung ab
„Ja, wir brauchen eine neue GOÄ. Eine neue GOÄ ist notwendig, aber nicht um jeden Preis und nicht auf Kosten der ärztlichen Geschlossenheit“, unterstreicht das Anti-Bündnis. Eine GOÄneu benötige vor allem eine breite Akzeptanz. Diese Geschlossenheit der Ärzteschaft sieht das Bündnis derzeit nicht. „Nach gegenwärtigem Kenntnisstand ist beabsichtigt, die aktuelle Fassung der GOÄneu beim 129. Deutschen Ärztetag zur Abstimmung zu bringen“, so die Initiative. Als legitimierte Vertreter ihrer medizinischen Fachgesellschaften und fachärztlichen Berufsverbände fordern die Unterzeichnenden der Erklärung die Bundesärztekammer eindringlich auf, den Entwurf der GOÄneu auf dem kommenden Ärztetag nicht zur Abstimmung vorzulegen. „In der vorliegenden Fassung wird die GOÄneu von uns abgelehnt.“
Die Ablehnung der 26 Verbände gründet auf vier Argumenten:
- Die vorliegende Fassung der GOÄneu ist nicht das Resultat eines innerärztlichen Abstimmungsprozesses. Vielmehr erfolgte die Aushandlung allein zwischen der BÄK, dem PKV-Verband und den Beihilfeträgern, und zwar auf der Endstrecke, nachdem eine innerärztlich konsentierte Fassung erarbeitet worden war.
- Die GOÄneu ist intransparent, weil den zum Teil hohen und überproportionalen Abwertungen von Leistungen eine nachvollziehbare und überzeugende Begründung fehlt. Im Ergebnis gibt es sachlich nicht nachvollziehbare Vergütungsansätze.
- Die gewählte Volumenbetrachtung mit anscheinend willkürlicher Festsetzung der Vergütungssätze schafft Ärzte unterschiedlicher Klassen. Auch wenn dies möglicherweise nicht bewusst erfolgt ist, führt diese Absenkung der Vergütungssätze zu unterschiedlicher Vergütung der ärztlichen Arbeitszeit.
- Bis zum 30. April 2025 – also vier Wochen vor der geplanten Abstimmung über die GOÄneu auf dem Deutschen Ärztetag – war keine offizielle Fassung der GOÄneu für die Ärzteschaft verfügbar.
Der Vorgang lohnt einen zweiten Blick. In der Leipziger DGU-Pressekonferenz im September 2024 hatte BvDU-Präsident Dr. Axel Belusa die Neufassung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) gebilligt und die ambulante Urologie als Gewinner bezeichnet: „Die Vergütung würde besser werden (…) Am Ende sind wir als BvDU für die ambulante Urologie zum folgenden Ergebnis gekommen. Es ist eine völlig neue GOÄ mit einer vollkommen neuen Struktur. Die ambulante Urologie würde bei Einführung der GOÄ neu zu den Gewinnern zählen. Die Vergütung würde besser werden. Die bisherige Unwucht der Begünstigung radiologischer Fächer bzw. der Laboratoriumsmedizin wird zugunsten der anderen Fächer geglättet. Die gute Lobby-Arbeit von BvDU und DGU hat dazu geführt, dass wir unsere Interessen im Wesentlichen platzieren konnten. Für die Urologie wäre es gut, wenn die GOÄ neu käme.“ Der BvDU-Vorstand hatte geprüft und stimmte der GOÄ neu zu. Belusas Schlusswort war klar: „Es wäre gut, wenn die Ärzteschaft geschlossen hinter dem Präsidenten der Bundesärztekammer steht und gemeinsam für diese neue Gebührenordnung kämpft.“ Darum also ging es: Geschlossenheit, also einheitliche Meinung gegenüber BÄK und Dr. Reinhardt!
Überraschende Kehrtwende des Berufsverbands nach interner Kritik
Sieben Tage nach der Kritik der BvDU-Basis in Mitgliederversammlung und Hauptausschuss teilte der Verband dann in einer Pressemitteilung überraschend mit, der BvDU stimme dem BÄK-Entwurf einer GOÄ neu nicht zu. Der Berufsverband veröffentlichte eine Pressemitteilung, die das glatte Gegenteil der Erklärung von Dr. Belusa am 25.09.2024 beinhaltete. Der Kernsatz lautete: „Unter den derzeitigen Bedingungen und vor einer Klärung der oben genannten Sachverhalte stimmt der BvDU dem BÄK-Entwurf einer GOÄ neu demzufolge aktuell nicht zu.“ Die folgende Passage spricht dann Bände. Dieser Aufruhr gegen die GOÄ-Novelle sei in der urologischen Ärzteschaft besonders deutlich während des (…) DGU-Kongresses geworden. „Ambulant tätige Kolleginnen und Kollegen haben Existenzängste, die ihren Ursprung in der Sorge um die eigene wirtschaftliche Zukunft in der ambulanten Versorgung findet“, erkannte das Präsidium reichlich spät.
Innerhalb der durch den Berufsverband repräsentierten urologischen Fachärzteschaft beständen Vorbehalte bezüglich der Plausibilität der Leistungsbewertung. Diese begründen sich laut BvDU hauptsächlich auf eine mangelnde Nachvollziehbarkeit der entscheidungsrelevanten Hintergründe. Der BvDU-Vorstand erkannte jetzt, dass „die urologische Ärzteschaft eine solide Kalkulationsgrundlage in Form einer zukunftweisenden neuen GOÄ benötige“. In der Tat wäre das nicht schlecht.
Bis zu 60% Verluste bei PSA- und Testosteron-Bestimmung
Dr. Holger Uhthoff, Beauftragter für Berufspolitik im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Andrologie (DGA), kennt die aktuelle GOÄ-Fassung sehr genau und formulierte im Herbst ein klares Urteil über die Preisgestaltung. „Die Bewertung der Gebührenordnungsziffern zeigt für den PSA-Test, dass die neue GOÄ eine Abwertung von knapp 40 % bedeutet. Der PSA-Test wurde in der alten GOÄ mit dem Faktor 1,15 gesteigert und ergab dann 20,11 Euro“, teilte Dr. Uhthoff mit. Die GOÄ neu ergäbe bei 40 % Reduktion nur noch eine Vergütung des PSA-Tests von gut 12 Euro. Beim Testosteron-Wert sieht es noch schlimmer aus. Hier beträgt die Abwertung der GOÄ neu sogar 60 %. „PSA- und Testosteron-Bestimmung sind zwei Parameter, die wir im Rahmen des urologischen Präsenzlabors täglich bestimmen.“ Ist dem BvDU-Präsidium entgangen, dass Laborleistungen für den einen oder anderen Urologen nicht ganz unwichtig sind?
„Für den PSA-Test im Rahmen der erweiterten Krebsvorsorge ist das ein herber Einschnitt“, unterstrich Dr. Uhthoff. Die Zystoskopie als endoskopische Leistung sei nur ungefähr auf EBM-Niveau vergütet. Die operativen Leistungen sind etwa gleich bewertet. Die Gesprächsziffern und die Sonografie sind laut Dr. Uhthoff die einzigen Leistungen, die etwas besser bewertet sind. Das Gesamturteil macht nachdenklich: „Wir haben in einer GOÄ, die seit fast 30 Jahren nicht mehr an Preissteigerungen angepasst wurde, teilweise signifikante Verschlechterungen des Punktwerts und teilweise leichte Verbesserungen. Es kann aber eigentlich nicht sein, dass ich einen Patienten bis zum Exzess sinnlos sonografiere, um auf das Vergütungsniveau der alten GOÄ zu kommen.“
Ist Wegducken die Lösung?
Mein Fazit: Das BvDU-Präsidium war zunächst für die neue GOÄ, dann nach internem Widerstand notgedrungen dagegen und nun weiß man offenbar nicht so genau. Die DGU hat die Anti-GOÄ neu-Erklärung“ hochrangig unterschrieben, der Berufsverband laut offizieller Erklärung der Initiative (s.o.) nicht. Offenbar hält man Wegducken im Berufsverband für höhere Diplomatie. Man kann für oder gegen die neue GOÄ sein, keine Frage. Aber man sollte das Rückgrat haben, eine klare Position zu beziehen. Die Urologie sollte wissen, woran sie ist.
Bildquelle:© DGU/BvDU
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Franz-Günter Runkel
Chefreporter UroForum



