Im „Wahllokal“ der BILD-Zeitung war Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zu Gast und wetterte gegen lange Wartezeiten auf einen Termin beim Facharzt. Bei halbwegs dringlichen Terminen seien maximal Wartezeiten von zwei bis drei Wochen akzeptabel – wenn nötig, auch bedeutend schneller. Damit hatte Lauterbach den Wahlkampf-Klassiker ausgepackt. Die Büchse der Pandora war offen.

Einmal in Fahrt, schleifte Lauterbach auch gleich noch die widerspenstige Festung der Privatmedizin und der Privattermine. Der gesetzlich Versicherte brauche eine Termin-Garantie. Er zahle Monat „400, 500, 600, 700 Euro pro Monat an Krankenkassenbeitrag. Und wenn er dann mal einen Termin benötigt, dann ist das Erste, was er hört: ‚Sind Sie privat versichert?‘ Und wenn er das mit ,Nein’ beantwortet, dann muss er oft monatelang auf einen Facharzttermin warten. Das ist nicht weiter hinzunehmen.“ Ohnehin hat die SPD in ihr Wahlprogramm eine populäre Garantie hineingeschrieben, nach der GKV-Versicherte genau so schnell an einen Facharzt-Termin kommen müssten wie Privatversicherte.
Wahl-Populismus ist der Vater des Gedankens
Natürlich ist hier der Wahl-Populismus der Vater des Gedankens, aber auch sonst wird bei diesem Thema viel Propaganda betrieben. Zum einen schmeißen hier auch Kassenärztliche Bundesvereinigung und Ärzteverbände Äpfel und Birnen munter zusammen. Der gravierende Hausarztmangel – gerade in ländlichen Regionen – ist faktisch eine Begründung für einen Mangel an Hausarztterminen. Tausende Hausärzte fehlen bereits – Tendenz stark steigend. Allgemeinärzte versuchen bereits, die schlimmsten Lücken durch Delegation an Physician Assistants und VERAHs zu schließen. Ganz anders die Situation beim Facharzt. Hier fällt es in Regionen schwer, an qualifizierte Medizinische Fachangestellte zu kommen, aber die Zahl der Fachärzte in der Urologie ist zumindest heute noch nicht so knapp, als dass dies zum Teil wochenlange Wartezeiten auf einen Behandlungstermin begründen könnte. Auf Vorsorgetermine beim Facharzt wartet man zum Teil viele Monate.
Die KBV verweist auf Bürokratie und Abgabenlast als Gründe für einen allgemein beschriebenen Fachkräftemangel in Arztpraxen. Unscharf bleibt, auf welchen Teil der Versorgung sich dieser Befund bezieht. Ganz allgemein beklagt die KBV 6.000 unbesetzte Arztsitze und meint damit faktisch in erster Linie Hausärzte und weniger Fachärzte. Die Lauterbach-Forderung nach Termingarantien seien angesichts der unbesetzten Arztsitze nicht sachgerecht. Dann verweist die KBV auf den von Lauterbach wieder gestrichenen Neupatienten-Bonus, der aber nun weit weg von der Arztsitz-Frage und hin zur Budget-Frage der Vergütung führt.
SpiFa warnt scharf vor Eingriffen ins Eigentum der Niedergelassenen
Geht es also hier jetzt um Termine oder doch um Geld und Eigentum? Der Spitzenverband Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa) macht es deutlich. Der SpiFa warnt ausdrücklich vor einem staatlichen Eingriff in die privatrechtliche Praxisorganisation und damit einen „Angriff auf das persönliche Eigentum von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten. Gleichzeitig begrüßt er die Offenheit, mit welcher die gesundheitspolitischen Pläne der SPD für die kommende Legislatur nun offenbart werden“.
Hierzu SpiFa-Hauptgeschäftsführer Dr. André Byrla: „Wir sind dem noch amtierenden Bundesgesundheitsminister und SPD-Wahlkämpfer Prof. Karl Lauterbach sehr dankbar, dass er der gesamten Ärzteschaft vor der Bundestagswahl einordnet, was mit der `Termingarantie´ im Bundestagswahlprogramm der SPD gemeint ist, nämlich die maximale Gängelung der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in Deutschland.“ Für den Fall, dass derart übergriffige Regelungen tatsächlich Einzug in die politische Vorhabenplanung in der neuen Legislatur finden sollten, kündigt der SpiFa bereits jetzt entsprechende Maßnahmen an. „Deutschlands Fachärztinnen und Fachärzte werden sich diese Rechnung ohne den Wirt nicht bieten lassen,“ so Byrla weiter.
Wahlkampf-getriggerte Worthülse der Termingarantie
Für KBV-Chef Dr. Andreas Gassen ist die Lauterbach´sche Termingarantie eine „wahlkampfgetriggerte Worthülse“. Eine digitale Termin-Plattform fehle bislang vollkommen, und dann kommen wieder die 6.000 unbesetzten Arztsitze ins Spiel– wie geschrieben, vor allem in der hausärztlichen Versorgung. Bei den Fachärzten schlagen Teilzeit-beschäftigte angestellte Ärzte zu Buche, was die Sprechstunden-Kapazität natürlich verringert. Aber der Fachärztemangel ist zumindest bis heute nicht vergleichbar mit dem der Hausärzte. Laut KBV ist es unredlich von der Politik, wenn sie verspreche, dass jeder zu jeder Zeit alles bekommen könne. „Das kann keiner leisten.“ Das System sei nun einmal endlich, was Personal und Finanzen angehe. Leistbarkeit heißt also Finanzierbarkeit?
Halten wir fest: Viele Facharzttermine finden deshalb nicht früher statt, weil Praxen ihr Sprechstundenangebot am zur Verfügung stehenden Budget orientieren. Wenn das Honorar zu knapp ist, wird die Zahl der Sprechstunden an die Honorarmenge angeglichen: Wenig Geld, wenig Termine. Dagegen ist soweit nichts zu haben, sondern es handelt sich um berufsständisch-materielle Interessenvertretung. Allerdings hat das wenig mit dem Ärztemangel an sich und ebenfalls wenig mit ethischen Erwägungen zu tun. Das sollte man den Patienten dann aber auch ehrlich so sagen. Klare Kante statt Nebelkerzen und Verwirrspiele. Das wäre schön und versachlicht die Diskussion.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Franz-Günter Runkel
Chefreporter UroForum


