Nach einem Treffen zwischen Bundesgesundheitsministerin Nina Warken und Gesundheitsministern der Bundesländer sollen die Schlupflöcher der Länder ausgeweitet werden. In ländlichen Regionen und bei Fachkrankenhäusern hat Warken zugesagt, die Kriterien aufzuweichen. Trotzdem beteuert die Bundesministerin, die Reform werde verbessert, aber nicht verwässert. Ist das so?

Für Warken steht im Vordergrund, die Reform „alltagstauglich“ zu machen. Deshalb will sie es nicht bei einer Rechtsverordnung bewenden lassen, sondern ein Nachbesserungsgesetz in den Bundestag einbringen. Konkret heißt das nun, dass Ausnahmen und Kooperationsmöglichkeiten zur Sicherstellung der stationären Versorgung insbesondere im ländlichen Raum erweitert werden sollen. Die Länder dürfen selbst Ausnahmen und Erfordernisse definieren, um eigene Kriterien anzuwenden.
Hürden für Fachkrankenhäuser sollen niedriger werden
In den Fachkrankenhäusern soll es z.B. möglich werden, die Zahl der Leistungsgruppen nach NRW-Muster auf 61 plus Spezielle Traumatologie zu reduzieren. Außerdem sollen notwendige Anpassungen in den Qualitätskriterien für die Leistungsgruppen möglich werden. Schließlich sollen auch die Definition für die Fachkrankenhäuser sowie die Anrechnungsregelungen für Fachärzte je Leistungsgruppe verändert werden. Positiv ist sicher zu bewerten, dass die Regeln für Belegärztinnen- und -ärzte überarbeitet werden sollen.
Kurzfristig sollen vier Milliarden Euro aus dem „Sondervermögen“ fließen
Neben der Reduzierung des mittelfristigen Reformdrucks soll auch kurzfristig der Handlungsdruck vermindert werden, indem vier Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Infrastruktur fließen sollen. Es bleibt zweifelhaft, ob man darin eine Strukturkomponente sehen darf. Eher geht es um die Konservierung bestehender Strukturen. Die Krankenhäuser sollen zeitnah zur Schließung der Lücke bei den „Sofort-Transformationskosten“ aus den Jahren 2022 und 2023 finanziell unterstützt werden.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) begrüßt die Entscheidung der Bundesregierung, ab dem 1. November 2025 für ein Jahr einen Rechnungsaufschlag in Höhe von 3,45 % für alle somatischen und psychiatrischen Krankenhäuser vorzusehen. Damit setze die Bundesregierung die im Koalitionsvertrag zugesagten vier Milliarden Euro um – ein Schritt, der den wirtschaftlichen Druck auf die Kliniken „vorübergehend lindert“. „Die Auszahlung der vier Milliarden Euro über zwölf Monate verschafft den Krankenhäusern dringend benötigte Liquidität. Das ist ein wichtiger Schritt, um den kalten Strukturwandel abzubremsen und Zeit für den nachhaltigen Umbau der Krankenhauslandschaft zu gewinnen“, erklärte Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der DKG.
Bundesgesundheitsministerin Warken betonte allerdings, dass nicht jede Klinik alles machen könne, was sie gerade wolle. „Wir brauchen klare Qualitätsstandards für einzelne Leistungen, und wer die nicht nachweist, kann die zugehörigen Leistungen nicht mehr erbringen.“ Der AOK-Bundesverband bezweifelt die Ernsthaftigkeit des Reformwillens. „Wenn jetzt die bundesweiten Qualitätsvorgaben Schritt für Schritt auf Druck der Länder durch immer mehr Anpassungen und Ausnahmeregelungen ausgehöhlt werden, drohen faule Kompromisse zulasten der Patientensicherheit“, unterstrich die Vorsitzende Carola Reimann.
Insbesondere die Zuteilung der Leistungsgruppen an die Krankenhäuser dürfe nicht zur Politshow verkommen, sondern müsse verbindlich einzuhaltenden bundesweiten Kriterien zur Verbesserung der Behandlungsqualität entsprechen. Medizinische Leitlinien würden nicht dadurch außer Kraft gesetzt werden, dass man sich von einem Bundesland ins nächste bewege. Der GKV-Spitzenverband befürchtet eine Beibehaltung ineffizienter Strukturen und patientengefährdender Gelegenheitsversorgung. Finanzielle Zugeständnisse ohne Gegenleistung seien auch aufgrund der Schulden-finanzierten Bundeshilfen nicht erträglich. Vor allem dürften die strikten Ziele der Reform nicht verfehlt werden.
Bundesärztekammer begrüßt die Novellierung der Reform
Der Vorstand der Bundesärztekammer hält es für richtig und notwendig, dass Bund und Länder die bestehenden Schwächen der Krankenhausreform angehen und damit die Voraussetzungen für eine tragfähige und erfolgreiche Umsetzung schaffen. Die Systematik der Leistungsgruppen müsse in wichtigen Punkten überarbeitet werden – das gelte für die Qualitätskriterien wie für weitere damit zusammenhängende Regelungen. Dazu gehören aus der Sicht der BÄK auch Regelungen z.B. zur Berücksichtigung von Zahl und Qualifikationen von Fachärztinnen und Fachärzten, zur Definition von Fachkliniken und zu den Rahmenbedingungen für Belegärztinnen und Belegärzte. „Erst mit diesen Anpassungen verfügen die Länder über eine verlässliche und einheitliche Grundlage für die Zuweisung der Leistungsgruppen“, stellt die BÄK fest. Dazu gehört aus Sicht der Bundesärztekammer auch eine sorgfältige Prüfung der Frage, welche Behandlungsfälle den Leistungsgruppen zugeordnet werden (Grouper) sowie eine Revision der Vorhaltevergütung.
Darüber hinaus bietet die Reform die Chance, die ärztliche Weiterbildung stärker in den Fokus zu rücken. Für die Bundesärztekammer ist die Weiterbildung der jungen Ärztinnen und Ärzte ein zentrales Anliegen, denn sie sichert auch zukünftig eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung. Im Rahmen der Krankenhausreform müssen zumindest die rechtlichen Hürden für die standort- und sektorenübergreifende Weiterbildung, wie etwa im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung, konsequent abgebaut werden.
Bei all den „Linderungen“ und „Entlastungen“ kann nur gehofft werden, dass die notwendigen Einschnitte ins stationäre Netz effektiv genug sein werden, damit am Ende nicht nur die Landräte, Oberbürgermeister und Kultusminister der Länder Grund zur Freude haben. Diese Reform darf nicht scheitern!
Bildquelle: onephoto – adobe.stock.com
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Franz-Günter Runkel
Chefreporter UroForum



