Nach rund drei Jahrzehnten Provisorium traf der 129. Deutsche Ärztetag eine berufspolitisch historische Entscheidung – wie immer man zum Resultat stehen mag. Andererseits enttäuscht das knapp 1.000-seitige Zahlenwerk viele. Labor und technische Leistungen: schlecht, operative Leistungen: noch schlechter, Gesamturteil: mittelmäßig. Was hat die Fraktion der GOÄ-Kritiker auszusetzen?
Zu den Kritikern zählt Dr. Holger Uhthoff, Beauftragter für Berufspolitik im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Andrologie (DGA) und niedergelassener Urologe in Speyer. „30 % mehr Privathonorar für Inflationsanpassung und einen Ausgleich für Kostensteigerungen bleiben aus. Die neue Gebührenordnung wird für Urologen nicht attraktiv sein“, unterstreicht Dr. Uhthoff. Der Urologe führt zwei Beispiele aus der Bildgebung an. „Die schwierige Sonografie eines adipösen Patienten oder eine enge, krümmungsreiche Urethra bei der Zystoskopie konnte ich mit der alten GOÄ zum Beispiel um das 3,5-Fache steigern. In Zukunft kann ich eine solch aufwändige Leistung gar nicht mehr steigern“, betont. Dr. Uhthoff. Das lohne sich nicht mehr.
Urologe kritisiert massive Spaltung der Fachgruppe
In dem Gegensatz zwischen konservativer und operativer Urologie sieht Dr. Uhthoff eine massive Spaltung der Fachgruppe. „Der BvDU geht hier in eine komplett falsche Richtung. Die Satzung weist den Berufsverband als Interessenvertretung aller Mitglieder, also auch der Kliniker, aus. In der Bewertung der neuen GOÄ gibt es aber nun wieder eine Spaltung zwischen ambulanter und operativer Urologie. Die mangelnde Rücksichtnahme auf die operativ tätigen Urologen ist nach meiner Ansicht keine gute Entwicklung. Die Urologie wird mit dieser GOÄ tüchtig auf die Nase fallen. Das wird auch dem Berufsverband noch auf die Füße fallen.“
Unter dem Strich erwartet der ehemalige BvDU-Vizepräsident durch die neue GOÄ einen Honorar-Zugewinn von höchstens 5 – 7 %. „Nach 30 Jahren Privatliquidation mit dieser Gebührenordnung ist dieses wirtschaftliche Ergebnis armselig. Wir Ärzte verkaufen uns damit unter Wert“, denkt Dr. Uhthoff. Sein MVZ in Speyer geht mit dem Wert seiner Leistungen selbstbewusst um und wird je nach Fall auch das Instrument der Abdingung anwenden. „Wir haben unseren Wert und der Patient muss dann die Differenz zur privaten Kasse aus der eigenen Tasche bezahlen.“ Er räumt ein, dass er die Akzeptanz der Patienten noch nicht absehen kann, „nimmt aber die Herausforderung gerne an“.
Längst überfällige Aufarbeitung der Corona-Pandemie
Als „längst überfällig und richtig“ wertet Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), den Beschluss von Union und SPD, eine unabhängige Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der Maßnahmen während der Corona-Pandemie einzusetzen. „Es geht darum zu lernen: Welche Maßnahmen waren richtig, welche waren falsch“, erklärte er. Es dürfe nicht um Schuldzuweisungen gehen, sondern im Vordergrund müsse stehen, sich für eine nächste Pandemie zu wappnen.
„Wir müssen die Zeit sinnvoll nutzen. Es sollten alle relevanten Akteure in der Kommission vertreten sein, dazu gehört auch der ambulante Bereich. Schließlich haben die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen den größten Teil der Impfungen geleistet und wertvolle Erfahrungen im Kampf gegen die Corona-Pandemie gesammelt“, sagte der KBV-Chef. Im Mittelpunkt der gesundheitspolitischen Querelen steht der damalige Bundesgesundheitsminister und heutige CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Jens Spahn. Was man da verzeihen müsste, dürfte eigentlich nicht unter parteipolitisch geschwärzten Gutachten-Passagen verborgen bleiben. Dazu ist das Thema viel zu wichtig fürs Land.
KBV begrüßt Entrümpelung der Gesetzlichen Krankenversicherung
Als „konsequent und folgerichtig“ bewerten die Vorstände der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) die Forderung von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken, die Behandlungskosten von Bürgergeldempfängern vollständig durch den Bundeshaushalt zu übernehmen. Dazu erklären Dres. Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Sibylle Steiner: „Die Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen ist kritisch, vor allem deswegen, weil aus Beitragsgeldern der Versichertengemeinschaft in den letzten Jahren Leistungen bezahlt wurden, die eigentlich steuerfinanziert gehören. Das Beispiel Bürgergeld sticht hervor. Die Behandlungen der Bürgergeldempfänger sind seit langem vom Staat unterfinanziert. Es fehlen mehr als zehn Milliarden Euro jährlich, die die Krankenkassen und damit die Versichertengemeinschaft über Gebühr und vollkommen sachfremd belasten. Diese Mittel brauchen wir dringend, um die medizinische Versorgung der Menschen in Deutschland zu sichern. Die Ministerin hat in diesem Punkt unsere volle Unterstützung.“
GOÄ, Corona und GKV-Finanzierung – dieser thematische Dreiklang prägt diese politische Woche. Neugierig warten die Verbände auf die ersten Aufschläge der neuen Bundesgesundheitsministerin Nina Warken.
Bilderquelle: Runkel
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Franz-Günter Runkel
Chefreporter UroForum
Bildquelle:© Runkel



