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UroSkop: Bezahlbare Gesundheit – die politische Zeitbombe der Regierung Merz

UroSkop: Bezahlbare Gesundheit – die politische Zeitbombe der Regierung Merz

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Erschienen in: UroForum

Mitten im Sommer türmen sich die Finanz- und Strukturprobleme des Gesundheitssystems zu einem beachtlichen Berg auf. Den vollmundigen Ankündigungen von Bundeskanzler Friedrich Merz im Sommerinterview zum Trotz bleibt der wirkliche Reformwille dieser Regierungskoalition vage. Dabei besitzen die zahlreichen Krisen und Baustellen im Gesundheitssystem ein Explosiv-Potenzial der Extraklasse. Im Hinterhalt lauert die AfD mit scheinbar einfachen Lösungen.

Baustelle Nummer eins ist die Kasse der Gesetzlichen Krankenversicherung. Der Gesundheitsfonds, der zum Stichtag 15. Januar 2025 über eine Liquiditätsreserve von rund 5,7 Milliarden Euro verfügte, verzeichnete im 1. Quartal 2025 ein Defizit von 4,5 Milliarden Euro. Der Reformdruck ist ebenso wie in der Pflege immens. Versicherungsfremde Leistungen könnten gestrichen werden, wenn die Koalition sich auf eine alternative Finanzierung einigen könnte. Das Strom-Beispiel hat eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass Geldfragen auch in dieser Koalition schnell zu Konflikten führen. Höhere Beiträge für die Gesetzliche Krankenversicherung verbieten sich in dieser wirtschaftlichen Situation ebenso wie höhere Beitragsbemessungsgrenzen, eine getarnte Attacke auf sogenannte Besserverdienende, der CDU/CSU mit Sicherheit nicht zustimmen werden.

Rotstift-Politik kommt bei der SPD-Klientel gar nicht gut an

GKV-Leistungen könnten rationiert werden, um soziale Kosten zu sparen. Rotstift-Politik zu Lasten der verbleibenden 15 % Wähleranteil der SPD wird nicht gut ankommen. Zudem hat die BVG-Richterwahl im Bundestag gezeigt, dass die Fraktionen der Regierungsparteien gelegentlich schräg drauf sind. Mühsam zugeschüttete ideologische Gräben könnten schneller wieder sichtbar werden, als es Merz und Klingbeil lieb ist. Also doch wieder alles mit Geld aus dem „Sondervermögen“ zuschütten, um die politische Einheit der Regierung zu retten. Das geht kurzfristig, aber nicht mehr lange.

Droht die Verwässerung der Krankenhausreform?

Baustelle Nummer zwei sind die Krankenhäuser. CDU-Bundesgesundheitsministerin Nina Warken versucht, die einst von Karl Lauterbach hart und übergriffig konzipierte Krankenhausreform dadurch zu retten, dass jeder bekommt, was er will – vor allem die Bundesländer. Und so wird kommen, was offenbar in diesem Gesundheitssystem zwangsläufig ist. Eine lange föderale Wunschliste verwässert die Reform, höhlt die Rationierungspläne Zug um Zug aus. Am Ende könnten Überschriften und Fassaden bleiben, nicht mehr. Noch ist nichts entschieden, aber die Skepsis der Experten wächst.

Die dritte Baustelle ist die ambulante Versorgung in Kombination mit der Notfallreform. Geld und Fachkräfte durch weniger Behandlungspfade sparen – so könnte man die Formel rund um Primärarzt und digitale Stratifizierungsinstrumente zusammenfassen. „Wer macht den Primärarzt?“, wurde BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhard auf dem Hauptstadtkongress gefragt. Reinhard wandte sich von rechts nach links, sichtlich in Verlegenheit, um am Ende vor Berufsverbänden mit Hasskappe zu warnen. Diese politische Operation wird sehr, sehr schwierig, weil sie materielle Interessen diverser Interessengruppen verletzen wird. Auch hier droht wieder ein Kompromiss, der nicht mehr als heiße Luft ist.

Elektronische Patientenakte droht praktische Havarie

Die vierte Baustelle befindet sich auf dem Flaggschiff der Digitalisierung des Gesundheitssystems. Die Zugriffsraten der Elektronischen Patientenakte bewegen sich im niedrigen einstelligen Bereich. In der Politik wird die Kritik an der zögerlichen Einführung der Elektronischen Patientenakte lauter. In einem Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“ äußerte der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen die Befürchtung, das zentrale Digitalisierungsprojekt könnte scheitern. Dahmen kritisierte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) und machte sie indirekt für Sterbefälle im Gesundheitssystem aufgrund mangelnder Digitalisierung verantwortlich. Dahmen prangerte das zu geringe ePA-Tempo der Ministerin an. Die ePA-Versprechen besserer Versorgung, größerer Sicherheit und dem „Ende der Zettelwirtschaft“ drohten gebrochen zu werden.

Krankenkassen prangern geringe ePA-Nutzung an

AOK-Bundesverband, Techniker Krankenkasse und Barmer Ersatzkasse hatten nach dem Start des Angebots im April bemängelt, dass bislang offenbar weniger als drei Prozent der 74 Millionen angelegten elektronischen Patientenakten in der Praxis genutzt würden. Die geringe Nutzung der Akten liege nicht an Ablehnung, sondern daran, dass relevante Inhalte fehlen, betonte Dahmen. Die versprochenen Anwendungen wie Laborwerte, Arztbriefe oder Impfpass müssten endlich kommen – sonst bleibe die ePA ein leeres Versprechen. Vor fast 30 Jahren führte die damalige SPD-Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt die ePA in die gesundheitspolitische Diskussion ein. Eine typisch deutsche Angstdebatte um den angeblich „gläsernen Patienten“ verhinderte lange erkennbare Fortschritte. Erst die Ampelkoalition beschloss endgültig die ePA. Wird das digitale Flaggschiff flott oder zerschellt es an den Klippen der Alltagstauglichkeit?

Ab 1. Oktober sind alle Urologinnen und Urologen verpflichtet, die Elektronischen Patientenakten ihrer Patienten mit Daten zu befüllen. Wer das nicht bis zum 1. Januar 2026 getan hat, muss dann mit finanziellen Sanktionen rechnen. Für die urologischen Kliniken gelten diese Sanktionen ab dem 1. März 2026. Die Uhr tickt.

Kann das Kabinett Merz die Zeitbombe Gesundheitssystem entschärfen oder geht am Ende alles in die Luft? Im Interesse dieses Landes bleibt nur Ersteres zu hoffen. Im zweiten Halbjahr sind erste Schritte in Richtung auf Problemlösungen notwendig. Die Uhr tickt auch hier.

Bildquelle: © ARD-Sommerinterview Screenshot

Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Franz-Günter Runkel
Chefreporter UroForum

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