Aus UroForum Heft 02/2025
Aybike Hofmann
Der Maldescensus testis ist eine der häufigsten kinderurologischen Erkrankungen. Während die Fowler-Stephens-Orchidopexie (FSO) lange als Standardverfahren zur Behandlung des intraabdominalen Hodens galt, rückt in den letzten Jahren zunehmend die Shehata-Technik in den Fokus [1, 2]. Diese innovative Methode basiert auf einer Traktionsbehandlung und ermöglicht eine gefäßerhaltende Verlagerung des Hodens. Eine aktuelle Metaanalyse zeigt signifikante Vorteile der Shehata-Technik gegenüber der zweizeitigen FSO [3]. Wie vielversprechend ist die neue Methode?
Der Maldescensus testis gehört zu den häufigsten kinderurologischen Krankheitsbildern. Bei reifgeborenen Jungen tritt er in 1–5 % der Fälle auf, während die Prävalenz bei Frühgeborenen oder Neugeborenen mit niedrigem Geburtsgewicht bis zu 45 % betragen kann [4]. In den ersten sechs Lebensmonaten kommt es in vielen Fällen zu einem spontanen Descensus, sodass nur etwa 1 % der männlichen Säuglinge nach sechs Monaten weiterhin einen ein- oder beidseitigen Hodenhochstand aufweisen, wobei bei 20 % der Jungen weiterhin nicht tastbare Abdominalhoden vorliegen. Das phänotypische Spektrum des Abdominalhodens reicht von einem „peeping testis“ bis hin zu einem nicht tastbaren intraabdominalen Hoden [5].
Diagnostik und therapeutische Strategien
Neben dem Risiko der Infertilität besteht insbesondere bei Abdominalhoden ein erhöhtes Risiko für Hodentumoren [6]. Dementsprechend ist bei einem klinisch nicht tastbaren Hoden die laparoskopische Exploration essenziell, um eine intraabdominale Lage oder das Fehlen des Hodens zu bestätigen. In diesem Fall kann simultan eine minimalinvasive Korrektur erfolgen. Die Entscheidung zwischen einer ein- oder zweizeitigen Orchidopexie hängt maßgeblich von der Samenstranglänge ab. Eine spannungsfreie Verlagerung in das Skrotum ist wesentlich, um eine testikuläre Atrophie oder ein Rezidiv zu vermeiden.
Ein etabliertes intraoperatives Verfahren zur Beurteilung der Samenstranglänge ist das sogenannte „Stretching-Manöver“: Dabei wird der Hoden mobilisiert und über dem kontralateralen inneren Leistenring positioniert. Besteht eine zu hohe Spannung, ist eine zweizeitige Orchidopexie erforderlich.
Das klassische Verfahren: Fowler-Stephens-Technik (FSO)
Der bisherige Goldstandard zur zweizeitigen Verlagerung eines Abdominalhodens ist die FSO, die 1959 erstmals beschrieben wurde [1].
Hierbei werden die proximalen Samenstranggefäße durchtrennt, um die Entwicklung einer Kollateralversorgung über den Ductus deferens sowie vaskuläre Anastomosen des Gubernaculums, der Kremastermuskulatur und des Peritoneums zu ermöglichen (▶ Abb. 1).

Nach drei bis sechs Monaten erfolgt die definitive Orchidopexie ohne Zugspannung auf den Samenstrang (▶ Abb. 2 oben). Die Erfolgsrate dieser Technik liegt bei ca. 85 %, mit einer postoperativen Atrophierate von etwa 8 % [5, 7, 8].

Die Shehata-Technik: Ein gefäßerhaltender Ansatz
2008 beschrieb Shehata eine alternative Methode zur Behandlung des Abdominalhodens, die auf den Erhalt der testikulären Gefäße abzielt und das Risiko einer testikulären Atrophie minimieren soll.
Die Methode basiert auf einer Traktionsbehandlung, die über mechanische Dehnung und Scherkräfte eine vaskuläre Elongation durch Neoangiogenese induziert [2].
Hierzu wird der Abdominalhoden mit einer nicht resorbierbaren 2–0- Naht an der kontralateralen Bauchwand fixiert. Die Naht wird lateral der Spina iliaca anterior superior über eine kleine Hautinzision eingebracht, am unteren Pol des Hodens oberflächlich durch die Tunica albuginea geführt und nahe der Eintrittsstelle an der Bauchwand wieder ausgeleitet.
Die Fixierung erfolgt atraumatisch mit einer fenestrierten Klemme, wobei ein Abstand von etwa 1 cm zwischen Ein- und Austrittspunkten an der Bauchwand eingehalten wird, um ein Verrutschen zu verhindern [2, 9] (▶ Abb. 3).

Nach etwa zwei Monaten erfolgt die sekundäre Orchidopexie, ohne dass eine Durchtrennung der testikulären Gefäße notwendig ist (▶ Abb. 2 unten). Erste Studien berichten über eine Erfolgsrate von 84 % hinsichtlich einer dauerhaften skrotalen Hodenlage ohne dokumentierte Atrophie [10].
Vergleich der Verfahren und aktuelle Evidenz
Eine aktuelle Metaanalyse verglich die Shehata-Technik mit der FSO zur Behandlung des intraabdominalen Hodens. Die Ergebnisse zeigten, dass die Shehata-Technik eine signifikant höhere Gesamterfolgsrate aufwies als die zweizeitige FSO (p = 0,007; RR = 1,27 [95 % KI: 1,07–1,51]). Zudem war sie effektiver in der Reduktion der Atrophierate (p = 0,03; RR = 0,19 [95 % KI: 0,04–0,82]) [3].
Das vorzeitige Lösen der Naht wurde als eine der häufigsten Komplikationen identifiziert, jedoch nicht zwingend mit einem Versagen der Orchidopexie assoziiert. In vielen Fällen konnte trotz frühzeitigem Lösen eine spannungsfreie Verlagerung erzielt werden. Eine Limitation der Shehata-Technik besteht bei beidseitigem Abdominalhoden, da eine simultane Durchführung zu Verklebungen der Samenstränge führen kann [3, 5].
Fazit und Ausblick
Die bisher veröffentlichten Daten zur Shehata-Technik sind vielversprechend und deuten darauf hin, dass sie langfristig eine wertvolle Ergänzung zur operativen Therapie des Abdominalhodens darstellt.
Während die Methode in Nordamerika und Nordafrika bereits etabliert ist, findet sie in Europa noch wenig Anwendung und wird in Deutschland bislang nur an wenigen Zentren praktiziert.
Zur optimalen Versorgung von Jungen mit intraabdominalem Hoden sollten beide Verfahren beherrscht werden und insbesondere an spezialisierten Zentren mit entsprechender Erfahrung durchgeführt werden.
Weitere Langzeitstudien sind erforderlich, um den langfristigen Nutzen der Shehata-Technik zu bestätigen und ihre Rolle in der kinderurologischen Praxis weiter zu definieren. ◼
Literatur unter www.uroforum.de

Korrespondenzadresse:
Dr. med. Aybike Hofmann
Leitung Kinderurologie
Klinik für Kinder -und Jugendmedizin
Marienhaus Klinikum Neuwied-Waldbreitbach
aybike.hofmann@marienhaus.de


