Quelle und Bildquellen: Aus UroForum, Heft 08/2023
Julia Heinzelbecker
Die Keimzelltumore stellen mit etwa 90 % den überwiegenden Anteil der Hodentumore dar. Jedoch gibt es auch im Bereich des Hodens seltene Tumore. Dies sind vor allem die nicht-germinalen Stromatumore. Hierzu gehören die überwiegend benignen Leydig-, Sertolizell- und Granulosazelltumore. Alle können mit endokrinologischen Symptomen wie Gynäkomastie, Libidoverlust und Erektionsstörungen vergesellschaftet sein. Wann immer technisch möglich, sollte im Falle eines benignen Tumors ein hodenerhaltendes Operationsverfahren angewendet werden. Nicht-germinale Stromatumore haben je nach Entität ein Malignitätspotential von 10–20 %. Insbesondere Tumorgröße spielt bei allen Formen als Malignitätskriterium eine Rolle. Sie sind weder strahlen- noch chemotherapiesensibel. Eine adjuvante RPLND sollte bei Vorliegen von Malignitätskriterien im klinischen Stadium 1 angeboten werden. Oligometastasierte Tumore sollten, wann immer möglich, operativ versorgt werden. Darüber hinaus kommen auch hämatologische Neoplasien oder Metastasen anderer Primärtumorentitäten für seltene Hodentumore infrage.
Nicht-germinale Stromatumore
Die nicht-germinalen Stromatumore unterteilen sich in die Leydigzell-, die Sertolizell- und die Granulosazelltumore (▶ Tab. 1).
Leydigzelltumore
Bei den Leydigzelltumoren handelt es sich um den häufigsten testikulären Stromatumor (ca. 2 % aller Hodentumore), der in der Regel benigne ist (> 90 %) und von den Leydigzellen ausgeht. Das mittlere Erkrankungsalter liegt im Kindesalter bei 9 und im Erwachsenenalter bei 35 Jahren (30.–60. Lebensjahr). Die Ätiologie ist noch weitgehend ungeklärt. Histomorphologisch sind die Leydigzelltumore nur schwer von den Keimzelltumoren zu unterschieden. In ca. 1/3 der Fälle sind sogenannte Reinke-Kristalle pathognomisch. Darüber hinaus erfolgt die Differenzierung über spezifische immunhistochemische Färbungen (Inhibin, Calretinin, Vimentin, Melan-A).
Klinisch treten sie zumeist als kleine Tumoren von < 5 cm Größe im Hoden in Erscheinung. Leydigzelltumore sind obligat endokrin aktiv, jedoch zeigen sich nur in bis zu 2/3 der Fälle endokrinologische Symptome wie Gynäkomastie (ca. 1/3 der Fälle), Libidoverlust und Erektionsstörungen, ausgelöst durch die Hormonproduktion des Tumors (Symptomtrias: Gynäkomastie, Impotenz und Hodentumor). Präpubertäre Leydigzelltumore können zur Pubertas praecox (2/3 der Fälle) führen. Eine Diagnosesicherung ist nur mittels inguinaler Hodenfreilegung und histologischer Sicherung möglich. Die Bestimmung zumindest der Hormone Testosteron, FSH und LH sollte erfolgen. Darüber hinaus sollten die klassischen Keimzelltumormarker AFP, beta-HCG und LDH bestimmt werden. Diese sind beim Leydigzelltumor in der Regel (> 99 %) negativ. In bis zu 10 % der Fälle ist das Vorliegen eines malignen Leydigzelltumors möglich [2]. Malignitätskriterien der Leydigzelltumore sind Tumorgröße > 5 cm, hoher Mitoseindex (Ki-67, MIB-1), Kernatypien, Nekrosen, Gefäßinvasion und eine große Wachstumsfraktion im Tumor [7]. Bei Vorliegen von zwei dieser Kriterien besteht ein Malignitätspotenzial. Darüber hinaus konnten Fankhauser et al. in einer großen Meta-Analyse die Malignitätskriterien Alter > 42 Jahre, Tumordurchmesser von > 3 cm, das Vorliegen von Reinke-Kristallen, Lipofuscin-Pigmenten und Gynäkomastie als mit Malignität assoziiert identifizieren [2]. Die Prognose der benignen Leydigzelltumore ist sehr gut. Metastasierte maligne Leydigzelltumore hingegen haben eine schlechte Prognose.
Sertolizelltumore
Sertolizelltumore sind die zweithäufigsten testikulären Stromatumore (ca. 1 % aller Hodentumore). Ihr Ursprung sind die Sertolizellen des Hodens. Auch ihre Ätiologie ist weitgehend ungeklärt. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei ca. 43 Jahren [1]. Analog der aktuellen WHO-Klassifikation werden drei Typen des Sertolizelltumors unterschieden (▶ Abb. 1) [8]:
- intratubulär-großzellige hyalisierende Sertolizelltumore,
- großzellig-kalzifizierende Sertolizelltumore und
- maligne Sertolizelltumore.
Das autosomal-dominant vererbte Peutz-Jeghers-Syndrom (hamartomatöse Polypen des Magen-Darm-Trakts und Pigmentflecken im Bereich der Lippen und auf der Wangenschleimhaut) ist mit bilateralen, multilokulären, intratubulär-großzellig hyalinisierenden Sertolizelltumoren assoziiert. Das klinische Erscheinungsbild der Sertolizelltumore ähnelt dem der Leydigzelltumore. Allerdings ist eine Hormonproduktion seltener in nur ca. 20–30 % der Fälle zu beobachten. Somit können auch bei den Sertolizelltumoren Gynäkomastie, Libidoverlust und Erektionsstörungen vorkommen. Auch die Diagnostik kann analog zum Leydigzelltumor erfolgen. In 10–20 % der Fälle liegt ein maligner Sertolizelltumor vor [1, 3]. Malignitätskriterien sind hierbei Tumorgröße > 5 cm, Hämorrhagien, Nekrose, Gefäßinvasion und Pleomorphismus. Grogg et al. identifizierten darüber hinaus das Alter > 28 Jahre, die Tumorgröße > 2,4 cm, die Tumorausbreitung in den Samenstrang und einen hohen Mitoseindex als zusätzliche Malignitätskriterien [3]. Die Prognose der gutartigen Sertolizelltumoren ist sehr gut. In fortgeschrittenen, metastasierten Stadien jedoch liegt das mittlere Überleben bei weniger als 2 Jahren.
Granulosazelltumore
Granulosazelltumore sind die häufigsten Stromatumore des Ovars. Testikuläre Manifestationen dagegen sind sehr selten. Sie werden in juvenile und adulte Formen unterteilt (mittleres Erkrankungsalter: juvenil: 1,5 Jahre; adult: 42 Jahre) (Abb. 1). Dabei handelt es sich bei der juvenilen Form um den häufigsten kongenitalen Hodentumor und 6 % aller präpubertalen Hodentumore sind Granulosazelltumore. Die adulten Formen hingegen sind mit bisher weltweit beschriebenen 73 Fällen deutlich seltener (ca. 4–6 % aller Granulosazelltumoren). Bisher sind keine Metastasen der juvenilen Formen beschrieben, während ca. 10 % der adulten Form maligne Verläufe gezeigt haben. Auch diese Tumoren können in 5–10 % mit endokrinologischen Symptomen vergesellschaftet sein. Grogg et al. konnten Tumorgröße, Gefäßinvasion und Gynäkomastie als mit malignem Verhalten assoziiert nachweisen [4, 5].

Therapie der Stromatumoren
Die Therapie der Stromatumoren erfolgt primär mittels inguinaler Hodenfreilegung. Bei kleinen Tumoren < 2 cm und Fehlen von Malignitätskriterien sollte ein organerhaltendes Operationsverfahren durchgeführt werden. Jedoch können auch größere Tumore, sofern noch ausreichend gesundes Hodengewebe zurückbleibt, organerhaltend operiert werden. Eine undifferenzierte, primäre Orchiektomie sollte, wann immer möglich, vermieden werden und eine Fertilitätsprotektion mit Kryokonservierung von Samenzellen oder von Keimzellgewebe den Patienten vor der Operation angeboten werden. Die Einteilung in klinische Stadien erfolgt analog den Empfehlungen zu den Keimzelltumoren [11]. Bei fehlenden Malignitätskriterien kann prinzipiell auf weitere Staging-Untersuchungen verzichtet werden, allerdings ist einzig der Nachweis von Metastasen als sicheres Malignitätskriterium zu werten. Im Falle von Malignitätskriterien müssen Staging-Untersuchungen erfolgen. Die Durchführung einer adjuvanten retroperitonealen Lymphadenektomie bei Vorliegen von Malignitätskriterien und fehlendem Nachweis von Metastasen in der Bildgebung wird kontrovers diskutiert, sollte den Patienten jedoch, insbesondere bei Vorliegen von mindestens 3 Risikofaktoren, angeboten werden. Stromatumore sind allgemein weder strahlen- noch chemotherapiesensibel. Oligometastasierte Tumoren sollten daher, wann immer möglich, chirurgisch reseziert werden. Im Falle von multipel metastasierten Tumoren kann eine Chemotherapie analog den Keimzelltumoren erfolgen. Die Ergebnisse sind jedoch prinzipiell schlecht, sodass für die multipel metastasierten Stromatumoren keine Standardtherapieempfehlung gegeben werden kann [1, 7, 10].
Hämatologische Neoplasien
Maligne Lymphome des Hodens machen etwa 2–5 % aller primären Hodentumore aus und mehr als die Hälfte treten ab dem 60. Lebensjahr auf. Insbesondere bei älteren Patienten sollte also bei Vorliegen eines Hodentumors an die Manifestation eines Lymphoms gedacht werden. Selten ist das Lymphom primär auf den Hoden begrenzt, häufiger ist es Ausdruck einer metastasierten lymphatischen Erkrankung [9]. Die Therapie umfasst primär die Orchiektomie. Das weitere Prozedere richtet sich nach den hämato-onkologischen Leitlinien zur spezifischen Lymphombehandlung.
Metastasen anderer Primärtumore
Metastasen anderer Primärtumore in den Hoden sind selten. Die folgenden Primärtumoren sind dabei am häufigsten für Hodenmetastasen verantwortlich: Prostata-, Nierenzell-, Kolon-, Blasen-, Nierenbecken-, Lungen-, Magen- und Pankreaskarzinom sowie das maligne Melanom [9]. Bei Bestätigung einer Metastase eines anderen Primarius richtet sich die Therapie nach der Grunderkrankung.
Weitere seltene Hodentumore
Darüber hinaus gibt es weitere seltene Hodentumore wie etwa Rhabdomyosarkome, Lipome/Liposarkome, Leiomyome/Leiomyosarkome u. a..

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PD Dr. med. Julia Heinzelbecker
Leitende Oberärztin
Klinik für Urologie und Kinderurologie
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Tel.: 06841–16–24700
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