Günter Niegisch
Die Behandlung von Patient:innen mit einem BCG-refraktären Urothelkarzinom der Harnblase stellt eine Herausforderung dar. Die von den Leitlinien in solchen Fällen empfohlene und aus uro-onkologischer Sicht auch oftmals sinnvolle radikale Zystektomie ist wegen der Schwere des Eingriffs im Vergleich zu den vorangegangenen Behandlungen oft schwer zu vermitteln und ein substantieller Anteil der Patientinnen und Patienten ist aufgrund z. B. bestehender Begleiterkrankungen nicht ohne weiteres für einen solchen Eingriff geeignet. Daher ist es nicht verwunderlich, dass insbesondere in dieser Situation in den vergangenen Jahren eine rege Studienaktivität mit den unterschiedlichsten Behandlungsansätzen zu beobachten ist. Ein solches neues Behandlungskonzept ist die Instillationstherapie mit dem Gentherapeutikum Nadofaragene firadenovec-vncg. Im Folgenden soll die Wirkungsweise dieser neuartigen Therapie dargestellt und aktuelle Studiendaten, die zur Zulassung der Substanz durch die amerikanische FDA geführt haben, zusammengefasst werden.
Wirkmechanismus von Nadofaragene firadenovec-vncg (rAd-IFN/Syn3)
Nadofaragene firadenovec (rAd-IFN/Syn3, Adstiladrin®) ist eine Gentherapie zur Behandlung des nicht-muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms. Dabei handelt es sich um einen nicht-replizierenden adenoviralen Vektor. Nach Bindung dieses Vektors an den CAR (Coxsackie- & Adenovirus-Rezeptor) wird eine für Interferon α2b (IFNα2b) codierende DNA in Urothelzellen eingebracht. Die komplementäre IFNα2b-DNA wird dann in den „infizierten“ Urothelzellen in das IFNα2b-Protein umgeschrieben. Verstärkt wird sowohl die Aufnahme des Vektors in die Urothelzelle als auch die virale Transduktion zusätzlich durch das Polyamid Syn3 [1].
Auf etwaige vorhandene Urothelkarzinomzellen hat die erhöhte IFNα2b-Proteinexpression unterschiedliche (pleiotrophe) Wirkungen (▶ Abb. 1). Zum einen können direkte zytotoxische Effekte beobachtet werden. Durch (1) eine Stress-Reaktion des endoplasmatischen Retikulums (ER stress) sowie (2) die Expression von TRAIL (TNF-related apoptosis-inducing ligand) werden Caspasen aktiviert, was zur Apoptose führt. Zusätzlich wird die (3) Bildung von Wachstumsfaktoren, die für die Tumorangiogenese verantwortlich sind, gehemmt. Dadurch wird eine Tumorhypoxie induziert und es entwickelt sich eine Nekrose des Tumorgewebes [1].
![Abb. 1: Wirkmechanismen von Nadofaragen firadenovec (rAd-IFN/Syn3), adaptiert nach [1].](https://staging.mgo-medizin.de/wp-content/uploads/2025/08/image-7.png)
Daneben hat IFNα2b direkte und indirekte immunmodulatorische Wirkungen. Durch die (4) Hochregulation antigenpräsentierender MHC-I-Proteine wird die Immunogenität der Tumorzellen erhöht. (5) Gleichzeitig wird das Priming zytotoxischer CD8-T-Zellen durch die Stimulation dendritischer Zellen gefördert. (6) Diese zytotoxischen T-Zellen können wiederum vermehrt die MHC-I-exprimierenden Tumorzellen eliminieren. (7) Zusätzlich erfolgt eine Aktivierung natürlicher Killerzellen (NK-Zellen), die unabhängig von der MHC-I-Expression Tumorzellen angreifen können [1].
Klinische Wirksamkeit von Nadofaragen Firadenovec (rAd-IFN/Syn3)
Entsprechend der Vorgaben der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA wurde die Wirksamkeit von Nadofaragen Firadenovec in einer nicht-randomisierten Phase-III-Studie bei BCG-nichtresponsiven Blasenkarzinompatientinnen und Patienten untersucht (▶ Abb. 2, NCT02773849) [2]. Unter einem BCG-nichtresponsiven Urothelkarzinom der Harnblase versteht die FDA ein (1) persistierendes Carcinoma in situ, hochgradige Ta-Tumoren oder hochgradige T1-Tumoren nach 6 Monaten trotz adäquater BCG-Therapie (definiert als mindestens fünf der sechs Induktionsdosen und zwei der drei BCG-Erhaltungstherapien oder mindestens zwei der sechs Injektionen eines zweiten Induktionskurses, bei dem kein BCG zur Erhaltung gegeben wird) oder (2) das Wiederauftreten eines hochgradigen Ta- oder T1-Blasenkrebses innerhalb von 6 Monaten, eines Carcinoma in situ innerhalb von 12 Monaten nach dem krankheitsfreien Zustand nach BCG (früher als BCG-Rezidiv bezeichnet) sowie (3) ein persistierendes hochgradiges Ta oder Carcinoma in situ oder Fortschreiten der Erkrankung zu T1 nach BCG (Zum FDA Leitfaden).
![Abb. 2: Studiendesign NCT02773849, adaptiert nach [2].](https://staging.mgo-medizin.de/wp-content/uploads/2025/08/image-4.png)
Bei den eingeschlossenen Patientinnen und Patienten wurden jeweils an Tag 1, Tag 90, Tag 180 und Tag 270 eine Instillation mit Nadofaragen firadeovec durchgeführt. Wenn sich nach 12 Monaten ein Ansprechen zeigte, waren weitere dreimonatliche Instillationen möglich. Der primärer Studienendpunkt war die Rate der Komplettremissionen (CR-Rate) innerhalb des ersten Jahres in Kohorte A. Um hinsichtlich des primären Endpunkts positiv zu sein, musste eine CR-Rate von mehr als 27 % erreicht werden. Die sekundären Endpunkte umfassten unter anderem die Dauer des Ansprechens nach Komplettremission (CR-durability) in Kohorte A, das high-grade-rezidivfreie Überleben (hg-RFS) in Kohorte B, sowie die Sicherheit der Behandlung.
Nach einem median Follow-up von 19,7 Monate zeigte sich in der Kohorte A eine CR-Rate von 53,4 %. Damit war die Studie hinsichtlich des primären Endpunkts eindeutig positiv. Alle Komplettremissionen wurden nach einer Behandlungsdauer von 3 Monaten beobachtet. Die mediane Dauer des Ansprechens lag bei 9,7 Monaten. Nach 12 Monaten zeigte sich noch bei 24,3 % der Patienten eine Komplettremission, nach 36 Monaten immerhin noch bei 13,6 %. Basierend auf diesen Daten wurde Nadofaragene firadenovec 2022 für die Behandlung für von Patientinnen und Patienten mit einem BCG-nichtresponsiven Carcinoma in situ mit oder ohne papillärem Tumor zugelassen.
In der Kohorte B zeigte sich nach einem medianen Follow-up von 20,2 Monate ein hg-RFS von 72,9 % nach 3 Monaten und von 43,8 % nach 43,8 Monaten.
Kürzlich wurde zu dieser Studie auch ein Langzeit-Follow-up nach mehr als 50 Monaten publiziert [3]. Ohne ein high-grade Rezidiv waren nach 57 Monaten immer noch 5,8 % der Carcinoma-in-situ-Patientinnen und -Patienten sowie 15 % der Patientinnen und Patienten mit einem ausschließlichen papillären Tumor. 49 % der Patientinnen und Patienten waren nach 60 Monaten noch ohne radikale Zystektomie (Kohorte A: 49 %, Kohorte B 59 %). Nur bei 5 Patienten (4 mit CIS und 1 mit Ta/T1) wurde eine klinische Progression zu einer muskelinvasiven Erkrankung beobachtet.
Hinsichtlich der Verträglichkeit zeigte sich ein insgesamt günstiges Nebenwirkungsprofil, insbesondere wurden keine relevanten systemischen Toxizitäten. Zu den häufig beobachteten und therapiebedingten Nebenwirkungen zählten insbesondere Miktionsbeschwerden (Urgency, Blasenkrämpfe) sowie geringgradige Allgemeinbeschwerden (Schüttelfrost, Fatigue). Grad III Toxizitäten wurden bei insgesamt 18 % der Patientinnen und Patienten beobachtet, von diesen waren allerdings nur 4 % behandlungsbedingt.
Bedeutung für den klinischen Alltag
Mit Nadofaragen firadenovec steht prinzipiell eine weitere wirksame Therapieoption für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit BCG-nichtresponsivem Harnblasenkarzinom zur Verfügung. Im Vergleich zu anderen konservativen Behandlungsoptionen bei diesen Patient:innen wie z. B. einer Behandlung mit dem Immuncheckpoint-Inhibitor Pembrolizumab [4] oder Instillationen mit Gemcitabin [5] zeigt sich bislang eine vergleichbare Wirksamkeit bei einem recht günstigen Wirkungsprofil. Relevante systemische Nebenwirkungen, wie bei der Behandlung mit Checkpoint-Inhibitoren, wurden bislang nicht beobachtet.
Patientinnen und Patienten sowie Behandlerinnen und Behandler muss jedoch klar sein, dass auch mit dieser Behandlung eine langfristige Tumorkontrolle nur bei einem Teil der Patient:innen möglich ist. Die größte onkologische Sicherheit in dieser Situation bietet daher immer noch die radikale Zystektomie.
Leider ist die Substanz bislang in Europa nicht zur Behandlung entsprechender Patientinnen und Patienten zugelassen, so dass der Einsatz nur im off-label Bereich erfolgen kann. Zusätzlich erschwert wird eine entsprechende Behandlung dadurch, dass die Substanz nur über eine internationale Apothekenbestellung bereitgestellt werden kann. Es bleibt daher zu hoffen, dass entsprechende Zulassungsstudien auch hier bei uns in Europa durchgeführt werden.
Literatur und Bildquelle unter www.uroforum.de

Korrespondenzadresse:
Univ.-Prof. Dr. med. Günter Niegisch
Heinrich-Heine-Universität,
Medizinische Fakultät
Klinik für Urologie
Moorenstr. 5
40225 Düsseldorf
Tel.: +49 211 81 – 08776
Uro-Onkologie@med.uni-duesseldorf.de
![Abb. 1: Wirkmechanismen von Nadofaragen firadenovec (rAd-IFN/Syn3), adaptiert nach [1].](https://staging.mgo-medizin.de/wp-content/uploads/2025/08/image-2-1.png)


