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Endoskopische Enukleation der Prostata: Die Zeit ist reif

Endoskopische Enukleation der Prostata: Die Zeit ist reif

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7 MIN

Erschienen in: UroForum

Jonas Herrmann, Christopher Netsch

Die benigne Prostatahyperplasie (BPH) zählt angesichts ihrer zunehmenden Inzidenz zu den Volkskrankheiten, wobei operative Eingriffe zu den häufigsten urologischen Operationen gehören. Die endoskopische Enukleation der Prostata (EEP) nimmt hierbei einen besonderen Stellenwert ein, da das Verfahren unabhängig von der Prostatagröße anwendbar ist und signifikante Vorteile gegenüber alternativen Methoden bietet. Trotz dieser Vorzüge findet sie vergleichsweise selten Anwendung, was möglicherweise auf Vorbehalte gegenüber dieser Technik zurückzuführen ist.

© samunella - stock.adobe.com
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1998 beschrieben Gilling und Fraundorfer, zwei Urologen aus Neuseeland, die Technik der Holmium-Laser Enukleation der Prostata [1]. Seither hat sich der Eingriff über die ganze Welt verbreitet. Die EEP kann aber nicht nur mit einem Holmium-YAG-Laser, sondern mit einer Vielzahl von Energiequellen durchgeführt werden [2], die alle zu ähnlichen Ergebnissen führen [3–5].

In den letzten 25 Jahren hat sich eine solide Datenbasis entwickelt. Eine Vielzahl von Studien aus der ganzen Welt mit randomisierten Studien, Real-Life-Fallserien und Metaanalysen, untermauern die Effektivität und Sicherheit des Eingriffs [3, 5–9]. Die EEP ist dem Referenzeingriff TUR-P bei der Verbesserung objektiver Miktionsparameter (Flow, Restharn, urodynamische Messungen) mindestens gleichwertig, in vielen Studien überlegen. Eindeutige Vorteile gegenüber der TUR-P zeigen sich hinsichtlich des Enukleationsgewichts, des Blutverlustes, des Transfusionsrisikos, dem Risiko einer Nachblutung, sowie der Krankenhausaufenthaltsdauer. Auf Grund der kompletten Entfernung des Adenoms, ist die Wahrscheinlichkeit erneut wegen einer BPH operiert werden zu müssen deutlich geringer als bei der TUR-P [10, 11]. Angesichts dieser Datenlage ist die geringe Verbreitung dieser Methode in Deutschland, wo immer noch etwa 80 % der Patienten eine TUR-P erhalten [12], unverständlich. Dieses Phänomen dürfte auf Missverständnisse zu dieser OP-Technik zurückzuführen sein, die in diesem Artikel adressiert werden sollen.

Investitionskosten für die Einführung der EEP

Jede Energiequelle für die EEP weist spezifische Vor- und Nachteile auf, was zu einer fortwährenden Debatte über die optimale Wahl führt, die durch jede Innovation in der Lasertechnologie, wie Pulsmodulation, Thulium-Faser-Laser oder gepulster Thulium-YAG-Laser, neu entfacht wird.

Es hat sich jedoch herausgestellt, dass die Energiequelle nur einen untergeordneten Einfluss auf den Therapieerfolg hat. Weitaus wichtiger sind die Operationstechnik und die Erfahrung des Operateurs [3]. Ein vielseitig einsetzbarer, leistungsstarker Laser ist eine sinnvolle Investition für die meisten urologischen Abteilungen, um eine effektive Steintherapie, die Behandlung von Tumoren des oberen Harntrakts und weitere endourologische Interventionen effektiv durchzuführen. Jeder leistungsstarke „Allround-Laser“ (Holmium- YAG-Laser, TFL oder gepulster Thulium-YAG-Laser) eignet sich für eine Enukleation. Ist kein leistungsstarker Laser vorhanden, ist es auch möglich mit einer bipolaren Elektrode eine exzellente Enukleation durchzuführen [5, 13]. Spezielle Enukleationselektroden werden von allen namhaften Endoskopherstellern angeboten. Die Investitionskosten beschränken sich daher auf einen Morcellator und selbst dieser ist in der Anfangsphase nicht zwingend erforderlich. Mit der sogenannten „Mushroom-Technik“ wird das Adenom größtenteils, aber nicht vollständig, enukleiert und kann nachfolgend mit einer TUR-Schlinge reseziert werden. Da das Adenom zu diesem Zeitpunkt nicht mehr durchblutet ist, gestaltet sich die Resektion schnell, kontrolliert und komplikationsarm. Die Investitionskosten sollten daher nicht länger als Hindernis für die Durchführung einer EEP angesehen werden.

Frühinkontinenz

In frühen Serien zur HoLEP wird eine transiente Frühinkontinenz unterschiedlichen Ausmaßes in bis zu 10% der Fälle beschrieben, die sich in > 90 % der Fälle zwar innerhalb von ca. 3 Monaten spontan zurückbildet, bei den Patienten aber Verunsicherung hervorruft [14]. Ein Grund dafür ist die Operationstechnik der klassischen Dreilappen-Technik, bei der die apikale Schleimhaut nicht kontrolliert inzidiert, sondern mechanisch gelöst wird (late apical release). Hierbei kann es zum einen passieren, dass die dem Sphinkter aufliegende Schleimhaut komplett abgelöst wird, andererseits wirken bis zum Ende der Operation Scherkräfte auf den Sphinkter. Eine Weiterentwicklung der operativen Technik mit dem Ziel die Frühkontinenz zu verbessern ist die frühe, kontrollierte Apexpräparation mit Schonung der dem Sphinkter aufliegenden Schleimhaut (early apical release) [15]. Hierbei wird am Anfang der OP als erster Schritt das Adenom kontrolliert vom Sphinkter gelöst. Diese Technik wird zwar oft mit der EnBloc Enukleationstechnik assoziiert, ist aber auch mit einen Zwei- oder Dreilappentechnik durchführbar, sofern dies der Operateur präferiert. In den bisher veröffentlichten retrospektiven Arbeiten konnte hierdurch das Risiko einer transienten Frühinkontinenz deutlich reduziert werden [16].

OP-Zeit

Ein großer Vorteil der EEP gegenüber der TUR-P ist es, dass der Eingriff auch bei großem Drüsenvolumen durchführbar ist. In der Anfangszeit wurde die EEP daher vorwiegend für Patienten angewendet, die sonst offen operiert worden wären. Auch wenn die Vorteile einer minimalinvasiven Technik hier besonders zum Tragen kommen, sind dies natürlich keine guten Anfängereingriffe, bei denen sich die Technik erlernen lässt. Besser für das Erlernen geeignet sind Drüsenvolumina, die auch mittels TUR-P behandelt werden könnten. Einerseits kann der Eingriff so mittels TUR-P zu Ende gebracht werden, wenn die Enuklelation nicht vollständig gelingt, andererseits ist die Anatomie übersichtlicher und die Enukleationszeit geringer. Niemand würde auf die Idee kommen, die erste PCNL bei einem Ausgussstein durchzuführen, oder für die erste TUR-B einen 5 cm Blasentumor zu wählen. Analog ist es ratsam, die Enukleation bei einem Drüsenvolumen von 40–70g zu erlernen. Bei der EEP hat dieses Missverständnis leider dazu geführt, dass der Eingriff an vielen Abteilungen nicht etabliert werden konnte und zudem den Ruf erlangt hat, sehr viel OP-Zeit in Anspruch zu nehmen. Bei erfahrenen Operateuren ist eine EEP bei kleinen Drüsen genauso schnell wie eine TUR-P bei mittelgroßen bis großen Drüsen deutlich schneller [17, 18]. Diese Effektivität wird allerdings nur durch eine entsprechend hohe Fallzahl erreicht.

Lernkurve

Unbestritten ist, dass die EEP ein technisch anspruchsvoller Eingriff mit einer relevanten Lernkurve ist [19, 20]. Dennoch hat sich in den letzten 25 Jahren nicht nur die Technik des Eingriffs selbst, sondern auch die Methoden zur Wissens- und Fähigkeitenvermittlung weiterentwickelt. Eine Besonderheit der EEP ist, dass es im Gegensatz zu offenen chirurgischen Eingriffen nicht optimal ist, die EEP in OP-Schritten zu erlernen. Von den 3 OP-Schritten Enukleation, Hämostase und Morcellation, ist die Enukleation sehr anspruchsvoll, die letzten beiden Schritte, relativ einfach und ohne große Lernkurve zu meistern. Sinnvoller als den Eingriff in Schritte zu unterteilen ist es, in Skills bzw. Fähigkeiten zu lehren. Die entscheidenden Fertigkeiten sind auch die schwierigsten: Effektives Manövrieren des Instrumentariums um das Adenom, Aufbauen von Traktion auf die Schicht, effektives Nutzen der Energiequelle und verfolgen der Schicht. Erst wenn diese Fertigkeiten ausreichend gut beherrscht werden, ist es sinnvoll die vorhergehenden und nachfolgenden Schritte zu erlernen. Als nächstes kann dann das Eingehen in die Schicht und die Apex-Präparation mit early apical release erlernt werden. Durch dieses strukturierte Vorgehen wird die operative Qualität der EEP von Beginn an gewährleistet. Es ist ratsam, dass ein Trainee unter der Anleitung eines erfahrenen Operateurs 10–20 Eingriffe durchführt, wobei der Trainee schrittweise größere OP-Anteile übernimmt, während der Mentor bei Problemen unterstützen kann. Diese Methode setzt voraus, dass die EEP-Technik in der Klinik bereits etabliert ist. Die Einführung der Technik in einer Klinik, an der sie noch nicht praktiziert wird, ist ebenfalls möglich und kann durch ein strukturiertes Ausbildungsprogramm erleichtert werden. Hierbei kommt der Ausbilder für einige Eingriffe an die Klinik, um die ersten Operationen zu begleiten. Bei dieser Herangehensweise ist eine sorgfältige Auswahl der Fälle entscheidend, um sicherzustellen, dass der Eingriff jederzeit durch eine TUR-P abgeschlossen werden kann. Auch wenn letztgenannte Variante gut zu meistern ist, muss sich der Trainee und die Klinik an der die EEP eingeführt wird, auf eine flachere Lernkurve und initial längere OP-Zeiten einstellen. [21, 22]

Fazit

Die EEP ist ein hoch effektiver Eingriff, der größenunabhängig durchführbar ist, und gegenüber der TUR-P relevante Vorteile bietet. Dennoch wird er in Deutschland noch zu selten angewendet. Da der Eingriff auch effektiv mit einer bipolaren Elektrode durchgeführt werden kann, sollten Investitionskosten kein Hinderungsgrund mehr für die Einführung des Verfahrens darstellen. Durch Weiterentwicklungen der Operationstechnik wie early apical release konnte die Inzidenz einer transienten Frühinkontinenz deutlich reduziert werden. Auch wenn die EEP ein komplexer Eingriff mit einer langen Lernkurve ist, kann er durch strukturierte Ausbildungsprogramme sicher erlernt werden. Durch die Fortschritte in der Technologie, der Operationstechnik und der Ausbildung war die Zeit nie besser die EEP zu erlernen.

Literatur unter www.uroforum.de

Korrespondenzadresse:

Dr. med. Jonas Herrmann
Klinik für Urologie und Urochirugie
Universitätsmedizin Mannheim
Theodor-Kutzer-Ufer 1–3
68157 Mannheim
jonas.herrmann@umm.de

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