Immer mehr Kinder und Jugendliche erleiden aufgrund eines unerkannten Typ-1-Diabetes eine diabetische Ketoazidose (DKA) – eine schwere Stoffwechselentgleisung. Aktuelle Studien zeigen, dass das Risiko besonders an Wochenenden und in den Ferien hoch ist. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) appelliert angesichts der Urlaubszeit, die Symptome rechtzeitig zu erkennen, da DKA lebensbedrohlich ist und traumatische Folgen haben kann.
Diabetes Typ 1 oft erst spät erkannt
Es ist die häufigste Stoffwechselerkrankung im Kindes- und Jugendalter, wird aber oft erst spät erkannt: Diabetes mellitus Typ 1. Etwa jede vierte Neudiagnose erfolgt erst, wenn bereits eine diabetische Ketoazidose (DKA) besteht. Diese Stoffwechselübersäuerung wird durch schweren Insulinmangel hervorgerufen. Glukose kann nicht mehr in ausreichender Menge in die Zellen aufgenommen werden. Infolgedessen deckt der Körper seinen Energiebedarf über den Abbau von Fetten. Das führt zu einem vermehrten Anfall von Ketonkörpern und erfordert eine sofortige intensivmedizinische Behandlung.
»Schlimmstenfalls mündet dies im diabetischen Koma, das lebensbedrohlich sein kann. Umso wichtiger ist es, Diabetes Typ 1 frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.«
Professor Dr. med. Andreas Neu, Past-Präsident der DDG
Immer mehr DKA-Fälle
Eine aktuell erschienene Publikation zeigt, dass von 2011 bis 2023 die Zahl der DKA-Fälle bei Kindern und Jugendlichen deutlich zugenommen hat – insbesondere in den Jahren 2020 bis 2022 [1]. Als Datengrundlage für die Untersuchung diente das DPV-Register, in dem etwa 93 % aller pädiatrischen Patientinnen und Patienten mit Diabetes Typ 1 in Deutschland erfasst sind.
»Die Ursachen für die Zunahme der DKA-Fälle sind sicher multifaktoriell: Überlastung des Gesundheitssystems, mangelnde pädiatrische Expertise, verspätetes Aufsuchen medizinischer Einrichtungen und Verkennung von Ketoazidose-Symptomen. Was uns besonders beschäftigt und schockiert ist, dass die Daten einen seit Jahren anhaltenden Trend aufzeigen. Diese Entwicklung müssen wir dringend stoppen.«
Professor Dr. med. Andreas Neu
Neben der Stärkung der Versorgungsstrukturen muss vor allem bei Angehörigen, aber auch bei medizinischem Personal, in Kitas und Schulen mehr Aufklärungsarbeit stattfinden. Eine Überlegung stellt auch ein Massenscreening auf Frühstadien des Diabetes Typ 1 dar, was jedoch kontrovers diskutiert wird.
Diagnosezeitpunkte von Typ-1-Diabetes untersucht
Dass offenbar zu wenig öffentliches Bewusstsein für die Symptome des Diabetes Typ 1 und eine DKA besteht, zeigt auch eine weitere aktuelle Studie. Diese widmete sich den Diagnosezeitpunkten eines Diabetes Typ 1 [2]. Die Autorinnen und Autoren gingen der Frage nach, an welchen Wochentagen vermehrt Diabetesdiagnosen gestellt werden. Das Ergebnis: An Wochenenden, Feiertagen und in Urlaubszeiten werden deutlich seltener Diagnosen gestellt als an Wochentagen – somit steigt zu diesen Zeiten die Gefahr für eine DKA. Montags und dienstags werden die meisten Diagnosen gestellt. »Es kommen sicher mehrere Faktoren zusammen, die diese Beobachtung erklären: Zum einen ist an Wochentagen medizinisches Personal besser verfügbar und die Angehörigen schieben die Vorstellung beim Arzt daher auf. Das erklärt auch die hohen Diagnosezahlen zum Wochenbeginn. Zum anderen ist den Eltern dann auch nicht bewusst, welcher Gefahr das Kind ausgesetzt ist«, so Neu. Hier spiele wiederum die mangelnde Kenntnis der Symptome eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus sei die bereitschaftsdienstliche Notfallversorgung oft nicht speziell pädiatrisch geschult, sondern decke eher ein breites Spektrum an Fachwissen ab. »Damit ist die Gefahr erhöht, die Symptome falsch zu interpretieren«, gibt Neu zu bedenken.
Typische Symptome von Diabetes Typ 1 und DKA
Anlässlich der Urlaubszeit weist die DDG auf die typischen Symptome eines Diabetes Typ 1 und einer diabetischen Ketoazidose hin, um das Bewusstsein der Familien für die Stoffwechselerkrankung zu schärfen:
Die 4 typischen Warnzeichen für einen Diabetes Typ 1 bei Kindern und Jugendlichen:
– ständiger Durst
– häufiges Wasserlassen
– Gewichtsabnahme
– Müdigkeit
Die typischen Symptome einer DKA sind:
– Starkes Durstgefühl
– Häufiges Wasserlassen
– trockene Haut und Mundschleimhaut
– Müdigkeit
– Benommenheit
– Bauchschmerzen
– Übelkeit/Erbrechen
– vertiefte Atmung oder Hyperventilation
– Azetongeruch der Atemluft
Um das Risiko für eine diabetische Ketoazidose zu senken, hat die pädiatrische Arbeitsgemeinschaft der DDG gemeinsam mit dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte e.V. (BVKJ) eine bundesweite Kampagne initiiert, die über die typischen 4 Warnzeichen für Typ-1-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen aufklärt. Sie fokussiert auf Familien mit kleinen Kindern, die im Rahmen der kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen U6 und U7a Informationsflyer erhalten.
Originalpublikationen:
1. Bächle C, Kamrath C, Eckert A, Mönkemöller K, Menzel U, Näke A, et al. Korrespondenz Diabetische Ketoazidose bei Manifestation eines Typ-1-Diabetes bei Kindern in Deutschland. Dtsch Arztebl Int 2024; 121: 272-273. DOI: 10.3238/arztebl.m2024.0021. Link: (https://www.aerzteblatt.de/archiv/238549/Korrespondenz-Diabetische-Ketoazidose-bei-Manifestation-eines-Typ-1-Diabetes-bei-Kindern-in-Deutschland).
2. Kamrath C, Sindichakis M, Auzanneau M, Schmid S, Segerer H, Lahn V, et al. Association of Diabetic Ketoacidosis in Childhood New-Onset Type 1 Diabetes With Day of Presentation in Germany. Diabetes Care 2024; 47: 649–652. DOI: 10.2337/dc23-1643. Link: (https://doi.org/10.2337/dc23-1643).
Weitere Informationen: Deutsche Diabetes Gesellschaft. Ketoazidose-Präventionskampagne. (https://www.ddg.info/arbeitsgemeinschaften/paediatrische-diabetologie/ketoazidose).
Quelle: Deutsche Diabetes Gesellschaft (zur Pressemitteilung)
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