Der Begriff „Fatigue“ bezeichnet eine anhaltende Form von Erschöpfung. Diese kann häufig während einer Krebserkrankung und nach einer Krebstherapie auftreten. Trotz ihrer weitreichenden Bedeutung für den Alltag von Betroffenen und Familien ist die krebsbedingte Fatigue bei Kindern und Jugendlichen bislang wenig erforscht. In einer Studie unter der Leitung des Kinderonkologen Roman Crazzolara von der Medizinischen Universität Innsbruck wurde jetzt erstmals der Zusammenhang von Krebstherapie und körperlicher Fatigue bei Kindern untersucht. Nun lassen sich erste Maßnahmen ableiten.
Patientinnen und Patienten berichten selbst über ihr Befinden
Die Basis der Forschungsarbeit bildete die ePROtect-Studie, bei der zwischen Mai 2020 und Dezember 2024 regelmäßig Symptome von betroffenen Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahre erhoben wurden. Über eine App gaben die Patientinnen und Patienten – altersabhängig auch deren Eltern – regelmäßig Auskunft über ihr Befinden. Auf einer Skala von 0 (sehr starke Fatigue) bis 100 (keine Fatigue) wurden mehr als 11.000 Einschätzungen dokumentiert. Das Team um Roman Crazzolara von der Universitätsklinik für Pädiatrie I hat diese Daten systematisch ausgewertet.
„Wir konnten erstmals detailliert beschreiben, wie sich körperliche Fatigue im Verlauf der Krebserkrankung und unter Chemo- bzw. Immuntherapie verändert. Unsere Ergebnisse sollen helfen, krankheits- und therapiebedingte Belastungsspitzen besser zu erkennen und gezielt zu behandeln“
Roman Crazzolara, Universitätsklinik für Pädiatrie I, Medizinische Universität Innsbruck
Therapieform beeinflusst Erschöpfung erheblich
Die Auswertung zeigt, dass Fatigue wellenförmig verläuft und sich je nach Erkrankung und Therapieabschnitt unterscheidet. Besonders stark betroffen sind Kinder mit Non-Hodgkin-Lymphomen und akuter myeloischer Leukämie. Bei der häufigen akuten lymphatischen Leukämie (ALL, Nicht-Hochrisiko) wurde beobachtet, dass zu Beginn der Erkrankung eine relevante Fatigue besteht, gefolgt von einer Erholung in der Konsolidierungsphase, ehe es nach einer Glukokortikoid-Gabe (Immunsuppressiva) zu einem deutlichen Einbruch kommt.
„Unsere Analyse zeigt sehr deutlich, dass Glukokortikoide die Fatigue messbar verschlechtern, während sich die körperliche Verfassung unter Immuntherapie, wie etwa der Antikörpertherapie mit Blinatumomab, erheblich verbessert“
Alexander Tilg, Erstautor der Studie, Universitätsklinik für Pädiatrie I, Medizinische Universität Innsbruck
Erkenntnisse fließen bereits in die Praxis ein
Basierend auf den gewonnenen Daten startete die Kinderklinik Innsbruck bereits konkrete Schritte: In Kooperation mit dem Institut für Sportwissenschaft der Universität Innsbruck wurde ein Pilotprojekt durchgeführt, bei dem Kinder in Phasen, in denen Fatigue nachweisbar ansteigt, durch gezieltes körperliches Training wie Kraftübungen physisch wie psychisch gestärkt wurden. Nach Abschluss des Pilotprojekts soll nun bald eine klinische Interventionsstudie folgen, in der strukturierte Bewegungs- und Kraftprogramme wissenschaftlich überprüft werden.
„Parallel wird auch die telemedizinische Begleitung ausgebaut, um die Eigenverantwortung (Self Empowerment) und das Selbstmanagement der Patient:innen zu stärken. Geplant ist eine technisch breitere Umsetzung sowie die Kooperation mit weiteren kinderonkologischen Zentren“
Roman Crazzolara, Universitätsklinik für Pädiatrie I, Medizinische Universität Innsbruck
Die unter der Erstautorenschaft von Alexander Tilg und in Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen durchgeführte und von der Kinderkrebshilfe Tirol und Vorarlberg sowie der Kinderhilfe Regenbogen Südtirol unterstützte Studie wurde kürzlich im Lancet-Journal eClinicalMedicine veröffentlicht.
Quelle: Medizinische Universität Innsbruck (Pressemitteilung, 4.11.2025)
Originalpublikation: Tilg A, Kuhle S, Meryk A, Hetzer B, Kropshofer G, Salvador C, et al. Cancer-related fatigue in children during treatment: a 5-year cohort study of daily patient-reported outcomes with clinical implications. EClinicalMedicine 2025; 90: 103607. https://doi.org/10.1016/j.eclinm.2025.103607



