2021 wurden 8,4 Millionen Personen weltweit mit Typ-1-Diabetes (T1D) diagnostiziert, davon waren 1,5 Millionen jünger als 20 Jahre. Die Evidenz zu innovativen Versorgungsmodellen für Typ-1-Diabetes in der Pädiatrie ist jedoch gering. In einer systematischen Übersichtsarbeit, erschienen in BMC Pediatrics, beleuchten A. Carrigan et al. Betreuungsmodelle, ihre Umsetzung und deren Outcome.
Trotz Fortschritt in der Diabetesversorgung haben Kinder und Jugendliche mit T1D eine um 12–16 Jahre kürzere Lebenserwartung. Dies wird auf eine dauerhafte Diskrepanz zwischen empfohlenen Blutzuckerkontrollwerten und den tatsächlich erreichten Werten in der Praxis zurückgeführt. Mangelhaftes Management der glykämische Kontrolle kann zu kardiovaskulären Erkrankungen, Nephropathie und psychischen Störungen führen. Das Augenmerk sollte daher darauf gelegt werden, ob und wie Betreuungsmodelle das Outcome hinsichtlich Optimierung der glykämischen Kontrolle verbessern können.
Kenntnisse zur Wirksamkeit von innovativen Betreuungsmodellen fehlen
Es ist bisher nicht bekannt, ob die evidenzbasierten Versorgungsempfehlungen der International Society for Pediatric an Adolescent Diabetes (ISPAD) in der Praxis angewendet werden, auch sind systematische Reviews zu aktuellen Betreuungsmodellen und deren Effektivität ausständig. A. Carrigan et al. untersuchten daher aktuelle Modelle und fassten deren Umsetzung, Nutzen und Nachhaltigkeit zusammen.
Die Übersichtsarbeit wurde nach dem PRISMA(preferred reporting items for systematic reviews and meta-analyses)-Guidelines mittels systematischer Recherchen in den Datenbanken Medline, CINAHL, EMBASE und Scopus durchgeführt und angezeigt. Die Studiengruppe schloss empirische Studien zu pädiatrischen Modellen für Typ-1-Diabetes, welche im Zeitraum von 2010–2022 in englischer Sprache publiziert wurden, ein. Zur Qualitätsbeurteilung der eingeschlossenen Studien wurde das »mixed methods appraisal tool« (MMAT) verwendet.
Die Autorinnen und Autoren berichten über 19 Studien, welche den Effekt von Betreuungsmodellen für T1D auf das Outcome u. a. hinsichtlich Gesundheit, psychosozialem Aspekt, Zufriedenheit, Kosten, Patienteneinbindung, Krankenhausaufnahme und Adhärenz bewerten.
Multidisziplinäre Teams (MDT) sind ein zentraler Bestandteil
In 13 Studien (68 %) waren multidisziplinäre Teams (MDT) ein zentraler Bestandteil, welche eine Betreuung im Rahmen von unterschiedlichen Settings wie z. B. in der Klinik, ambulant oder über Telemedizin anboten. MDT bestanden aus spezialisierten Ärztinnen und Ärzten, Pflegefachkräften, Diabetesberaterinnen und -beratern, Diätassistentinnen und -assistenten sowie Psychologinnen und Psychologen. Die Forschungsgruppe geht auch auf weitere Komponenten von Versorgungsmodellen für T1D ein: partizipative Entscheidungsfindung, Kapazitätsentwicklung, Ausbildung der Erkrankten zur Selbstbetreuung, zugehende Hilfen, Mentoring sowie Nutzung eines Paging-Systems.
Studien zeigen positive Effekte von MTD auf die Blutzuckerkontrolle
5 Studien (26 %), die den Effekt von MTD sowie Schulung und Ausbildung der Betroffenen zur Selbstbetreuung untersuchten, zeigten eine signifikante Verbesserung der Blutzuckerkontrolle. In 3 Studien (16 %) wurde diese Betreuungsmodelle für T1D jedoch kein Effekt auf den HbA1c-Wert beobachtet. Während 2 Forschungsgruppen (11 %) über eine signifikante Reduktion von diabetischer Ketoazidose und Spitalseinweisung berichteten, konnten 2 andere Studien (11 %) keinen Unterschied bei der Einhaltung des Insulinregimes aufzeigen. Hinsichtlich einer Verbesserung der Lebensqualität und psychosozialer Faktoren war die Studienlage uneinheitlich, so die Autorinnen und Autoren.
Begünstigende Faktoren und Barrieren bei der Umsetzung
Nach A. Carrigan et al. ist der Erfolg von Maßnahmen wie MTD, Diabetesschulung und Ausbildung der Betroffenen zur Selbstbetreuung, u. a. von Faktoren wie einer adäquaten Anzahl von Fachkräften pro Erkrankten und einer engen Kollaboration zwischen Primärversorgung und dem Diabetes-Team in der Klinik, abhängig. Zu Modellen mit aufsuchender Beratung waren Kosten und technische Hindernisse oft limitierende Faktoren. Als hauptsächliche Hindernisse für die Umsetzung von Versorgungsmodellen für T1D wurden z. B. zeitintensive Schulungen sowie lange Fahrtwege für Familien aus ländlichen Regionen berichtet. Daher sollten diese Faktoren lt. Meinung der Forschungsgruppe auch bei der Entwicklung neuer Modelle berücksichtigt und Betroffene in die Planung integriert werden.
Unterschiedliche Modelle und Outcome-Parameter erschwerten die Vergleichbarkeit der Studien. Versloot et al. berichtete z. B. über eine Verbesserung v.a. der diabetesspezifischen Lebensqualität, weniger aber der allgemeinen Lebensqualität. Hinsichtlich der Beurteilung der Nachhaltigkeit war ein kurzes Follow-up in den vorliegenden Studien ein limitierender Faktor. Nur in 8 Arbeiten (42 %) wurden Ergebnisse 2 Jahre oder länger nach Implementierung erhoben. Einschränkende Faktoren dieser Übersichtsarbeit waren u. a., dass hauptsächlich Studien aus Ballungszentren in den USA vorlagen sowie keine internen Evaluierungen und Berichte berücksichtigt wurden.
Conclusion
A. Carrigan et al. berichten über einen Zusammenhang zwischen gesundheitlichem sowie psychosozialem Benefit und neuen Betreuungsmodellen für T1D, jedoch seien Verlaufsstudien nötig, um Faktoren zur Umsetzung sowie die Nachhaltigkeit bewerten zu können. Die Studiengruppe betont, dass zukünftig für die Beurteilung der Effektivität solcher Modelle einheitliche und standardisierte Endpunkte gewählt werden sollten.
Originalpublikation:
Carrigan A, Meulenbroeks I, Sarkies M, Dammery G, Halim N, Singh N, et al. Benefits, implementation and sustainability of innovative paediatric models of care for children with type 1 diabetes: a systematic review. BMC Pediatr 2024; 24: 502. doi: 10.1186/s12887-024-04945-2. PMID: 39103837; PMCID: PMC11299261.
Link zur Originalpublikation: https://bmcpediatr.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12887-024-04945-2
Autorin: Dr. med. Charlotte Gröschel, PhD
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