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„Molekularer Lichtschalter“ könnte Sehsinn von Blinden reaktivieren

„Molekularer Lichtschalter“ könnte Sehsinn von Blinden reaktivieren

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mgo medizin

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Erschienen in: CONCEPT Ophthalmologie

Die Steuerung der Zellaktivität mit Licht steht im Zentrum aktueller Forschungen des Göttinger Forscher des Exzellenzclusters Multiscale Bioimaging (MBExC) und des Else Kröner Fresenius Zentrums für Optogenetische Therapien der Universitätsmedizin Göttingen (UMG). Beide Institute entwickeln derzeit ein lichtempfindliches Protein, das den Seh- und Hörsinn wiederherstellen und den Herzrhythmus regulieren kann.

Das Besondere an dem Protein: Es reichen bereits sehr geringe Lichtmengen aus, um diesen „molekularen Lichtschalter“ zu bedienen. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für die Entwicklung innovativer Therapien zur Behandlung von Blindheit, Taubheit und Herzrhythmusstörungen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature Biomedical Engineering“ veröffentlicht.

Was lichtempfindliche Proteine können

Die Optogenetik ist eine bahnbrechende Technologie, die lichtempfindliche Proteine, sogenannte Kanalrhodopsine, nutzt, um die Aktivität von Nerven- und Muskelzellen gezielt zu steuern. Die Baupläne für diese „molekularen Lichtschalter“ werden mittels spezieller Viren in die entsprechenden Zellen eingeschleust. Durch gezielt gesetzte Lichtpulse kann dann die Zellaktivität präzise an- und abgeschaltet werden. Das Feld der Optogenetik hat weltweit neue Möglichkeiten in der Grundlagenforschung, aber auch für die Behandlung von Erkrankungen eröffnet. Damit diese Technologie zur Entwicklung neuer Behandlungsmaßnahmen für beispielsweise herzkranke, schwersthörige und blinde Menschen genutzt werden kann, müssen sowohl die lichtempfindlichen Proteine als auch die Viren optimal angepasst werden, um den maximalen Nutzen und die erforderliche Sicherheit für die Anwendung beim Menschen zu gewährleisten.

Protein „ChReef“ weckt Hoffnungen

Wissenschaftler des Göttinger Exzellenzclusters Multiscale Bioimaging (MBExC) und des Else Kröner Fresenius Zentrums für Optogenetische Therapien (EKFZ OT) haben jetzt die Entwicklung und Anwendung eines neuen, besonders vielversprechenden lichtempfindlichen Proteins beschrieben. Dieses von Dr. Thomas Mager, Arbeitsgruppenleiter am Institut für Auditorische Neurowissenschaften der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), und Kollegen entwickelte neue Kanalrhodopsin trägt den Namen „ChReef“. „Durch die gezielte Veränderung des Bauplans dieses lichtaktivierbaren Proteins und den Einsatz von zum Teil roboterbasierten Analysemethoden, ist es uns gelungen, die Effizienz der optogenetischen Anregung deutlich zu steigern“, erklärt Dr. Mager. „Damit kommen wir einen ganzen Schritt weiter Richtung Anwendbarkeit beim Menschen, um den Seh- und Hörsinn wieder herzustellen und den Herzschlag zu regulieren“, so Prof. Dr. Tobias Moser, Direktor des Instituts für Auditorische Neurowissenschaften der UMG sowie MBExC- und EKFZ OT-Sprecher.

Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift Nature Biomedical Engineering veröffentlicht.

Therapeutische Anwendungen von ChReef

In einer umfassenden Studie haben die Wissenschaftler von MBExC und EKFZ OT die Effizienz des neuen Kanalrhodopsins geprüft und Belege für das große Potenzial von ChReef für die Biowissenschaften und die klinische Anwendung erbracht.

Forscher um Prof. Dr. Dr. Tobias Brügmann, Arbeitsgruppenleiter am Institut für Herz- und Kreislaufphysiologie der UMG, MBExC-Mitglied und stellvertretender EKFZ OT-Sprecher, konnten beispielsweise zeigen, dass das neue „Werkzeug“ unregelmäßig schlagende Herzmuskelzellen mit sehr geringem Energieaufwand wieder in den richtigen Takt überführen kann.

Effekt bei blinden Mäusen

In einer weiteren Studie, unter Leitung von MBExC-Mitglied und stellvertretende EKFZ OT-Sprecherin Prof. Dr. Emilie Macé, Professorin für „Dynamik erregbarer Zellnetzwerke“ in der Klinik für Augenheilkunde der UMG, wurde das neue Werkzeug blinden Mäusen in Form einer Gentherapie in die Augen eingeschleust. Ein anschließender Verhaltenstest zeigte, dass die Mäuse in der Lage waren, Helligkeitsunterschiede auf einem iPad-Bildschirm zu erkennen. Diese Art der Sehwiederherstellung wurde bereits im Rahmen anderer Studien am Menschen überprüft, allerdings waren mit den bisher verwendeten Kanalrhodopsinen sehr starke Lichtquellen notwendig.

Eine weitere mögliche Anwendung von ChReef sehen die Forschenden in der optogenetischen Wiederherstellung des Hörens mittels dem optogenetischen Cochlea Implantat (oCI). Dieses verspricht eine bessere Auflösung verschiedener Tonhöhen im Vergleich zum elektrischen Cochlea Implantat, das derzeit weltweit zur Hörrehabilitation eingesetzt wird. In der nun veröffentlichten Studie benötigten die Forschenden für das „Hören mit Licht“ beeindruckend geringe Lichtmengen. „Durch die Entwicklung von ChReef haben wir einen großen Schritt in Richtung klinische Anwendung des optogenetischen Cochlea Implantats gemacht, da nun deutlich weniger Energie für das „Hören mit Licht“ benötigt wird“, erläutert Prof. Moser. „Zum einen reduzieren sich dadurch die Schädigungen der Zellen durch Licht, zum anderen halten die Batterien länger.“ Für die Anwendung am Menschen ist ebenfalls relevant, dass die Wiederherstellung des Hörsinns mit Licht auch im Primatenmodell möglich ist, wie Wissenschaftler*innen um Prof. Dr. Marcus Jeschke, Leiter der Forschungsgruppe „Kognitives Hören bei Primaten“ am Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung (DPZ), in Göttingen zum ersten Mal zeigen konnten. „ChReef stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Optogenetik dar und bietet großes Potenzial für die Grundlagenforschung aber auch für die therapeutische Anwendungen, etwa bei Herzrhythmusstörungen oder der Wiederherstellung von Hör- und Sehsinn“, ergänzt Dr. Bettina Wolf, Postdoktorandin am Institut für Auditorische Neurowissenschaften und Koautorin der Studie.

Gefördert wurde diese Forschungsarbeit vom Göttinger Exzellenzcluster „Multiscale Bioimaging: von molekularen Maschinen zu Netzwerken erregbarer Zellen“ (MBExC) und dem seit 2024 im Aufbau befindlichen Else Kröner Fresenius Zentrum für Optogenetische Therapien (EKFZ OT), das die Überführung optogenetischer Therapien in die klinische Anwendung vorantreibt. „Die Entwicklung neuer Methoden wird hier in Göttingen eng mit wissenschaftlichen und geplanten medizinischen Anwendungen verbunden. Wir lernen voneinander und können so besonders effizient bei der Entwicklung optogenetischer Therapien vorankommen,“ hebt Prof. Moser das Potenzial der synergistischen Zusammenarbeit von MBExC und EKFZ OT in Göttingen hervor.

Originalpublikation: Alekseev A, Hunniford V, Zerche M, Jeschke M, El May F, Vavakou A, Siegenthaler D, Hüser MA, Kiehn SM, Garrido-Charles A, Meyer A, Rambousky A, Alvanos T, Witzke I, Rojas-Garcia KD, Draband M, Cyganek L, Klein E, Ruther P, Huet A, Trenholm S, Macé E, Kusch K, Bruegmann T, Wolf BJ, Mager T, Moser T Efficient and sustained optogenetic control of sensory and cardiac system. Nat Biomed Engin (2025). DOI: 10.1038/s41551-025-01461-1


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Tobias Moser
Institut für Auditorische Neurowissenschaften
Exzellenzcluster „Multiscale Bioimaging” (MBExC)
Sonderforschungsbereich 1690
Telefon 0551 / 39-63071
tobias.moser@med.uni-goettingen.de
www.auditory-neuroscience.uni-goettingen.de

Quelle: Universitätsmedizin Göttingen, Pressemitteilung vom 28. Juli 2025

Bildquelle:© Pier – stock.adobe.com

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