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IGF1R-Blocker – neues Zeitalter bei der Therapie der endokrinen Orbitopathie

Schematische Darstellung der Wirkungsweise des IGF1R Blockers und Fotos einer Basedow-Patientin vor- und nach der Behandlung

IGF1R-Blocker – neues Zeitalter bei der Therapie der endokrinen Orbitopathie

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Orbita, Augenlid und Tränenwege

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Erschienen in: CONCEPT Ophthalmologie

Über neue Antikörper, die Game Changer in der Therapie der endokrinen Orbitopathie werden könnten, berichtete Prof. Dr. Anja Eckstein auf der Vorab-Pressekonferenz zum DOG-Kongress. Noch sind entsprechende Medikamente in Europa nicht zugelassen, doch Studien sind vielversprechend. War zuvor nur eine antientzündliche Therapie möglich, eröffnet sich nun die Chance, die Erkrankung ursächlich zu behandeln.

Wie Eckstein, stellvertretende Direktorin der Klinik für Augenheilkunde und Leiterin Orthoptik, Orbitazentrum, okuloplastisch rekonstruktive Chirurgie am Universitätsklinikum Essen erläuterte, gehören hervortretende Augen zur Trias der kennzeichnenden Merkmale der 1840 erstmals von Carl Adolph von Basedow beschriebenen sogenannten Glotzaugen-Kachexie. Auch eine vergrößerte Schilddrüse und ein beschleunigter Herzschlag gehören dazu. Es handelt sich um eine Autoimmunerkrankung, die sich im mittleren Lebensalter wesentlich häufiger bei Frauen als bei Männern manifestiert. Rund die Hälfte der Patientinnen und Patienten, die an dieser Form der Schilddrüsenüberfunktion erkranken, entwickeln auch Augensymptome – die endokrine Orbitopathie (EO). Die Inzidenz liegt für die Orbitopathie bei Frauen zwischen 3,3 und 16/100.000 Einwohner/Jahr und bei Männern von 0,9 bis 2,9/100.000 Einwohner pro Jahr.

Wer an einer Basedow-Erkrankung leidet, hat Autoantikörper im Blut, die den TSH-Rezeptor (Thyreotropin) in der Schilddrüse stimulieren und so eine Überfunktion induzieren. Viele Betroffene verlieren durch die Überfunktion erheblich an Gewicht (Kachexie) und das Herz schlägt durch die Überfunktion schneller (Tachykardie).

Autoantikörper stimulieren zwei Rezeptoren

Vor noch nicht allzu langer Zeit wurde entdeckt, dass diese Autoantikörper im Augenhöhlenbindegewebe gleich zwei Rezeptoren stimulieren. Einmal den TSH-(Thyreotropin-) Rezeptor und einen Rezeptor, der normalerweise von IGF1 (IGF1 = insulinähnlicher Wachstumfaktor 1) angeschaltet wird. Dadurch werden die wesentlichen Krankheitsprozesse der endokrinen Orbitopathie in Gang gesetzt: Fettvermehrung und Hyaluronsäureproduktion (siehe Abbildung A). Hyaluronsäure kennt man als sogenanntes Filler-Präparat. In der knöchern begrenzten Augenhöhle sind sie fehl am Platz. Die Volumenvermehrung durch Fett und Hyaluronsäure schiebt die Augäpfel nach vorne (Exophthalmus). Die Augenmuskeln vertragen die Hyaluronsäure auch nicht, sie verdicken sich und vernarben. Dadurch wird die Beweglichkeit der Augäpfel schlechter. Und da nicht alle Augenmuskeln gleichzeitig befallen sind, stehen die Augen dann oft in einer Schielstellung. Die Folge ist Diplopie. Durch die Wassereinlagerung bekommen die Patienten auch mehr oder weniger ausgeprägte Lidschwellungen. Ihre Lebensqualität wird durch die äußere Entstellung und die Funktionseinbußen sehr stark herabgesetzt.

Therapeutischer Antikörper zugelassen

Nun wurde in den USA erstmals ein therapeutischer Antikörper zugelassen, der den IGF1-Rezeptor direkt blockiert und damit die krankhafte Hyaluronsäureproduktion im Gewebe stoppt. Der Antikörper (Teprotumumab) ist sehr wirksam, schon nach wenigen Infusionen verschwinden die Glotzaugen, das heißt, die Augäpfel gehen wieder in die Augenhöhlen zurück (siehe Abbildung B). Das ist ein Behandlungseffekt, der mit den üblichen Behandlungsstrategien (Immunsuppression) bisher nicht erreicht werden konnte. Dabei wird im Wesentlichen ein antientzündlicher Effekt erreicht. Das einmal abgelagerte Bindegewebe wird aber kaum aufgelöst, so dass die Glotzaugen und auch die Doppelbilder bleiben.

Bisher sind Korrekturoperationen nötig

Aus diesem Grund müssen bisher bei stärker betroffenen Patienten später im Verlauf Korrekturoperationen durchgeführt werden. Diese darf man aber erst machen, wenn die Krankheitsdynamik zum Stillstand gekommen ist. Meist dauert das ein bis eineinhalb Jahre. Um die hervorgetretenen Augen zu korrigieren, werden Knochenwände der Augenhöhle chirurgisch entfernt, damit das Zuviel an Augenhöhlengewebe zur Seite weichen kann und die Augäpfel wieder in die Augenhöhle einsinken (knöcherne Dekompression). Diese Operation ist natürlich nicht ohne Risiko für den Patienten – Schielstellungen können sich neu entwickeln oder verschlechtern. Die Korrektur der schielenden Augen ist ebenfalls nicht einfach, da die Augen in drei Dimensionen verdreht sein können. So werden oft mehrere Operationen notwendig, bis die Augen sich wieder einigermaßen symmetrisch bewegen, Doppelbilder verschwinden und der Patient wieder normal aussieht.

Mit dem Einsatz der IGF1R-Blocker wird ein neues Zeitalter für die Patienten beginnen, da viele Korrekturoperationen dann nicht mehr oder in signifikant geringerem Ausmaß durchgeführt werden müssen, um Aussehen und Sehfunktion wiederherzustellen.

Nebenwirkungen möglich

Leider ist die Wirkung eines Arzneimittels immer auch mit Nebenwirkungen assoziiert. Wenn der wichtige insulinähnliche Wachstumsfaktor-1-Rezeptor blockiert wird, werden insulinähnliche Wirkungen blockiert. Der Blutzucker steigt deshalb an, sodass vor allem bei Diabetikern Einschränkungen in der Anwendbarkeit bestehen. Weiterhin spielt IGF1 bei der neuronalen Regeneration insbesondere im Innenohr eine Rolle, sodass bei 10 bis 14 Prozent der Patienten Hörstörungen auftreten können.

Weitere Medikamente entwickelt

Vor diesem Hintergrund ist es besonders interessant, dass inzwischen weitere Medikamente entwickelt wurden, die die direkte Antikörperwirkung blockieren (TSHR blockierende Antikörper/kleine Moleküle bzw. Substanzen, die selektiv die Autoantikörper im Blut wegfangen).

Der niedrig molekulare IGF1R Antagonist Linsitinib zeigte im präklinischen Modell noch zusätzlich nützliche Eigenschaften, da Linsitinib zusätzlich zur Hemmung der Hyaluronsäureproduktion auch die Knochenmarkaktivierung hemmt und somit wahrscheinlich zu einem schnelleren Ende der Autoimmunerkrankung beiträgt. Dazu kommt, dass man den Wirkstoff oral mit kurzer Halbwertszeit verabreichen kann, sodass die Therapie besser steuerbar ist.

Neues Zeitalter in der Therapie

Mit den IGF1R/TSHR blockierenden Therapien wird ein neues Zeitalter in der Therapie der Basedow-Schilddrüsen- und -Augenerkrankung anbrechen. In relativ kurzem Zeitraum verschwinden Exophthalmus (Glotzaugen) und Augenbewegungsstörung mit Diplopie (Doppeltsehen). Bisher können diese Symptome erst nach längerer Wartezeit (ein Jahr oder länger) im inaktiven Stadium der Erkrankung operativ und oft auch nicht immer vollständig korrigiert werden.

Allerdings stellen die hohen Kosten für solche Therapien für das deutsche Gesundheitssystem eine zunehmende Herausforderung dar. In der Kosten-Nutzen-Bewertung sollte hier die signifikante Verkürzung der Dauer der Arbeitsunfähigkeit insbesondere durch Doppelbilder miteinbezogen werden. Da die Medikamente noch nicht von der EMA zugelassen wurden, können Patienten in Deutschland diese Medikamente nur in Studienzentren erhalten (VRDN 001: Berlin: Charité, Dresden: Universitätsklinikum, Göttingen: UMG, Essen UME (alles Augenkliniken), Teprotumumab: Essen UME (Augen), Mainz UNI (Endokrinologie)), Linisitinib bisher nur in Europa, aber nicht in Deutschland.

Literatur:

1.         Smith, T.J., Understanding Pathogenesis Intersects With Effective Treatment for Thyroid Eye Disease. J Clin Endocrinol Metab, 2022. 107(Suppl_1): p. S13-S26.

2.         Girnita, L., T.J. Smith, and J. Janssen, It Takes Two to Tango: IGF-I and TSH Receptors in Thyroid Eye Disease. J Clin Endocrinol Metab, 2022. 107(Suppl_1): p. S1-S12.

3.         Douglas, R.S., et al., Teprotumumab Efficacy, Safety, and Durability in Longer-Duration Thyroid Eye Disease and Re-treatment: OPTIC-X Study. Ophthalmology, 2022. 129(4): p. 438-449.

4.         Douglas, R.S. and G.J. Kahaly, Teprotumumab for Active Thyroid Eye Disease. Reply. N Engl J Med, 2020. 382(20): p. 1959-1960.

5.         Burch, H.B., et al., Management of Thyroid Eye Disease: A Consensus Statement by the American Thyroid Association and the European Thyroid Association. Thyroid, 2022. 32(12): p. 1439-1470.

6.         Gulbins, A., et al., Linsitinib, an IGF-1R inhibitor, attenuates disease development and progression in a model of thyroid eye disease. Front Endocrinol (Lausanne), 2023. 14: p. 1211473.

Quelle: Vorab-Online-Pressekonferenz zur DOG 2023 am 21.09.2023

Bildquelle: A. Eckstein

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