Künstliche Intelligenz ist dabei, die Augenchirurgie grundlegend zu verändern, von der Operation bis zur personalisierten Nachsorge. Deshalb hat die DOG nun ein Statement zu aktuellen Möglichkeiten und Herausforderungen veröffentlicht.
Die Stellungnahme der DOG zur KI kommt von Dr. med. Ben Asani, Facharzt an der Augenklinik, LMU Klinikum, München. Hier ihr Wortlaut:
„Der Einsatz von KI ist vielfältig, dabei geht es nicht nur um den tatsächlichen intraoperativen Einsatz. Dinge wie intraoperative Robotik etc. sind hier zwar ebenfalls gemeint und wichtig; doch letztlich geht es auch um den Gesamtprozess von präoperativer Planung bis postoperativer Nachsorge, in der KI immer mehr eine große Rolle spielt. Demzufolge ist es wichtig, zwischen den verschiedenen Prozessen zu unterscheiden. Eine knappe Zusammenfassung:
Präoperative Planung
Ziel ist eine präzisere, sichere und insbesondere individuelle Planung.
Ein bekanntes Beispiel in der Kataraktchirurgie:
Moderne KI-gestützte oder hybridbasierte Formeln (zum Beispiel Kane, PEARL-DGS, Hill-RBF, Nallasamy) zeigen in aktuellen Übersichtsarbeiten eine überlegene oder zumindest gleichwertig hohe Genauigkeit gegenüber klassischen Formeln – insbesondere in „schwierigen“ Augen (sehr kurz/lang, post-refraktive Hornhaut). Damit verbessern sie die Refraktionsvorhersage und reduzieren Nachkorrekturen.
Im ICL-Sizing und der Vault-Vorhersage:
Mehrere Studien belegen, dass Machine-Learning/Deep-Learning-Modelle (teilweise auf AS-OCT basierend) die postoperative Vault präziser vorhersagen und damit die Linsengrößenwahl verbessern können – mit teils deutlicher Überlegenheit gegenüber Hersteller-Nomogrammen beziehungsweise klassischen Regressionsansätzen. Das Ziel: weniger Unter-/Übervaulting, geringere Komplikationsraten.
Keratoplastik (vor allem DMEK): KI-Modelle auf Basis präoperativer AS-OCT können das Rebubbling-Risiko beziehungsweise eine Graft-Ablösung nach DMEK prädizieren. Dies erlaubt eine feinere Patientenselektion und perioperative Planung (zum Beispiel SF6-Tamponade, Lagerungsregime).
Literatur:
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC10816994/
https://www.ajo.com/article/S0002-9394%2825%2900071-6/fulltext
https://www.nature.com/articles/s41433-024-03347-z
https://www.frontiersin.org/journals/ophthalmology/articles/10.3389/fopht.2024.1380701/full
https://biomedical-engineering-online.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12938-023-01123-w
https://tvst.arvojournals.org/article.aspx?articleid=2793283
https://bjo.bmj.com/content/107/2/201
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/40660493/
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC10187791/
https://www.nature.com/articles/s41598-022-22223-y
Intraoperative Unterstützung
Deep-Learning-Modelle erkennen Operationsphasen (zum Beispiel Kapsulorhexis, Phako, IOL-Implantation) und Instrumente verlässlich – gut zum einen für Training/Ausbildung, aber auch für die eigene Qualitätskontrolle. Erste klinische Anwendungen zeigen verkürzte OP-Zeiten bei Einsatz von Echtzeit-KI-Feedback.
https://tvst.arvojournals.org/article.aspx?articleid=2778721
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC8606857
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/40664490/
Robotik in der vitreoretinalen Chirurgie:
Die PRECEYES-Plattform wurde in der ersten randomisierten Studie zur ERM-/ILM-Peeling-Chirurgie evaluiert: Machbarkeit und Sicherheit wurden bestätigt; die robotische Gruppe benötigte zwar länger, zeigte aber präzisere Instrumentenführung (geringere Wegstrecke) bei vergleichbaren funktionellen/anatomischen Resultaten. Dies deutet auf ein Potenzial für Feinmanöver (zum Beispiel subretinale Injektionen) und Tremorreduktion.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36177965/
Aktuelle Studie:
In unserem Hause wird versucht, KI-gestützt die Aufnahmequalität des intraoperativen OCTs zu verbessern.
Postoperative & longitudinale Versorgung: personalisierte Therapien
Anti-VEGF-Therapien (nAMD/DME/RVO): KI auf Basis von OCT-Biomarkern (plus klinischen Daten) kann die Behandlungsnachfrage (Treat-and-Extend-Intervalle) und das Ansprechen vorhersagen („Predict to Treat“) und so Kontroll-/Injektionsintervalle individualisieren – mit dem Ziel, Unter-/Überbehandlung zu vermeiden und Ressourcen zu schonen. Aktuelle Studien zeigen hierfür belastbare Modelle. Bereits jetzt gibt es zum Beispiel in HEYEX 2 und Topcon Harmony die App der Firma „DeepEye“. Hier testen wir aktuell an der LMU selbst, wie sehr durch KI die Entscheidung der Behandler zum positiven und/oder negativen beeinflusst wird (LMU Assist Study).
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC11639924/
https://www.nature.com/articles/s41598-024-79034-6
Limitierungen:
Trotz dieser Fortschritte bestehen weiterhin Herausforderungen, insbesondere hinsichtlich der Standardisierung von Datensätzen, der Generalisierbarkeit von Algorithmen und der Integration in den klinischen Alltag. Die Kosten für robotische Systeme und die notwendige Schulung limitieren derzeit die breite Anwendung.“
Quelle: Pressemitteilung der DOG, 18. Sept. 2025
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