Das Osteosarkom ist der häufigste primär maligne Knochentumor. Pro einer Million Einwohner treten etwa 2–3 Erkrankungsfälle pro Jahr auf. Kennzeichen des Osteosarkoms ist die Produktion von manchmal auch nur kleinen Mengen an Tumorosteoid. Mehr als 60% aller Patienten sind jünger als 25 Jahre, aber rund 30% aller Fälle treten bei Patienten im Alter über 40 Jahre auf.
Die Metaphyse der langen Röhrenknochen, insbesondere die Knieregion, ist die Hauprädilektionsstelle. Gerade hier sollte auf die wenigen bekannten prädisponierenden Faktoren wie einen langjährigen nicht behandelten Morbus Paget oder eine ehemals erfolgte Strahlentherapie geachtet werden.
Die mediane Dauer vom Auftreten der ersten Symptome bis zur Diagnose beträgt etwa 3 Monate. Klinisch führend sind zunehmende, meist als belastungsabhängig empfundene Schmerzen der betroffenen Region, oft als Folge eines Sporttraumas interpretiert. Erst später kann eine lokale Schwellung bemerkt werden. Gerade am Kniegelenk ist diese gut palpabel, manchmal auch mit einer Bewegungseinschränkung verbunden.
Pathologische Frakturen sind selten, können aber auch das erste Symptom der Erkrankung sein. Metastasen finden sich primär manifest bei ca. 10–20% der Patienten, primär okkult bei etwa 80%. Wie bei allen primär malignen Knochen-tumoren sollte der Verdacht zur Überweisung an ein Sarkomzentrum führen.
Diagnostik per Bildgebung …
Unverzichtbar ist nach wie vor das konventionelle Röntgen in mindestens zwei Ebenen. Ergänzend müssen Schnittbildverfahren zur Darstellung des Markraumbefalls (manchmal sehr weitgehend) und des Weichteiltumors erfolgen. An den Extremitäten, im Schultergürtel- und im Beckenbereich wird hier die Magnetresonanztomografie (MRT) mit Kontrastmittel bevorzugt. Die Untersuchung muss neben der detaillierten Darstellung des Tumors selbst auch den gesamten befallenen Knochen mit den benachbarten Gelenken umfassen, um eventuell vorhandene Skip-Läsionen zu erfassen.
Differenzialdiagnostisch kann in einigen Fällen additiv die Durchführung einer Computertomografie (CT) zur Feinbeurteilung des ossären Wachstumsmusters hilfreich sein.
… und Biopsie
Im nächsten Schritt erfolgt die immer notwendige Biopsie des Tumors, idealerweise an jenem Sarkomzentrum, in dem später auch die Resektion des Tumors durchführen wird. Die Wahl eines ungeeigneten Zugangsweges oder die Durchführung in falscher Technik kann den Extremitätenerhalt massiv gefährden.
Ob die Biopsie in minimalinvasiver Stanz- oder in herkömmlicher offener Technik („Inzisions-biopsie“) erfolgt, bleibt der Erfahrung des behandelnden Zentrums überlassen. Angesichts der raschen Durchführbarkeit, der niedrigen Komplikationsrate und Vorteilen bei der definitiven Versorgung nimmt die Zahl der Stanzbiopsien eher zu. Trotz geringen Gewebegewinns lässt sich bei der meist sehr typischen histopathologischen Struktur in den allermeisten Fällen so die Diagnose minimalinvasiv absichern.
Vorteile der Stanzbiopsie sind die sofortige Durchführbarkeit in Lokalanästhesie und das deutlich geringere Kontaminationsrisiko der Umgebung im Vergleich zur Inzisionsbiopsie. Eine Referenzpathologie wird in der Regel routinemäßig, schon aus Gründen des Studieneinschlusses, erfolgen.
Detektion von Metastasen
Das Risiko der pulmonalen Fernmetastasierung bedingt typischerweise eine CT des Thorax. Zur Suche nach Knochenmetastasen wird klassischerweise eine Skelettszintigrafie in 3-Phasen-Technik, in vielen Zentren heute auch direkt eine Ganzkörper-Positronen-Emissions-
Tomografie mit 18F-Fluorodesoxyglukose und CT (FDG-PET/CT) als Ausgangsuntersuchung auch zur Beurteilung des späteren Therapieansprechens durchgeführt.
Die FDG-PET kann auch in Kombination mit einer Ganzkörper-MRT als FDG-PET/MRT erfolgen, die Abbildung der PET/CT oder /MRT sollte dabei die Arme und Beine vollständig erfassen. Laborchemisch gibt es, wie bei allen Sarkomen, keine spezifischen Marker. Ein hoher Knochenumsatz (erhöhte Werte der alkalischen Phosphatase) oder eine ausgeprägte Nekrose (erhöhte Werte der LDH) sind prognostisch aber ungünstig.
Klassifikation und Stadieneinteilung
Prinzipiell werden eine Reihe von Subgruppen unterschieden. Der wichtigste und typischste Vertreter (80–90%) ist dabei das zentrale Osteosarkom. Osteosarkome sind meist anaplastische Tumoren hoher Malignität, seltener sind hochdifferenzierte Tumoren (G1) mit niedrigem Metastasierungspotenzial (low-grade), z.B. parossale oder die seltenen niedrigmalignen zentralen Osteo-sarkome. Periosteale Osteosarkome sind meist vom intermediären Charakter, teleangiektatische, kleinzellige oder hochmaligne Oberflächenosteosarkome seltene High-grade-Läsionen.
Seitens der Lokalisation werden die schnell wachsenden Areale der Knochen, wie typischerweise das distale Femur, die proximale Tibia, das proximale Femur und der proximale Humerus in metaepiphysärer Lage bevorzugt. Oberflächen-Osteosarkome können bei sehr langsamem Wachstum und nicht immer eindeutigem Erscheinungsbild mit Exostosen verwechselt werden.
Sekundäre Osteosarkome, z.B. nach Strahlentherapie oder als Folge eines Morbus Paget, zeigen eine ausgesprochen schlechte Prognose. Etwa 20% der Osteosarkome sind zum Diagnosezeitpunkt in den Screeninguntersuchungen erkennbar metastasiert, in 80–90% betrifft dies die Lunge. Auch wenn es augenscheinlich nur lokalisiert auftritt, muss das Osteosarkom als systemische Erkrankung verstanden werden. Zur Stadieneinteilung findet die aktuelle TNM-Klassifikation Anwendung.
Therapieoptionen: Prä- und postoperative Chemotherapie
Bis zur Einführung der Chemotherapie in den 70er-Jahren betrug die Über-lebenschance trotz radikaler ablativer Therapie nur ca. 20%. Heute wird die Chemotherapie generell vor der Resektion (neoadjuvant) und nach der Resektion (adjuvant) durchgeführt. Eine Ausnahme stellen lediglich hochdifferenzierte (G1)-Osteosarkome dar, wie sie z.B. bei den parossalen Formen häufiger vorkommen.
Aufgrund der Seltenheit dieser Tumor-entität hat man früh multizentrische randomisierte Studien begonnen, die erfreulicherweise fast alle in den deutschsprachigen Ländern versorgten Osteosarkome bei Kindern und jüngeren Erwachsenen erfassen. Die Therapie von Patienten mit einem Osteosarkom bis zum 40sten Lebensjahr erfolgte bis Juni 2011 im EURAMOS (EURopean and AMerican Osteosarcoma Study)-1 Protokoll. Nach einer 7-jährigen Rekrutierungsphase wurden 2.260 Patienten aus 330 Zentren eingeschlossen. Etwa 50% der Patienten wurden in 50 Zentren therapiert. In Deutschland konnten überdurchschnittlich 68% der Patienten randomisiert werden. Aktuell werden bei uns die Patienten im Standard-Arm des EURAMOS-1-Protokolls behandelt und registriert, jedoch nicht mehr risikoadaptiert randomisiert (coss@olgahospital-stuttgart.de). Liegt das Erkrankungsalter zwischen dem 40sten und 65sten Lebensjahr, so wird der Einschluss in das offene EURO-B.O.S.S. (EUROpean Bone Over 40 Sarcoma Study)-Protokoll empfohlen. Die Prognose ist damit vergleichbar zu jenen der jüngeren Patienten.
Entsprechend der im Juni 2021 aktualisierten Leitlinie zur Behandlung von Patienten mit Osteosarkom beträgt die Gesamtdauer der prä- und postoperativen Chemoherapie 9–12 Monate.
Die Polychemotherapie-Protokolle enthalten typischerweise mehrere der nachfolgend aufgeführten vier Zytostatika: Hochdosis-Methotrexat mit Folsäure-Rescue (HD-MTX), Adriamycin (ADR), Cisplatin (DDP) und Ifosfamid (IFO).
Die Ergebnisse einer Metaanalyse weisen darauf hin, dass mit Protokollen, die 3 der angeführten 4 Medikamente enthalten, bessere Ergebnisse erzielt werden können als mit solchen, die auf nur 2 basieren, während für den Zusatz einer 4. Substanz kein Vorteil nachgewiesen wurde. In vielen Ländern wird deshalb die Kombination aus HD-MTX, ADR und DDP (MAP) als Therapiestandard angesehen.
Im Ergebnis der aktuellen Behandlungsleitline wird aufgeführt, dass basierend auf den Daten einer randomisierten amerikanischen Studie der Immun-modulator liposomales Muramyl-Tripeptid-Phosphatidyl-Ethanolamin (MTP) in Euro-pa, nicht aber in den USA, in Kombination mit Chemotherapie zur Behandlung komplett resezierter, lokalisierter Osteosarkome bei Patienten <30 Jahren zugelassen ist.
Nach Auffassung verschiedener europäischer und amerikanischer Osteosarkomgruppen reichen diese Daten nicht aus, um den routinemäßigen Einsatz dieser Substanz außerhalb kontrollierter Stu-dien zu befürworten.
Das Ausmaß des histologischen Tumoransprechens auf eine präoperative Chemotherapie, die Nekroserate des Tumors, ist ein aussagekräftiger prognostischer Faktor. Die in Abhängigkeit vom Tumoransprechen durchgeführten Ergänzungen oder Intensivierungen der postoperativen Chemotherapie führten in der oben angeführten größten prospektiven, randomisierten Osteosarkomstudie für Patienten im Alter bis 40 Jahre EURAMOS-1 nicht zu besseren Therapieergebnissen, wohl aber zu vermehrter Toxizität.
Es besteht daher ohne eindeutig nachgewiesenen Erkrankungsprogress keine Indikation, die postoperative Chemotherapie außerhalb von Studien in Abhängigkeit vom Ausmaß des Tumoransprechens auf die präoperative Standard-Chemotherapie zu modifizieren.
Resektion des Tumors oder Bestrahlungsverfahren
Grundsätzlich muss zumindest die weite Resektion d.h. die Entfernung des Tumors einschließlich der Region einer eventuellen Inzisionsbiopsie mit tumorfreien Resektionsrändern, allseitig umgeben von gesundem Gewebe angestrebt werden. Stanzbiopsienarben müssen aufgrund des geringen Kontaminationsrisikos nicht zwingend umschnitten werden.
Bei palliativem Therapieansatz (z.B. Tumorreduktionen oder bei Vorliegen inoperabler Metastasierung) sind die Anforderungen an die Radikalität des Eingriffes natürlich weniger streng zu stellen. Auch eine Strahlentherapie kann hier oder bei anatomisch nicht resektabler Lokalisation sinnvoll sein. Moderne Bestrahlungsverfahren wie die Intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT) oder auch die Protonen- oder Schwerionentherapie sollten eingesetzt werden. Die potenziell lokalablative, stereotaktische Radiotherapie (SBRT) kann bei Vorliegen einzelner, nicht resektabler Lungenmetastasen und Knochenmetastasen verwandt werden.
Operationstechnische Gesichtspunkte
Eine MRT-Abbildung des gesamten Kompartmentes ist zum Ausschluss von Satellitenläsionen notwendig. Ist dies geschehen, kann weiter entschieden werden, welche anatomischen Strukturen für eine Deckung des Resektionsdefektes zur Verfügung stehen bzw. ob bei einer Extremitäten-erhaltenden Operation eine ausreichende onkologische Radikalität eingehalten wird und ob die erhaltene Extremität anschließend auch noch sinnvoll genutzt werden kann.
Operative Methoden
Grundsätzlich zur Verfügung stehen an den Extremitäten verschiedene operative Methoden:
Erhalt der Extremität in der ursprünglichen Form mit Überbrückung eines entstehenden knöchernen Defektes
Endoprothetische Gelenkrekonstruktion Amputation und Umkehrplastik
Operationen bei Knochentumoren stellen immer hochgradig individuelle Eingriffe dar. Die Funktion richtet sich nach den erhaltbaren Strukturen und den im Einzelfall zur Verfügung stehenden Rekonstruktionsmöglichkeiten. Bei Jugendlichen oder Erwachsenen ist die klassische Tumorendoprothetik meist das Verfahren der Wahl.
Probleme bereiten pathologische Frakturen wegen der schwer vorhersehbaren Tumorzellverschleppung im Frakturhämatom und Kleinkinder, bei denen sich durch das Wachstum der Extremitäten zusätzliche Probleme bieten. Neue Operationsverfahren der autologen Rekonstruktion wie auch die Wachstumsprothesen können hier das Indikationsalter nach unten verschieben.
Amputationen bzw. verwandte Verfahren wie Exartikulationen oder Hemipelvektomien müssen durchgeführt werden bei zusätzlichem Befall der versorgenden nervalen Strukturen oder bei nicht anders beherrschbaren Komplikationen anderer Rekonstruktionen. Als Umkehrplastik wird die Entfernung eines Segmentes einer Extremität und die Replantation des distalen Anteils der Extremität an die proximale Absetzungsstelle verstanden. Durchgängig erhalten bleibt nur die Nervenversorgung. Klassisches Beispiel ist die Umkehrplastik nach Borggreve.
In 1.355 Patienten der COSS-Studie fanden sich 2011 publiziert signifikant unterschiedlich Lokalrezidive bei amputierten Patienten in 3,2%, bei Extremitäten erhaltend operierten Patienten in 7,5% und bei Umkehrplastiken in 2,4%. Zwischen weiter (6,2%) und radikaler Resektion (4,5%) bestand keine signifikante Differenz. Auch bei den knöchernen Resektionsabständen (1–10 vs. 11–20mm) fand sich keine signifikante Differenz.
Heilung nur bei vollständiger Resektabilität
Generell lässt sich beim Osteosarkom damit die klare Empfehlung für eine weite Tumorresektion aussprechen. Die oft sehr begrenzten anatomischen Verhältnisse (z.B. Abstand zu den Gefäßen und Nerven der Poplitea) lassen eine über einen weiten Resektionsrand – zumindest im Millimeterbereich – hinaus gehende radikalere Resektion unter Mitnahme dieser wichtigen Strukturen nicht begründen. Ist im Einzelfall, z.B. im Becken, ein Resektionsrand kontaminiert, muss unter kritischer Abwägung und Diskussion mit den Patienten u.U. auch eine lokale Nachbestrahlung gegenüber einer ablativen Maßnahme diskutiert werden.
In den Ergebnissen der im deutschsprachigen Raum abgeschlossenen COSS-Studien ließ sich damit ein Extremitäten-erhalt in 70–80% aller Patienten bei einen Gesamtüberleben (10 Jahre) von ca. 65% im primär nicht metastasierten und ca. 30% im primär metastasierten Stadium bei den konventionellen Osteosarkomformen dokumentieren. Wesentliche prognostische Bedeutung kommt dem Ansprechen des Tumors auf die Chemotherapie zu. Eine Nekroserate von 90% und mehr, ermittelt bei der Resektion, verbessert die Prognose hochsignifikant. Günstige prognostische Parameter sind die periphere Lage, eine Größe kleiner 1/3 des Extremitätendurchmessers und die Vollständigkeit der chirurgischen Resektion. Die Lokalrezidivrate beträgt dabei abhängig von der Lokalisation im Extremitätenbereich ca. 4–13% (dist. Tibia – prox. Femur).
Patienten mit singulären oder wenigen Lungenmetastasen eines Osteosarkoms haben eine signifikant bessere Prognose im Vergleich zu multiplen Lokalisationen. Eine Heilung ist nur bei vollständiger Resektabilität zu erwarten.
Mehr als 90% der Rezidive treten innerhalb von 5 Jahren nach Diagnosestellung auf, über 80% betreffen hierbei die Lunge. Da auch über sehr späte (>10 Jahre) pulmonale Metastasen berichtet wird, kann kein Zeitpunkt festgelegt werden, an dem die regelmäßige Nachsorge beendet werden sollte.
Mehr und mehr Patienten aus den Anfangsjahren der Chemotherapie bis heute sind potenziell kurativ therapiert und stellen die behandelnden Tumor-orthopäden aufgrund ihres meist jungen Alters und der erheblichen Defektgröße mit oft großen tumorendoprothetischen Ersatz langfristig vor erhebliche technische Herausforderungen. Insbesondere die Etablierung moderner modularer multiaxialer Prothesensysteme und die Erkenntnis der hohen Bedeutung der suffizienten Weichteildeckung haben hier in den letzten Jahrzehnten die Revisions- und sekundäre Amputationsrate wesentlich sinken lassen.
Prof. Dr. med. Hans Roland Dürr, Leiter Schwerpunkt Tumororthopädie, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, LMU Klinikum, Campus Großhadern
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