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Indikation und Ergebnisse der ­zytoreduktiven radikalen Prostatektomie

Indikation und Ergebnisse der ­zytoreduktiven radikalen Prostatektomie

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Prostatakarzinom

mgo medizin

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Erschienen in: ärztliches journal onkologie

Insbesondere für Patienten mit metastasiertem hormonsensitivem Tumor und geringer Metastasenlast stellt die zytoreduktive radikale Prostatektomie als lokale Therapie eine Option dar, die trotz positiver Ergebnisse eine sehr individuelle Therapieentscheidung erfordert. Für welche Patienten sich dieses Verfahren eignet und welche Limitationen zu beachten sind: Ein Überblick über die aktuelle Datenlage von Prof. Axel Heidenreich, Köln.

Trotz der zunehmenden Wahrnehmung von Früherkennungsprogrammen werden auch heute noch ca. 10 % der neu diagnostizierten Prostatakarzinome im Stadium der systemischen Metas­tasierung diagnostiziert. Ungefähr 30 % der Patienten entwickeln nach lokaler Primärtherapie durch die verschiedenen radio-onkolo­gi­schen Therapiemethoden bzw. nach radikaler Prostatektomie eine systemische Metas­ta­sierung. Die Therapie der Wahl des mHSPC besteht in der medikamentösen Kastration durch die Androgendeprivation, die noch bis vor kurzem als Monotherapie erfolgte, jedoch in den vergangenen 70 Jahren keine Verbesserung der Prognose mit sich brachte2. Unter alleiniger Androgen­deprivation (ADT) mittels LHRH-Analoga oder GnRH-Antagonisten beträgt das mediane progressionsfreie Überleben 11,2 Monate, das mediane Gesamtüberleben 42,3 Monate3.
Aufgrund der positiven Ergebnisse prospektiv randomisierter klinischer Phase-III-Studien stellt heutzutage die Kombinationstherapie der ADT mit Abirateron/Prednison, Apalutamid oder ­Enzalutamid bzw. mit ­Docetaxel/Prednison 
die Therapie der Wahl mit einer klinisch relevanten Verbesserung der onkologischen Resultate dar1–9.
In den aktuellen prospektiv randomisierten ­klinischen Phase-III-Studien PEACE-1 und ­ARASENS hat sich zudem gezeigt, dass bei Patienten mit einer de novo Metastasierung und hoher Tumorlast bzw. einer alleinigen high risk/high volume Situation die Tripletherapie mit der Kombination einer ADT plus Abirateron/Prednison und Docetaxel bzw. die Kombination ADT, Docetaxel und Darolutamid zu einem signifikanten Benefit in Bezug auf das radiogra­fische metastasenfreie und das Gesamtüberleben führt10,11. In Abhängigkeit der Metastasenlast, der Komorbiditäten des Patienten sowie der nachfolgenden potenziellen Zweit- und Dritt­linientherapie kann zwischen den verschiedenen Kombinationen individuell gewählt werden.
Neben der systemischen Tumortherapie stellt insbesondere bei Patienten mit mHSPC und geringer Metastasenlast die lokale Therapie des PCa mittels Radiotherapie bzw. radikaler Prostatektomie eine Option dar, die mit einem onkologischen Benefit verbunden ist12,13. Auch bei Patienten mit symptomatischer lokaler Progression eines mHSPC oder eines metastasierten kastrationsresistenten PCA sollten bei subvesikaler bzw. supravesikaler Obstruktion palliative chirurgische Maßnahmen diskutiert werden14.
Die lokale chirurgische oder radio-onkologische metastasengerichtete Therapie scheint auf dem Boden kleinerer, meist retrospektiver Studien einen gewissen Stellenwert bei Patienten mit einer Oligometastasierung einzunehmen.
Im folgenden Kapitel sollen die operativen ­Therapiekonzepte beim mHSPC und dem kRPC bezüglich Indikation, Durchführung, therapieassoziierter Komplikationen sowie dem onkologischen und funktionellen Ergebnis kritisch beleuchtet werden.

Lokale Therapie des Primärtumors
Während bis vor wenigen Jahren das Dogma galt, dass der Primärtumor bei mHSPC aufgrund eines fehlenden onkologischen Benefits nicht zu behandeln sei, wandelt sich die Einstellung aufgrund der Daten prospektiver und großer retrospektiver Studien zunehmend.
So wurden in der STAMPEDE-Studie 1.029 bzw. 1.032 Männer mit mHSPC in die Therapiearme der systemischen Kombinationstherapie (ADT + Docetaxel) plus einer lokalen hypofraktionier­ten Bestrahlungstherapie der Prostata versus der alleinigen Systemtherapie randomisiert12. Das Gesamtüberleben wurde als der primäre Endpunkt der Studie definiert. 40 % bzw. 56 % der Patienten wiesen eine geringe bzw. eine hohe Metastasenlast nach den CHAARTED-Kriterien auf. Die Strahlentherapie wurde entweder mit 36Gy in 6 Einzelfraktionen über 6 Wochen oder mit 55Gy in 20 Einzelfraktionen über 4 Wochen appliziert. Nach einem medianen Follow-up von 37 Monaten betrug das 3-Jahres-Gesamtüberleben 62 % in der Kontrollgruppe versus 65% in der Kombinationsgruppe. Allerdings konnte ein signifikanter Überlebensbenefit von 81 % versus 73 % (HR=0,68; p=0,007) für die Gruppe der Patienten mit niedriger Metastasenlast dargestellt werden. Nach 3 Jahren zeigte sich jedoch eine lokale symptomatische Progression des PCa in 42 % bzw. 44 % der Patienten nach Radiotherapie bzw. in der Kontrollgruppe.
Die lokale Bestrahlungstherapie in Addition zu einer systemischen Kombinationstherapie stellt aktuell somit eine leitliniengerechte Therapie des mHSPC mit geringer Metastasenlast dar.

Zytoreduktive radikale Prostatektomie

Die Rolle der zytoreduktiven radikalen Prostatektomie (zRPE) hat sich in den vergangenen Jahren bei adäquater Patientenauswahl zunehmend etabliert und auch Eingang in die aktuellen S3-Leitlinien gefunden. Letztendlich hat die kleine prospektive Studie von Tzelepi et al.15 die Initialzündung zu den ersten klinischen Studien der zRPE gegeben.
In der genannten Studie wurden 32 Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinom und Lymphknotenmetastasen einer kombinierten systemischen Chemo-Hormontherapie über 1 Jahr ausgesetzt, bevor alle Patienten eine zRPE mit ausgedehnter pelviner Lymphadenektomie erhielten.
Die Autoren konnten nicht nur zeigen, dass alle Patienten trotz idealer PSA-Reduktion ein vitales Prostatakarzinom und zwei Drittel eine vitale Lymphknotenmetastasierung aufwiesen. Es konnte ebenso dargelegt ­werden, dass alle in der Prostata verbliebenen kastrationsresistenten Tumorzellklone basierend auf einem umfassenden molekularen Profiling biologische Eigenschaften einer fortbestehenden, potenziell letalen Metastasierung aufweisen.

In der Folgezeit hat eine Vielzahl klinischer Studien den Effekt der lokalen Therapie im Vergleich zu einer alleinigen Systemtherapie bezüglich des Gesamt- und des tumorspezifischen Überlebens untersucht. In einer aktuellen Meta­analyse wurden hierzu 27 klinische Studien zur Lokaltherapie ausgewertet, von denen 11 populationsbasierte Studien, 9 Fall-Kontrollstudien und 7 einarmige Studien darstellten16–29.
Populations-basierte Studien
Culp und Mitarbeiter17 haben erstmals in einer retrospektiven Analyse der SEER-Datenbank (Surveillance, Epidemiology, and End Results) die onkologischen Ergebnisse der radikalen Prostatektomie und der LDR-Brachytherapie gegenüber dem Standardvorgehen der alleinigen ADT anhand eines Kollektivs von 7.811, 245 bzw. 129 Patienten evaluiert. Es zeigte sich, dass die zRPE zu einer signifikanten Verbesserung des Gesamtüberlebens sowie des tumorspezifischen Überlebens nach 5 Jahren (67,4 % und 75,8 %) gegenüber der ADT (22,5 % und 48,7 %; p<0,001) führte. Ebenso war die Brachytherapie mit einer entsprechenden signifikanten Verbesserung des Gesamt- und des tumorspezifischen Überlebens (52,6 % und 61,3 %; p<0,001) gegenüber der ADT assoziiert.
Auch nach der Adaptation verschiedener tumorspezifischer Parameter blieb der Überlebensbenefit der zRPE mit einer Hazard Ratio (HR) von 0,38 (95% KI: 0,27–0,53) sowie der Brachytherapie bei einer HR von 0,68 (95% KI: 0,49–0,93) bestehen.
In einer weiteren populationsbasierten Studie der National Cancer Data Bank bestätigten Parikh et al.22 den Benefit der lokalen Therapie in einer Kohorte von 6.051 Patienten (n=5.224 ohne lokale Therapie, n=622 zRPE, n=205 Strahlentherapie) auch nach Adjustierung für Alter, Komorbidi­täten und TNM–Klassifikation mit einer HR von 0,27 (95% KI: 0,22–0,33).
Eine weitere Analyse von 5.849 Patienten der SEER-Datenbank (n=5.628 ohne lokale Therapie, n=159 zRPE, n=62 Strahlentherapie) bestätigte den potenziellen onkologischen Benefit einer ­lokalen Therapie in Bezug auf das Gesamt- (HR = 0,60; 95% KI: 0,42–0,87) und das tumorspezifische Überleben (HR = 0,56; 95% KI: 0,37–0,86)20. In einer Subgruppenanalyse kamen die Autoren zu dem Schluss, dass insbesondere Patienten mit Knochenmetastasen oder extraregionären Lymphknotenmetastasen von einer lokalen Therapie zu profitieren scheinen21.

Vergleichende Studien zRPE versus Strahlentherapie
Jing et al.20 untersuchten die onkologischen Ergebnisse der verschiedenen Therapieoptionen anhand von 19.612 Patienten der SEER-Datenbank (n=18.857 ohne lokale Therapie, n=435 zRPE, n=320 Strahlentherapie). Wie in den oben zitierten klinischen Studien konnten die Autoren den Benefit der lokalen Therapie in Bezug auf Gesamt- und tumorspezifisches Überleben gegenüber der alleinigen Systemtherapie bestätigen. Ein Vorteil der zRPE gegenüber der Strahlentherapie ließ sich in dieser Analyse nicht ableiten.
Guo et al.19 führten eine Fall-Kontrollstudie zum Vergleich der zRPE mit der Strahlentherapie an jeweils 148 Patienten mit identischen Patienten- und Tumorcharakteristika durch und konnten in ihrer Untersuchung keinen therapeutischen Vorteil der einen oder der anderen Behandlungs­variante darstellen.
Stolzenbach et al.24 hingegen dokumentierten einen Vorteil der zRPE (n=954) gegenüber der Strahlentherapie (n=3.326) in einem Kollektiv der SEER-Datenbank bezüglich des Gesamtüberlebens (HR=0,82; 95% KI: 0,71–0,94) auch nach Adjustierung von Alter, PSA, Biopsie Gleason-Score und TNM-Stadium.
Allerdings müssen bei dieser Auswertung die ­Limitationen der SEER-Datenbank ebenso berücksichtigt werden wie die Tatsache, dass der Parameter Gesamtüberleben immer mit dem ­Bias vergesellschaftet ist, dass die Patienten mit einer höheren Komorbidität primär radio-onkologisch und nicht chirurgisch therapiert werden. Somit kann aktuell kein Vorteil für eine der beiden Therapievarianten festgestellt werden.
Wichtig ist aus meiner Sicht, dass unter ­bestimmten Kautelen eine lokale Therapie auf jeden Fall zur systemischen Therapie addiert wird.

Fall-Kontroll-Studien
Die Arbeitsgruppe um Heidenreich et al.29 hat schließlich erstmals eine Fall-Kontrollstudie zur zRPR bei 32 Patienten im Vergleich zur alleinigen ADT bei 38 Patienten durchgeführt. Einschlusskriterien für die zRPE waren ein lokal resezier­bares Prostatakarzinom mit dem Nachweis von maximal 3 ossären Metastasen in der Skelett­szintigrafie, dem Ausschluss einer viszeralen oder retroperitonealen Lymphknotenmetas­tasierung sowie ein günstiges therapeutisches Ansprechen auf eine 6-monatige klassische ADT. Als günstiges Ansprechen wurde ein PSA-Abfall <1,0 ng/ml entsprechend der Ergebnisse der SWOG 9346-Studie definiert30.
Trotz idealen Ansprechens auf die ADT wiesen alle Patienten ein vitales Prostatakarzinom auf, in 56 % der Fälle waren vitale Lymphknotenmetastasen vorhanden. Bei einem mittleren Follow-up von 40,6 bzw. 44 Monaten in der zRPE- bzw. der Kontrollgruppe wurde bereits ein signifikanter Benefit in Bezug auf das klinische progressionsfreie Überleben (38,6 versus 26,5 Monate; p=0,032) sowie das Zeitintervall bis zur Entwicklung einer Kastrationsresistenz (40 versus 29 Monate; p=0,14) evident.
Zudem war in der Gruppe der zRPE keine palliative Intervention aufgrund einer tumorbedingten sub- oder supra­vesikalen Obstruktion erfor­derlich, während dies bei 71 % in der ADT-Gruppe notwendig wurde.
In weiteren vergleichenden Studien zwischen der zRPE und der Systemtherapie anhand von kleinen Patientenkollektiven konnte kein eindeutiger Vorteil für die chirurgische Therapie dargestellt werden. Dieser fehlende Nachweis eines Behandlungsvorteils kann zum einen an den Kollektiven mit geringer Patientenzahl, zum anderen am therapeutischen Design der Studien liegen. So dokumentierten Moschini et al.33 an einem Kollektiv von 47 Patienten (n=31 zRPE, n=16 ADT) nach einem medianen Follow-up von 38,8 Monaten einen deutlichen Unterschied bezüglich des 5-Jahres-tumorspezifischen Überlebens von 62 % versus 46 %, welches jedoch keine statistische Signifikanz erreichte.
Buehlens et al.26 rekrutierten je 40 Patienten mit mHSPC prospektiv in die beiden Therapiearme zRPE versus ADT mit dem primären Studienziel des CRPC-freien Überlebens. Nach einem medianen Follow-up von 35 Monaten betrug das mediane CRPC-freie Überleben 53 versus 21 Monate (p=0,017) und das lokale ereignisfreie Überleben lag bei 83 % versus 59 % (p=0,012). Nach Adjustierung patienten- und tumorspezifischer Parameter im Sinne eines Propensity-Scores waren die Differenzen nicht mehr signifikant unterschiedlich.
Auch wenn diese Daten keinen Vorteil der zRPE vermuten lassen, ist das Studiendesign zu berücksichtigen, das sich deutlich von dem Kölner Konzept unterscheidet. In den vorliegenden Kollektiven wurden alle Patienten nach Diagnosestellung und ohne neoadjuvante Vortherapie lokal behandelt. Durch dieses unselektionierte Vorgehen wird ein gewisser Anteil von Patienten operiert, der aufgrund biologischer Eigenschaften des Primärtumors nicht von einer lokalen Therapie profitieren wird. Durch das Kölner Konzept einer neoadjuvanten Vortherapie können diese Patienten sicher identifiziert werden, wie in einer großen retrospektiven Studie dokumentiert werden konnte.

In der größten retrospektiven klinischen Studie zeigt sich für 113 Patienten mit einem günstigen Ansprechen auf eine 6-monatige neoadjuvante ADT (PSA Abfall mindestens 50 % des Ausgangswertes, geringe Metastasenlast) ein medianes ­Gesamtüberleben von 85,4 Monaten sowie ein medianes klinisches rezidivfreies Überleben von 72,3 Monaten13. Keiner der operierten Patienten entwickelte bei einem medianen Follow-up von 47 Monaten ein lokales symptomatisches Rezidiv im Vergleich zu 42 % in der STAPMEDE-Studie nach Strahlentherapie. Die 3-Jahres- bzw. 5-Jahres-Überlebensrate betrug nach zytoreduktiver Prostatektomie 87,6 % bzw. 79,6 %.
Trotz dieser vielversprechenden Daten repräsentiert die zytoreduktive radikale Prostatektomie eine sehr individuelle Therapieentscheidung, die insbesondere bei lokal symptomatischem bzw. progredienten PCa diskutiert werden sollte.

Prospektiv randomisierte 
klinische Studien
In der einzigen bis dato vorliegenden prospektiv randomisierten Studie wurden je 100 Patienten mit oligometas­tasiertem mHSPC ohne Nachweis einer viszeralen Metastasierung einer lokalen und systemischen Therapie oder einer alleinigen systemischen Therapie zugeführt33. Hierbei wurden 85 und 15 Patienten einer zRPE bzw. einer ­lokalen Strahlentherapie zugeführt. Nach einem medianen Follow-up von 48 Monaten wiesen die Patienten nach lokaler Therapie ein signifikant besseres Gesamtüberleben (HR=0,44; 95% KI: 0,29–0,67), radiografisch progressionsfreies Überleben (HR=0,43; 95% KI: 0,27–0,70) sowie PSA-progressionsfreies Überleben (HR=0,44; 95% KI: 0,29–0,67) auf als die Patienten mit alleiniger Systemtherapie.

Perioperative 
Komplikationen
Zusammenfassend zeigen alle klini­schen Stu­dien eine perioperative Komplikationsrate, die derjenigen der RPE bei lokal fortgeschrittenem Prostatakarzinom entspricht13,16–29. Die Rate an schwerwiegenden Komplikationen entsprechend einem Clavien-Dindo-Grad IIIa–V beträgt ca. 10 %, zeigt jedoch in Abhängigkeit des Operateurs eine erhebliche Variationsbreite von 6,5 % bis 21 %. Die Komplikationsrate ist dabei weniger von der Operationstechnik als vom Operateur abhängig.
Pathohistologie
Die pathohistologische Analyse der radikalen Prostatektomiepräparate zeigt bei allen Patienten auch nach neoadjuvanter systemischer Vorbehandlung ein signifikantes Prostatakarzinom, das in über 80 % der Fälle ein pT3a/b Stadium einnimmt13,16–29. Die Rate positiver Lymphknoten auf dem einer extendierten pelvinen Lymph­adenektomie liegt im Bereich von 31 % bis 81 %. Die Rate positiver Resektionsränder wird unter anderem bestimmt durch eine medikamentöse Vortherapie mit 31 % bis 91 % beschrieben. Ob eine adjuvante Radiatio bei ohnehin kontinuierlich fortgesetzter Androgendepri­vation onkologisch sinnvoll ist, bleibt derzeit offen.

Funktionelle Ergebnisse
Subvesikale oder supravesikale Obstruktion, postoperative Inkontinenz und erektile Dysfunktion sind als mögliche tumorbedingte oder operationsbedingte Komplikationen zu berück­sichtigen.
Obstruktive Miktionsbeschwerden auf dem ­Boden einer lokalen Progression des PCa sind nahezu ausschließlich bei Patienten ohne lokale Tumortherapie beschrieben. Heidenreich et al.13 zeigten in ihrer Fall-Kontroll-Studie bei 29 % der konservativ behandelten Patienten die Notwendigkeit einer Intervention am oberen oder unteren Harntrakt auf.
In der prospektiven LoMP–Studie26 benötigten 38 % der konservativ therapierten Patienten eine Intervention am unteren Harntrakt aufgrund obstruktiver Beschwerden. Steuber und Mitarbeiter dokumentierten gar bei 35 % der Patienten ohne lokale Therapie schwerwiegende Komplikationen am unteren Harntrakt.
In einer weiteren Arbeit zeigten Lumen et al.33, dass das lokale ereignisfreie Überleben nach zRPE signifikant verbessert ist (HR=0,36; 95% KI: 0,14–0,94).
Auch in der STAMPEDE–Studie entwickelten 27 % der bestrahlten Patienten eine lokale symptomatische Tumorprogression mit Interventionsbedarf bei einem Follow-up von 3 Jahren12. Eine der Rationalen der zRPE besteht somit in der effektiven Prävention einer lokalen und symptomatischen Tumorprogression39,41.
Die postoperative Inkontinenzrate unterscheidet sich in den publizierten Serien mit ca. 90 % kaum von derjenigen nach zRPE bei lokal fortgeschrittenem Prostatakarzinom. Die Rate der kompletten Kontinenz ohne Vorlagenverbrauch liegt zwischen 53 % und 68 %13,27,28,37,40.
Die Rate der erektilen Dysfunktion nach zRPE lässt sich nur eingeschränkt beurteilen, da die Patienten auch postoperativ eine kombinierte Androgendeprivation fortgesetzt erhalten. Zudem sind die meist lokal fortgeschrittenen Tumorstadien der zRPE zu berücksichtigen, die eine nervprotektive Operation nur in ca. 20 % im Vergleich zu 55 % bei organbegrenztem Prostatakarzinom ermöglichen27.

Zusammenfassung
Die Daten der vorliegenden überwiegend retrospektiven klinischen Studien lassen einen Vorteil der zRPE im Vergleich zur alleinigen System­therapie vermuten. Auch die bisher durchgeführten kleinen prospektiven klinischen Studien zeigen einen onkologischen Benefit auf. Die perioperativen Komplikationsraten unterscheiden sich nicht von denen einer RPE im nichtmetastasierten Stadium.
Dennoch ist die zRPE noch als ein individuelles therapeutisches Vorgehen zu sehen und sollte nicht unreflektiert allen Patienten mit mHSPC angeboten werden.
Die bisherigen Daten lassen den größten onkologischen Benefit für die Patienten mit geringer Metastasenlast und mit einem guten Ansprechen auf die neoadjuvante kombinierte Androgen­deprivation vermuten.

Korrespondenzadresse
Univ.-Professor Dr. med. Axel Heidenreich
Klinik für Urologie, Uro-Onkologie, 
Roboter-assistierte und spezielle urologische ­Chirurgie
Uniklinik Köln
E-Mail: axel.heidenreich@uk-koeln.de

Bildquelle: © Kansuda – stock.adobe.com

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