Cholesterin ist für die Proliferation von Tumorzellen unverzichtbar. So weisen Zellen solider Tumoren und auch chronisch lymphatischer Leukämie(CLL)-Zellen eine erhöhte Aufnahme von Cholesterin auf und nutzen die oxidative Phosphorylierung freier Fettsäuren, um ihren hohen Stoffwechselbedarf zu decken.
Umso verwunderlicher ist es, dass kaum ein aktueller prognostischer Faktor oder ein Modell der CLL den veränderten Lipidstoffwechsel berücksichtigt. Angesichts der hohen Fluktuationsrate von CLL-Zellen sollte der veränderte Cholesterinspiegel als ein leicht zu ermittelnder Parameter das Potenzial haben, das Überleben bei CLL vorherzusagen.
Die vorliegende Studie untersuchte die Korrelation zwischen dem Serumlipidprofil und den klinischen Charakteristika bei 761 neu diagnostizierten CLL-Patient:innen. Darüber hinaus wurde ein prognostisches Nomogramm (Model „Lipo-IPI“) für das krebsspezifische Überleben (CSS) entwickelt, das alle signifikanten unabhängigen Faktoren aus den multivariaten Cox-Regressionsanalysen integrierte (Alter, Stadium, Beta-2-Mikroglobulin-Konzentration, TP53, IGHV-Status und Cholesterinprofil). Die Mehrheit erhielt als Behandlung Fludarabin plus Cyclophosphamid und Rituximab, gefolgt von Chlorambucil- und Ibrutinib-Kombinationen mit Rituximab. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 77,5 Monate.
Die Analyse ergab, dass ein reduziertes Gesamtcholesterin (TC), HDL- und LDL-C zum Zeitpunkt der Diagnose signifikant mit einem schlechteren CSS korrelierte. Patient:innen mit gleichzeitig erniedrigtem HDL- und LDL-C wiesen ein deutlich reduziertes CSS im Vergleich zu Betroffenen mit isoliert erniedrigtem HDL-C, LDL-C oder normwertigen HDL- und LDL-C-Spiegeln auf. Die multivariaten Cox-Regressionsanalysen zeigten, dass ein gleichzeitig niedriger HDL-C- und LDL-C-Wert ein unabhängiger prognostischer Indikator für das CSS war (p < 0,001). Bei CLL-Patient:innen mit kompletter oder partieller Remission nach Chemotherapie ließen sich signifikante Anstiege des Gesamt-, HDL-C- und LDL-C im Vergleich zum Ausgangswert nachweisen, was mit einem günstigen Überleben assoziiert war. Das Prognosemodell, bei dem der CLL-IPI um niedrige Cholesterinwerte ergänzt wurde, ergab eine höhere Vorhersagegenauigkeit und ein höheres Unterscheidungsvermögen für das 3-Jahres- und 5-Jahres-CSS.
Nach Schlussfolgerung der Untersucher:innen bietet das Cholesterinprofil als kostengünstiges und leicht zugängliches Instrument ein großes Potenzial für die Prognosevorhersage bei CLL-Patient:innen im klinischen Alltag. Zudem lassen sich mit der Anwendung des prognostischen Modells „Lipo-IPI“ die Risikostratifizierung und damit die Therapie der Betroffenen erheblich verbessern.
Dr. Katrina Recker
Quelle: Gao R et al. Low serum cholesterol level as a significant prognostic factor improves CLL-IPI in chronic lymphocytic leukemia. EHA 2023; Abstract PB1931
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