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AML: Genetisches Risiko zählt mehr als Remissionsstatus für Transplantationserfolg

Prof. Dr. Johannes Schetelig, Direktor für klinische Forschung bei der DKMS und Leiter der Abteilung für Stammzelltransplantation am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden

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Erschienen in: onkologie heute

Neue ASAP-Studie zeigt: Für das Überleben nach Stammzelltransplantation bei AML ist das genetische Risiko entscheidend – nicht der Remissionsstatus oder eine intensive Chemotherapie vorab.

Die Auswahl der Patient:innen für eine allogene HSZT und der beste Ansatz zur Überbrückung bis zur Transplantation werden von Expert:innen kontinuierlich diskutiert. Mit der 2024 veröffentlichten ASAP-Studie („as soon as possible“ – so schnell wie möglich) liegt erstmals eine randomisierte, kontrollierte Untersuchung vor, die bestehende Behandlungsstandards für AML infrage stellt und bereits große Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat [2]. Im Zentrum steht bei ASAP der Vergleich zwischen dem bisherigen Standard, einer Remissionsinduktion mit Salvage-Chemotherapie vor der allogenen HSZT (SOC-Arm), und einem alternativen Ansatz: der sofortigen Transplantation nach intensiver Konditionierung, kombiniert mit weniger belastenden Strategien zur Krankheitskontrolle, etwa reduzierter Chemotherapie oder engmaschiger Überwachung der Leukämieproliferation (alternativer Behandlungsarm).

ASAP: Transplantation so schnell wie möglich

Die nun veröffentlichte Langzeitanalyse [1] bestätigt die ersten Ergebnisse der ASAP-Studie [2]. Sie deuten darauf hin, dass eine möglichst frühzeitige Transplantation vergleichbare Behandlungsergebnisse wie eine Remissionsinduktion erzielt, mit dem Vorteil kürzerer Krankenhausaufenthalte und geringerer Belastung durch Chemotherapie [1]. „Die Ergebnisse stellen den internationalen Standard der Leukämiebehandlung in Frage. Wir müssen nicht mehr allen Patient:innen eine sehr aggressive Chemotherapie verabreichen, um die Tumorlast vor der Transplantation zu reduzieren, wenn Therapien mit guter antileukämischer Wirkung für die Konditionierung in den Tagen vor der Stammzelltransplantation eingesetzt werden“, sagt Prof. Dr. Johannes Schetelig, Mitautor der Studie.

Die Ergebnisse basierten auf einem medianen Nachbeobachtungszeitraum von 61 Monaten in der Patientenkohorte: Die Induktion einer Remission in der SOC-Gruppe (5-Jahres-OS: 47,5 %) im Vergleich zur sofortigen Transplantation in der alternativen Behandlungsgruppe (5-Jahres-OS: 46,1 %) zeigte keinen Vorteil hinsichtlich der Gesamtüberlebensrate (OS) bei AML-Patient:innen, die schlecht auf die Erstbehandlung angesprochen hatten oder einen unbehandelten Rückfall erlitten hatten [1]. Da die Nichtunterlegenheit nicht formal nachgewiesen werden konnte, wird die sofortige Transplantation die gängige SOC nicht ersetzen, kann aber häufiger in Betracht gezogen werden [1]. Ein Argument für die direkte Transplantation ohne Remissionsinduktion ist, dass Patient:innen, die im SOC-Arm eine intensive Salvage-Chemotherapie erhielten, einen Monat länger im Krankenhaus verbrachten und mehr unerwünschte Ereignisse erlitten [1].

Alter und AML-Genetik sind die wichtigsten Risikofaktoren, die das Überleben beeinflussen

Die Langzeit-Nachbeobachtung von ASAP analysierte zusätzlich den Behandlungserfolg nach Risikoklassifizierung und genetischen Subgruppen. Sowohl das Alter als auch die AML-Genetik wurden als die wichtigsten Baseline-Risikofaktoren identifiziert, die das Überleben beeinflussen. Die AML-Genetik wurde gemäß den ELN-2022-Kriterien klassifiziert [1].

Die Gesamtüberlebenswahrscheinlichkeiten nach 5 Jahren (5-Jahres-OS) ab Randomisierung in den verschiedenen Risikogruppen, unabhängig von der Behandlungsgruppe, betrugen [1]:

  • 66 % bei AML mit günstigem Risiko,
  • 53 % bei AML mit mittlerem Risiko und
  • 34 % bei AML mit ungünstigem Risiko.

Unter Berücksichtigung sowohl des ELN-Risikos als auch der Behandlung betrug die
3-Jahres-Gesamtüberlebensrate bei Patient:innen mit günstiger/intermediärer AML unter Watchful-Waiting in der alternativen Behandlungsgruppe (N = 49) 77 % gegenüber 66 % bei Patient:innen mit vollständiger Remission, die in der SOC-Gruppe derselben Risikogruppe transplantiert wurden (N = 49) [1].

Ein wichtiger Schritt in Richtung Präzisionsmedizin bei Transplantationen

„Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Überleben nach einer allogenen HSZT bei AML-Patient:innen weniger von Remissionsinduktions- oder Überbrückungsstrategien beeinflusst wird, sondern vielmehr von der intrinsischen Biologie der Erkrankung“, so Prof. Schetelig. Interessanterweise führte die Verringerung der Leukämiebelastung vor der Transplantation nicht zu einer Verbesserung des Überlebens, wenn intensive zytotoxische Therapien eingesetzt wurden, was eine gängige Annahme in der Behandlungsplanung in Frage stellt [1].

Der ungewisse Nutzen einer Remissionsinduktion vor der allogenen HSZT steht im Gegensatz zum grundlegenden Einfluss der AML-Genetik. Eine AML mit günstigem Risiko war mit höheren Überlebensraten verbunden als eine AML mit ungünstigem Risiko. Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit früheren Berichten über den prognostischen Einfluss der ELN-2022-Klassifikation bei Patient:innen, die sich einer allogenen Stammzelltransplantation unterziehen [1]. „Die Daten der ASAP-Studie zeigen jedoch auch, dass tolerierbare neue Überbrückungstherapien und personalisierte Erhaltungstherapien nach der Transplantation dringend erforderlich sind, insbesondere bei AML mit ungünstigem Risiko, um die Ergebnisse nach einer allogenen HSZT zu verbessern“, fasst Prof. Dr. Johannes Schetelig zusammen. „Diese Ergebnisse eröffnen neue Möglichkeiten für die zukünftige Forschung zur Identifizierung spezifischer AML-Untergruppen und ebnen den Weg in Richtung Präzisionsmedizin bei Transplantationen.“

Die DKMS fördert den wissenschaftlichen Fortschritt

Die von der DKMS initiierte und durchgeführte ASAP-Studie spiegelt den Fokus auf verschiedene Innovationsbereiche wider, um Blutkrebs aus allen Blickwinkeln wirksam zu adressieren. „Es ist unser erklärtes Ziel, die Überlebens- und Heilungschancen für Patient:innen mit Blutkrebs zu verbessern, indem wir in die Forschung investieren, um aktuelle Behandlungsmethoden zu verbessern und innovative Ansätze zu erforschen“, betont Dr. Elke Neujahr, Global CEO DKMS. Als internationale gemeinnützige Organisation legt die DKMS besonderen Wert auf wissenschaftliche Fragen, die nicht von kommerziellen Interessen getrieben sind. Dazu gehört Forschung, die dazu beiträgt, den Zugang zu ganzheitlichen Behandlungen weltweit zu ermöglichen, oder die den Einsatz aktueller Standardbehandlungen kritisch hinterfragt. Die DKMS arbeitet mit medizinischen Expert:innen auf allen Kontinenten zusammen, um den wissenschaftlichen Fortschritt zu fördern, finanziert Forschungsprojekte auf internationaler Ebene, führt klinische Studien durch und würdigt herausragende wissenschaftliche Arbeiten mit dem DKMS Mechtild Harf Science Award. Mit dem DKMS John Hansen Research Grant unterstützt die Organisation aktiv junge Wissenschaftler:innen mit innovativen Ansätzen auf dem Gebiet der Blutkrebsforschung (aktuelle Bewerbungsfrist: 20. November 2025). Weitere Informationen zu allen wissenschaftlichen Themen finden Sie unter https://professional.dkms.org/research-publications/research-grant.

Literatur:

  1. Stelljes M, et al. Disease risk but not remission status determines transplant outcomes in AML: long-term outcomes of the ASAP trial. Blood 2025: blood.2025028730
  2. Stelljes M, et al. Remission induction versus immediate allogeneic haematopoietic stem cell transplantation for patients with relapsed or poor responsive acute myeloid leukaemia (ASAP): a randomised, open-label, phase 3, non-inferiority trial. Lancet Haematol 2024; 11(5): e324-e335

Originalpublikation: Stelljes M, et al. Disease risk but not remission status determines transplant outcomes in AML: long-term outcomes of the ASAP trial. Blood 2025: blood.2025028730

Quelle: Pressemitteilung DKMS

Bildquelle: © Tobias Ebert/DKMS

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