Ein den Kongress prägendes Thema war laut Professorin Dr. Carola Berking, Erlangen, das zehnjährige Jubiläum der immunonkologischen Therapie beim malignen Melanom. „Das Melanom ist der Tumor, bei dem die Checkpoint-Inhibitoren erstmals etabliert wurden und Betroffenen ein Langzeit-Überleben ermöglichten“, so die zweite Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO). Beispielhaft nannte sie die Studie CheckMate-067 zur Doppel-Checkpoint-Blockade mit Nivolumab/Ipilimumab (Nivo/Ipi) in der ersten Therapielinie, zu der mittlerweile ein Update nach 6,5-jähriger Beobachtungszeit vorliegt. Das mediane Gesamt-überleben (OS) der kombiniert behandelten Patienten mit metastasiertem Melanom erstreckt sich danach über 72 Monate – ein Ergebnis, das vor wenigen Jahren noch unvorstellbar schien.
Prävention der immunvermittelten Hepatitis
Dr. Hannah-Lou Schilling, Regensburg, wies allerdings darauf hin, dass immunvermittelte Nebenwirkungen gerade unter der Kombinationstherapie mit Nivo/Ipi häufig sind und oftmals sogar einen Therapieabbruch erfordern. Zu den häufigsten schweren Ereignisse (Grad 3-4) zählen Colitis, Diarrhö und Transaminasenanstieg. Ihre Ätiologie ist bis heute nur unzureichend verstanden; man geht jedoch von einer generalisierten Regulationsstörung von T-Zellen oder Auto-Antikörpern aus. Schillings Arbeitsgruppe untersuchte im Rahmen einer monozentrischen Studie an 108 Patienten mit metastasiertem Melanom unter kombinierter Checkpoint-Blockade, ob eine individuelle Prädisposition für bestimmte immunvermittelte Nebenwirkungen identifiziert werden kann und sich ein Risikoprofil für eine durch Checkpoint-Inhibition (CPI) induzierte Hepatitis erstellen lässt.
Ein Zusammenhang zwischen Laborparametern vor Therapiestart und dem Auftreten einer Hepatitis war nicht zu ermitteln. Dagegen korrelierte die prätherapeutische Expansion von CD4-positiven Effektor-Memory-T-Zellen (TEM-Zellen) in der Flow-Cytometrie von Immunzellen mit der Entwicklung dieser Nebenwirkung. Dieses Phänomen fiel hauptsächlich im Herbst und Winter bei Patienten mit metastasierter Erkrankung und hohem spezifischen Cytomegalievirus (CMV)-Antikörpertiter im Serum auf. Damit lässt sich die Prädisposition für eine immunvermittelte Hepatitis durch Bestimmung der CMV-Serologie und bei positivem Befund auch der Frequenz CD4-positiver TEM-Zellen (≥16%) vorhersagen, erläuterte Schilling.
Aus diesen Erkenntnissen leitete ihre Arbeitsgruppe Konsequenzen für das klinische Vorgehen ab: Bei zwei Patienten konnte die Komplikation erfolgreich durch Einsatz von Valganciclovir behandelt werden. Bei weiteren vier gefährdeten Patienten ließ sich die Reaktivierung von CMV in der Leber und damit eine immunvermittelte Hepatitis durch die Prophylaxe mit dem Virostatikum verhindern. „Diese vielversprechenden Daten sollen jetzt durch eine placebokontrollierte, über zwölf Wochen laufende Studie validiert werden“, berichtete Schilling
Prädiktoren für Erfolg der CPI-Therapie
Patienten mit metastasiertem Melanom, die rasch und stark auf CPI ansprechen, profitieren laut aktueller Datenlage besonders ausgeprägt von dieser Therapie. Dr. Georg Lodde, Essen, und Mitarbeiter suchten anhand der Daten von 540 immuntherapeutisch behandelten Teilnehmern der prospektiven Registerstudie ADOReg TRIM nach Prädiktoren für eine Super-Response auf die Checkpoint-Blockade.
87 Teilnehmer (8%) hatten im Verlauf mit einer partiellen oder kompletten Remission angesprochen, 43 von ihnen rasch innerhalb von drei Monaten nach Start der Immuntherapie. „Sie wurden als Super-Responder klassifiziert“, berichtete Lodde. Diese Patienten sprachen oft langfristig an und hatten im Vergleich zu Non-Respondern ein signifikant verlängertes OS und PFS (p<0,01): Super-Responder überlebten länger als 36 Monate progressionsfrei; die PFS-Kurve erreichte eine Plateauphase. Die OS-Rate bei den Super-Respondern nach 42 Monaten liegt über 60%. Das mediane OS war mit 47,8 Monaten mehr als siebenmal länger als bei Non-Respondern mit nur 6,1 Monaten.
In der univariaten Analyse waren PD-L1-Expres-sion und Zahl befallener Organe stark sowie Ulzerationsstatus des Primärtumors, Vortherapie, ECOG-Status und BRAF-Mutationsstatus schwach mit dem Erreichen einer Super-Response assoziiert. In der multivariaten Analyse konnten nur positiver PD-L1-Status und geringe Zahl tumorbefallener Organe (1–3) als unabhängige Prädiktoren für eine Super-Response und damit für ein verbessertes OS identifiziert werden
Neue Optionen beim Aderhautmelanom
Das metastasierte Aderhautmelanom ist mit einer 1-Jahres-Überlebensrate von nur 50% eine lebensbedrohliche Erkrankung. Als Therapien standen bislang lokale Leberverfahren wie TACE und SIRT und Systemtherapien mit CPI oder Zytostatika zur Verfügung. „Allerdings sind PD-1-Blocker nur bei wenigen Patienten effektiv“, bedauerte Professorin Dr. Jessica Hassel, Heidelberg.
Mit Tebentafusp wurde ein bispezifisches Fusionsprotein entwickelt, das über einen löslichen T-Zellrezeptor (TCR) das auf Melanomzellen stark exprimierte und über HLA-A*0201 präsentierte melanozytische gp100-Protein erkennt. Der TCR ist mit einem CD3-Antikörper fusioniert, über den zytotoxische T-Zellen gebunden und aktiviert werden, die die Tumorzell-zerstörung einleiten. Tebentafusp wurde in der Phase-III-Studie IMCgp100-202 mit einer vom Prüfarzt gewählten Therapie (Pembrolizumab, Ipilimumab oder Dacarbazin) verglichen. 378 nicht vorbehandelte Patienten mit metastasiertem HLA-A*0201-positivem metastasiertem Aderhautmelanom wurden im Verhältnis 2:1 zum experimentellen oder zum Kontrollarm randomisiert. Mit Tebentafusp behandelte Patienten profitierten mit einer signifikanten Verlängerung des OS (primärer Endpunkt) um gut fünf Monate von der neuen Therapie (21,7 vs. 16,0 Monate; HR 0,51; p<0,0001). „Die Überlebenskurven trennten sich bald nach Studienbeginn. Der Überlebensvorteil gilt für alle Subgruppen“, berichtete Hassel, die die Ergebnisse erstmals wenige Wochen zuvor auf dem Kongress der AACR (American Association for Cancer Research) vorgestellt hatte. Als „etwas enttäuschend“ bezeichnete sie die geringe Ansprechrate von nur 9% (vs. 5%) und das zwar signifikant, aber nur leicht verbesserte progressionsfreie Überleben (PFS). Doch profitierten auch progrediente Patienten von dem Fusionsprotein mit einer OS-Verlängerung. Die Tumorkontrollrate war unter Tebentafusp deutlich höher als im Kontrollarm (46% vs. 27%).
Die Verträglichkeit des Fusionsproteins bezeichnete Hassel als akzeptabel. Die ersten drei Therapiezyklen sollten überwacht werden, um frühzeitig ein Cytokin-Release-Syndrom erkennen und behandeln zu können. Danach kann die Therapie ambulant weitergeführt werden. Die Therapieabbruchrate war mit nur 2% niedriger als im Kontrollarm mit 4,5%. Zweite häufige Nebenwirkung von Tebentafusp ist der Rash. Patienten, die in der ersten Studienwoche ein Exanthem entwickelten, profitierten mit einer noch stärkeren Reduktion des Sterbe-risikos von der Therapie mit dem Fusionsprotein (27,4 vs. 16,0 Monate; HR 0,35). Mittlerweile steht Tebentafusp Patienten mit inoperablem metastasiertem Aderhautmelanom im Rahmen des Early-Access-Programms zur Verfügung.
Dr. Katharina Arnheim
Quelle: 31. Deutscher Hautkrebskongress der ADO, 8. bis 11. September 2021, hybrid aus Hamburg.
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