Neurologie und Psychiatrie » Psychische Erkrankungen » Allgemeine Aspekte

»

Virtuelles Waldbaden hilft beim Stressabbau

Virtuelles Waldbaden hilft beim Stressabbau

News

Neurologie und Psychiatrie

Psychische Erkrankungen

Allgemeine Aspekte

mgo medizin

mgo medizin

Autor

3 MIN

Erschienen in: neuro aktuell

Ein Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung(MPIB) und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) hat in einer aktuellen Pilotstudie nachgewiesen: Virtuelles Waldbaden kann das emotionale Wohlbefinden verbessern – besonders dann, wenn die virtuelle Naturumgebung mehrere Sinne wie Hören, Sehen und Riechen gleichzeitig anspricht. Die Ergebnisse wurden nun im Journal of Environmental Psychology veröffentlicht.

Waldbaden, in Japan als Shinrin Yoku bekannt, wird dort bereits therapeutisch eingesetzt – etwa zur Senkung von Blutdruck und Stress. Für ihre Studie wollten die Forschenden herausfinden, ob Waldbaden –das bewusste Eintauchen in die Natur – auch in virtueller Form wirksam sein kann. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob der positive Effekt stärker ausfällt, wenn mehrere Sinne gleichzeitig angesprochen werden.

Für das Projekt wurde im größten Douglasienwald Europas, dem Naturschutzgebiet Sonnenberg bei Parchim, ein hochwertiges 360°-VR-Video produziert – ergänzt durch Originalklänge und den Duftätherischer Douglasienöle. Über eine VR-Brille erlebten die Teilnehmenden die virtuelle Waldszenerie entweder als vollständiges Sinneserlebnis (mit Bild, Ton und Duft) oder in reduzierter Form, in der nur ein einzelner Sinn – visuell, auditiv oder olfaktorisch – angesprochen wurde. In den Varianten, bei denen ausschließlich der Hör- oder Geruchssinn aktiviert wurde, befanden sich die Teilnehmenden in einer neutralen virtuellen Umgebung, um visuelle Eindrücke und den Einfluss der VR-Technologie konstant zu halten.

Bessere Wirkung durch Sinnes-Kombination

Mehr als 130 Teilnehmende wurden zunächst durch belastende Bilder in eine akute Stresssituation versetzt. Anschließend erlebten sie –ausgestattet mit VR-Brille – eine der vier Waldbaden-Varianten. Die Ergebnisse zeigen: Die Kombination aller drei Sinnesreize führte zu einer deutlich stärkeren Verbesserung der Stimmung sowie zu einemstärkeren Gefühl der Verbundenheit mit der Natur, verglichen mit der Ansprache jeweils einzelner Sinnesreize. Neben positiven Effekten auf die Stimmung zeigten sich in begrenztem Umfang auch Verbesserungen im Arbeitsgedächtnis – also jener kognitiven Funktion, mit der wir Informationen kurzfristig speichern, verarbeiten und abrufen.

Die Forschenden betonen jedoch, dass die Effekte bereichspezifisch seien und noch nicht als allgemeingültig gelten können. Weitere Studien mit größeren Stichproben sollen nun folgen, um die Ergebnisse zu bestätigen und die Mechanismen hinter der erholenden Wirkung virtueller Naturerfahrungen besser zu verstehen.

„Wir können bereits sagen, dass digitale Naturerlebnisse durchaus emotionale Wirkung entfalten können – auch wenn sie reale Natur nicht ersetzen“, sagt Leonie Ascone, Erstautorin der Studie und wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe Neuronale Plastizität am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).

Potenziale für Kliniken, Wartebereiche und urbane Räume

Simone Kühn, Leiterin der Studie und Direktorin des Forschungsbereichs Umweltneurowissenschaften am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung ergänzt: „Gerade an Orten mit begrenztem Zugang zu Natur – etwa in Kliniken, Wartebereichen oder urbanen Innenräumen – könnten multisensorische VR-Anwendungen odergezielte Naturinszenierungen das mentale Wohlbefinden unterstützen. Bilder, Klänge und Düfte der Natur bieten ein bislang unterschätztes Potenzial für Stimmung und geistige Leistungsfähigkeit in Alltagssituationen.“ Kühn forscht intensiv zu den Auswirkungen der Umwelt auf das menschliche Gehirn und konnte kürzlich gemeinsam mit Kolleg*innen der Universitäten Wien, Exeter und Birmingham nachweisen, dass schon allein beim Betrachten von Naturvideos körperliche Schmerzen als weniger intensiv wahrgenommen werden (Steininger et al., 2025).

Quelle: Pressemeldung Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (03.07)

Bilderquelle: © MPI für Bildungsforschung

Schlagworte zu diesem Beitrag

Ein Beitrag von

mgo medizin

mgo medizin

Autor

Autor des Beitrags

Weitere Beiträge zu diesem Thema

Wissenschaftler untersucht eine Cannabispflanze

Mehr Psychosen nach Legalisierung von Cannabis

News

Die Legalisierung von Cannabis könnte für mehr Psychosen und Aufnahmen in Kliniken verantwortlich sein. Dies legt eine Pilotuntersuchung am Lehrstuhl und der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie sowie für Psychosomatik der Universität Augsburg unter Leitung von Prof. Dr. Alkomiet Hasan nahe.

Neurologie und Psychiatrie

Psychische Erkrankungen

Schizophrenie

Beitrag lesen
Die Reichstagskuppel des Deutschen Bundestages in Berlin, erleuchtet in der Dämmerung

Budgetkürzungen beschneiden die psychiatrische Versorgung

Berufspolitik

Die im November 2025 vom Bundestag beschlossenen Budgetkürzungen zur Stabilisierung der GKV-Beiträge bedeuten laut der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie,Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN) eine erhebliche zusätzliche Belastung für die Krankenhäuser in einer Phase der Unsicherheit durch die Krankenhausreform.

Neurologie und Psychiatrie

Psychische Erkrankungen

Allgemeine Aspekte

Beitrag lesen
Eine Ärztin macht sich Notizen am Schreibtisch. Vor ihr stehen ein anatomisches Herz-Modell und das Wort "Cardiomyopathy" in Holzbuchstaben.

Zeit ist Herz: Aufdeckung der ATTR-Kardiomyopathie

Fachartikel

Die Transthyretin-Amyloidose (ATTR) ist eine fortschreitende, systemische Erkrankung, die durch die Ablagerung fehlgefalteter Transthyretin-Proteine (TTR) in verschiedenen Organen gekennzeichnet ist. Je nach genetischer Form, hereditär (ATTRv) oder Wildtyp (ATTRwt), und individueller Krankheitsausprägung kann die Symptomatik sehr unterschiedlich sein.

Neurologie und Psychiatrie

Demyelinisierende Erkrankungen

Polyneuropathie

Beitrag lesen