Tourette-Patienten entwickeln im Alter bis 18 Jahren Tics, die unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. Diese Tics können teilweise gut unterdrückt werden, das allerdings lässt die Aufnahmefähigkeit stark sinken. Auf der anderen Seite lässt Konzentration die Tics nachlassen.
Prof. Irene Neuner, Aachen, stellte im Rahmen des DGPPN-Kongresses klinische Kriterien für das Tourette-Syndrom vor und erklärte, was im Patientengespräch abgefragt werden müsse. Das Syndrom umfasst die Kombination vokaler und einfacher oder komplexer motorischer Tics. Vokale Tics können sich zu Beginn lediglich als einfaches Räuspern zeigen, kommen Augenblinzeln oder Rucken des Halses hinzu, verdichten sich die Hinweise auf Tourette. Die motorischen Tics können unauffällig sein und Patienten können sie dann gut überspielen. Ein Tourette-Syndrom beginne definitionsgemäß vor dem 18. Lebensjahr und sei am häufigsten im Grundschulalter, deswegen leide ein Patient mit 38 Jahren, der erst seit wenigen Wochen über Tics klagt, nicht an Tourette.
Die Patienten können ihre Tics unterdrücken, wie lange und wie gut, das unterscheidet sich zwischen den Patienten. Neuner beschreibt einen Jurastudenten, dem es während der gesamten Strafrechtsvorlesung gelingt seine die Tics unterdrücken, was aber seine Aufmerksamkeit sehr stark beeinträchtigt: Er kann sich nur an sehr wenige Inhalte erinnern. Hinweise kann der Arzt erhalten, wenn er den Patienten außerhalb des Sprechzimmers beobachtet. Bei Aufregung und unter der Aufmerksamkeit anderer Menschen nehmen die Tics stark zu, unter Konzentration hingegen nehmen sie ab.
Die Patienten berichten, dass sich die Symptome mit der Zeit verändern, so Neuner. Typisch sei, dass sie im Kopf- und Gesichtsbereich beginnen. Das Spigelneuronensystem beeinflusst die Symptome: das könne man auch daran erkennen, dass einige Patienten vermeiden, Selbsthilfegruppen zu besuchen, weil sie sich dort die Tics anderer aneignen. Auf dem Video eines Patienten mit starken Symptomen sitzt dieser auf einem Stuhl, hustet, bewegt Hände und Körper ständig ruckartig, zittert am ganzen Körper und kann kaum stillsitzen. Durch die dauernde Bewegung ist der Patient sehr schlank. Ist das Syndrom sehr stark ausgeprägt, sind autoaggressive Tics möglich.
Roland Müller-Waldeck
Quelle: Wissenschaftliches Symposium „Tic-Störungen“ im Rahmen des DGPPN-Kongresses am 23.11.2022 in Berlin
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