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Langsamkeit bei Schizophrenie: Motorischer Homunkulus überholt

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Langsamkeit bei Schizophrenie: Motorischer Homunkulus überholt

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Erschienen in: neuro aktuell

Bei etwa 80 Prozent der Schizophrenie-Betroffenen treten unabhängig von den Nebenwirkungen der Antipsychotika motorische Störungen auf. Bei jedem zweiten Betroffenen sind die Bewegungen und auch die Gedankengänge verlangsamt. Der inzwischen veraltete „motorische Homunkulus“ kann dies nur unzureichend erklären.

„Seit mehr als hundert Jahren ging man davon aus, dass jeder Muskel im Körper über einen festen Punkt in der Hirnrinde gesteuert wird. Die Darstellung dieses sogenannten motorischen Homunkulus, bei dem jedem Körperteil ein Bereich in der Hirnrinde zugeordnet wird, ist jedoch zu simpel und unzureichend“, berichtet Sebastian Walther, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Uniklinikum Würzburg (UKW).

Vor zwei Jahren fanden US-amerikanische Forscher (Gordon et al., 2023, Nature, https://doi.org/10.1038/s41586-023-05964-2) mithilfe von hochauflösender Bildgebung heraus, dass sich im Motorcortex spezialisierte Regionen für bestimmte Körperteile mit dazwischenliegenden Bereichen abwechseln. Diese sind nicht für einen einzelnen Muskel zuständig, sondern integrieren die Bewegungsplanung, Koordination und Signale aus dem Körper. Die Steuerung im Gehirn ist demnach kein linearer Aufbau, sondern ein Muster aus „Effektor-Zonen“ und „Integrations-Zonen“.

Veränderungen im primären Motorcortex hängen nicht per se mit Schizophrenie zusammen

Bevor Walther im Oktober 2024 Klinikdirektor in Würzburg wurde, war er stellvertretender Klinikdirektor und Chefarzt der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Bern. Dort untersuchte er mit seinem Team funktionelle MRT-Bilder von 126 Patientinnen und Patienten mit diagnostizierter Schizophrenie sowie von 43 gesunden Personen. Zunächst konnte er replizieren, was die US-amerikanischen Kollegen zwei Jahre zuvor publiziert hatten. Im zweiten Schritt bildeten die Forschenden den Kontrast und verglichen die funktionelle Konnektivität des Gehirns von Menschen mit Psychose mit der von gesunden Personen. Im dritten Schritt stellten sie Patienten, bei denen die Psychomotorik verlangsamt war, denen gegenüber, die keine psychomotorischen Einschränkungen hatten.

„Wir haben gesehen, dass die Veränderungen nicht per se mit der Erkrankung Schizophrenie zusammenhängen, sondern nur bei Patientinnen und Patienten zu finden sind, deren Bewegungen verlangsamt sind. Bei ihnen waren die Regionen innerhalb des motorischen Kortex unterschiedlich verknüpft“, resümiert Sebastian Walther.

Je stärker die Verlangsamung, desto stärker die Veränderung im primären motorischen Kortex

Mit seinem Team hat er die Gehirnaktivität zehn Minuten lang im Ruhezustand untersucht und dann analysiert, welche Bereiche des Gehirns miteinander kommunizieren und in den gleichen Frequenzen schwingen. „Hier waren die Unterschiede bereits signifikant“, so Walther. Doch wie stark hängen diese Veränderungen mit dem Verhalten zusammen? „Sehr stark“, antwortet er. „Je stärker die Verlangsamung, desto stärker ist auch die Veränderung im primären motorischen Kortex.“ Die tägliche Bewegungsmenge wurde mit einem Fitnesstracker gemessen, die Feinmotorik mit einem Geschicklichkeitstest, bei dem die Patientinnen und Patienten eine Münze zwischen ihren Fingern rotieren ließen.

TMS: Magnet-Impuls-Training fürs Gehirn

Was bedeuten diese Forschungsergebnisse konkret für Patientinnen und Patienten? Der Leidensdruck ist groß bei denen, deren Bewegungen und Handlungsplanung stark verlangsamt sind. Pharmakologische Behandlungen gibt es bislang nicht. Hoffnung bietet die transkranielle Magnetstimulation (TMS). Sebastian Walther hat diese Methode bereits in einer randomisierten, doppelblinden Studie mit Patientinnen und Patienten mit starker Bewegungsverlangsamung erfolgreich getestet (Walther et al., 2024; doi:10.1001/jamapsychiatry.2024.0026). Bei der TMS werden kurze Magnetimpulse von außen durch den Schädel auf das Gehirn übertragen, um die gestörte Hirnaktivität zu beeinflussen und Netzwerke wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Die Gruppe, die eine gezielte Magnetstimulation erhielt, wurde deutlich beweglicher und zeigte die größten Verbesserungen, während die anderen Gruppen, die eine Placebo-TMS oder gar keine Behandlung erhielten, kaum Veränderungen zeigten.

In der Studie wurde allerdings noch der prämotorische Kortex angesteuert, also ein Bereich weiter vorne im Frontallappen, der Bewegungen plant und koordiniert, bevor sie ausgeführt werden. „Mit den neuen Informationen aus der aktuellen PNAS-Publikation würden wir vielleicht genauer innerhalb des primärmotorischen Kortex auf die Intereffektoren zielen“, so Walther. Das wäre ein nächstes Forschungsprojekt. Zur Verstärkung seines Forschungsteams konnte er jetzt die Neurowissenschaftlerin Dr. Stéphanie Lefebvre fürs UKW gewinnen. Die Neurowissenschaftlerin war Postdoc in Walthers Arbeitsgruppe in Bern und ist Letztautorin der aktuellen und wegweisenden PNAS-Publikation.

Quelle: Pressemeldung Universitätsklinikum Würzburg (idw, 14.10.25)

Zur Originalpublikation kommen Sie hier.


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