Um die Perlen der Depressionsforschung ausfindig und neue Medikamente zügig verfügbar zu machen, setzen die Forschenden auf die hocheffiziente Methodik einer Plattformstudie. Während neue oder bestehende Behandlungsansätze bisher in Einzelstudien bewertet wurden, bei denen Teilnehmende nach dem Zufallsprinzip der Interventions- oder einer Kontrollgruppe zugeteilt wurden, kommen dabei eine gemeinsame Infrastruktur und eine gemeinsame Kontrollgruppe zur Prüfung vieler Therapieansätze zum Einsatz, wobei das Zufallsprinzip der Gruppenzuteilung erhalten bleibt.
„Klinische Studien sind sehr ressourcenintensiv und aufwändig. Bislang werden die komplette Infrastruktur und Logistik für jede Studie immer wieder von Neuem aufgebaut. Man könnte das bildlich damit vergleichen, für jedes Fußballspiel ein neues Stadion zu bauen. Mit PEARLDIVER gehen wir einen anderen Weg: Wir bauen im übertragenen Sinne einmal gemeinsam ein großes Fußballstadion und diese Infrastruktur können dann alle Partner für nahezu unbegrenzt viele Spiele – oder eben Studien – nutzen“, erklärt der Professor für Klinische Neurowissenschaften an der Charité und wissenschaftlicher Leiter des Projektes Stefan Gold. „Neben der Geschwindigkeit steigen auch Aussagekraft und Vergleichbarkeit der einzelnen Studien.“
Ziel ist es, in den kommenden vier Jahren eine europaweite Forschungsinfrastruktur aufzubauen, mithilfe derer solide Erkenntnisse entsprechend höchsten wissenschaftlichen Standards in Vergleichen von Studien- und Kontrollgruppen zu neuen und bekannten Behandlungsansätzen gewonnen werden können. Dabei dient das erste Jahr insbesondere dem Aufbau der Plattform. Ihre Eignung und Effizienz wird die Plattform dann bei der Prüfung von Wirksamkeit und Sicherheit zweier neu für die Depression angewandter Medikamente unter Beweis stellen. Erste Patienten sollen 2026 in Studien aufgenommen werden.
Plattformstudien werden bereits erfolgreich in anderen medizinischen Bereichen, beispielsweise in der onkologischen Forschung, eingesetzt. Neu ist dieser Ansatz auf dem Gebiet der psychischen Gesundheit. Ebenfalls neu ist, dass Betroffene als Kooperationspartner das Studiendesign mitgestaltet haben. Die Vertreterin der Patienten im Projekt, Fanni-Laura Mäntylä, sagt: „Wir wollen gemeinsam bessere Lösungen dafür finden, wie klinische Studien im Bereich der psychischen Gesundheit konzipiert und durchgeführt werden, wie die Behandlung psychischer Erkrankungen weiterentwickelt und Menschen mit psychischen Problemen besser geholfen werden kann.“
Da mehrere Behandlungen gleichzeitig geprüft werden können, ist eine wieder verwendbare Infrastruktur äußerst effizient. Die Belastung für Studienteilnehmende verringert sich. Behördliche und ethische Genehmigungsprozesse verkürzen sich. Zwischenanalysen lassen schnelle Rückschlüsse darüber zu, ob eine Behandlung erfolgversprechend sein wird. Offenkundig unwirksame Studienarme können rasch eingestellt werden.
„Der innovative Ansatz einer Plattformstudie ist insbesondere deshalb interessant, weil er die Erprobung neuer Therapien für Depressionen ressourcenschonender und einheitlicher gestaltet. Das Projekt wird Forschenden helfen, gemeinsam schneller Antworten darauf zu finden, ob Behandlungen wirksam sind und für wen sie sich am besten eignen“, betont Dr. Kim Donoghue, Senior Research Manager bei Wellcome. Vielleicht kann die europaweit größte Depressionsstudie zugleich auch Modell sein für andere Erkrankungen auf dem Gebiet der psychischen Gesundheit.
Kontakt
Prof. Christian Otte
Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Campus Benjamin Franklin
Charité – Universitätsmedizin Berlin
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