Wir kennen sie alle – die Situation, in der man gedankenverloren zuhause ankommt und gar nicht mehr so genau weiß, wie man eigentlich gefahren ist. Dissoziative Momente im Lebensverlauf sind normal. Pathologisch wird es, sobald der Prozess der Dissoziation nicht mehr willentlich beeinflussbar ist und dadurch die alltägliche Funktionstüchtigkeit beeinträchtigt wird, erklärte Prof. Dr. med. Christian Schmahl, Mannheim.
Dabei handelt es sich um einen komplexen Reaktionsmodus auf eine extreme Belastungssituation und/oder eine erhöhte Dissoziationsneigung. Letztere kann ihrerseits auf genetische Einflüsse, Persönlichkeitsvariablen, Alexithymie oder einer hohen affektiven Erregung zurückgeführt werden. Ein Trauma spielt in vielen Fällen eine große Rolle, muss aber nicht zwingend mit einer dissoziativen Störung assoziiert sein, unterstrich der Experte.
Da häufig komorbide Symptome wie beispielsweise eine Depression auftreten und die Symptome aus Scham nicht selten verschwiegen werden, werden dissoziative Beschweren in der Praxis oft übersehen, ergänzte Dr. rer. nat. Dipl.-Psych. Kathlen Priebe, Berlin. Daher sollte es klinischen Standard sein, diese im Rahmen der Erhebung eines psychopathologischen Befundes zu erfragen. Dafür eignen sich u.a. strukturierte Interviews wie der SKID-D oder Selbstbeurteilungsverfahren wie der Fragebogen zu Dissoziativen Symptomen (FDS) oder die Dissoziations-Spannungs-Skala (DSS).
Als Mittel der Wahl für die Behandlung gilt die Psychotherapie. Dabei sollte grundsätzlich zwischen Dissoziativen Symptomen vor dem Hintergrund einer hohen Dissoziationsneigung und denen mit zusätzlich traumatischen Erlebnissen unterschieden werden und die Behandlung entsprechend modular aufgebaut werden. Dazu zählen u.a. eine Informationsvermittlung, Erhöhen der Dissoziationsschwelle, Veränderung der Auslösesituationen, Erkennen von Frühwarnzeichen, Verbesserung der Emotionsregulation sowie bei Bedarf die Behandlung der PTBS, zeigte die Expertin auf.
Leoni Burggraf
Quelle: Symposium „Dissoziative Störungen und Symptome bei psychischen Erkrankungen“ im Rahmen des Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde am 27.11.2024 in Berlin
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