Prof. Dr. Martin Schäfer, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Suchtmedizin der Evang. Kliniken Essen-Mitte, hielt im Rahmen des DGPPN-Kongresses einen Übersichts- und Grundlagenvortrag über die Bipolare Störung, in dem er auch auf die neuesten Forschungsergebnisse und Definitionen einging.
Ein Problem der bipolaren Störung (BS) ist die oft sehr späte Diagnose, die erst nach einer schweren manischen Phase erfolgt. Insbesondere bei der Bipolar-II-Störung vergehen oft mehr als 10 Jahre bis zur korrekten Diagnose, während es bei der unipolaren Depression im Schnitt nur 3 Jahre sind [1]. Da die BS häufig mit depressiven Phasen beginnt und es den Patienten selbst schwerfällt, manische Phasen zu erkennen, wird oft zunächst davon ausgegangen, dass es sich um eine unipolare Depression handelt. Eine frühe Diagnose ist jedoch sehr wichtig für die Prognose und um die Suizidrate zu reduzieren.
Bei der Bipolar-I-Störung liegt das Alter bei Ersterkrankung im Durchschnitt bei 18 Jahren, bei der Bipolar-II-Störung bei 23 Jahren [2]. Doch auch Teenager sind betroffen und haben dann oft eine noch längere Periode ohne eine Diagnose und Behandlung: „Wir wissen, dass ein früher Beginn der Erkrankung für eine schlechtere Prognose spricht und es ein höheres Suizidrisiko gibt“, so Prof. Dr. Schäfer.
Typisch bei der bipolaren Depression sei ein schnellerer Beginn und schnelleres Ansprechen auf die Therapie, Appetitsteigerung und häufig werde die Energielosigkeit besonders betont. Die manische Phase ist definiert als eine klare Periode abnormal gehobener Stimmung mit zusätzlich gehobenem Energieniveau und Aktivitäten für mindestens eine Woche (DSM-5 und ICD 11). Symptome der manischen Phase sind eine euphorische Stimmung, erhöhte Sprach- und Denkgeschwindigkeit, beschleunigte Bewegungen und Bewegungsdrang. Bei der Hypomanie, die bei der Bipolar-II-Störung auftritt, sind diese Symptome weniger stark ausgeprägt und führen auch weniger zu Beeinträchtigungen des psychosozialen Funktionsniveaus. Die Augen sollten also offen gehalten werden für atypische Depressionsmuster und für die schwerer erkennbaren Hypomanien.
Da die BS die psychische Erkrankung mit dem höchsten Suizidrisiko ist, ist eine gut angepasste Therapie bestehend aus Pharmakotherapie und aus Psychoedukation sehr wichtig. Prof. Dr. Dr. Michael Bauer, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der TU Dresden, betonte, dass Lithium dabei der Goldstandard sei, insbesondere wegen seines suizidpräventiven Effekts. Kombinationstherapien mit weiteren Medikamenten seien aber zur Behandlungsoptimierung zu empfehlen. Wichtig sei dabei ein sehr genaues Monitoring des Lithiumspiegels im Serum (4–6 x im Jahr), um eine Intoxikation zu vermeiden; der optimale Spiegel liege bei 0,6–0,8 mEq/L. Zusätzlich zur Pharmakotherapie empfiehlt er die Verhaltenstherapie, Psychoedukation und Familientherapie.
Michelle Mück
Literatur:
- Ghaemi et al. J Clin Psychiatry 2000
- Kupfer et al. J Clin Psychiatry 2002
Quelle: Wissenschaftliches Symposium „Bipolare Störungen“ im Rahmen des DGPPN-Symposiums am 30.11.2023 in Berlin
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