Vom 28. bis 31. Mai 2025 wird Berlin zum Zentrum der Diabetologie: Der 59. Diabetes Kongress der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) lädt unter dem Motto „Neue Dimensionen der Diabetologie – Individuell. Interdisziplinär. Innovativ.“ Fachleute aus Wissenschaft, Klinik und Praxis ein, um die neuesten Entwicklungen und Herausforderungen des Fachgebiets zu diskutieren.
Kongresspräsident Professor Dr. Martin Heni erklärt, dass das Motto die zentralen Herausforderungen und Chancen der modernen Diabetologie widerspiegelt:
- Individuell: „Nicht alle Menschen mit Diabetes sind gleich“, betont Heni. Daher sei es essenziell, individuelle Maßnahmen zu entwickeln, die auf die spezifischen Bedürfnisse und Lebensumstände der Betroffenen abgestimmt sind. Dies sei nicht nur klinisch relevant, sondern auch wissenschaftlich hochinteressant, da die Forschung immer weitere Gründe für die Vielfalt der Krankheitsbilder entdeckt.
- Interdisziplinär: Diabetes betrifft nahezu jedes Organ des Körpers, weshalb eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachrichtungen unerlässlich ist. „Wir müssen von anderen Disziplinen lernen und gemeinsam daran arbeiten, Betroffene optimal zu behandeln“, so Heni. Diese interdisziplinäre Herangehensweise sei ein zentraler Bestandteil des täglichen diabetologischen Handelns.
- Innovativ: Für Heni ist die Diabetologie „das innovativste Fach in der Medizin“. Der rasante Fortschritt in Technologie, Medikation und Digitalisierung bietet enorme Potenziale, um die Versorgung der Patient:innen zu verbessern und neue Wege in der Prävention und Therapie zu gehen.
Mit Themen wie „Echte oder Scheininnovationen“, „Individualisierte Konzepte in der Diabetologie“ und „Diabetes in besonderen Lebenslagen“ greift der Kongress aktuelle Herausforderungen auf. Neben spannenden Vorträgen und praxisnahen Seminaren bietet er interaktive Workshops und Posterpräsentationen, die den intensiven Austausch zwischen Fachleuten fördern. Ziel ist es, gemeinsam neue Ansätze zu entwickeln, die Diabetologie von morgen zu gestalten und den Patient:innen eine noch bessere Versorgung zu ermöglichen.
Ein besonderes Highlight des Kongresses ist die Diskussion über die Rolle des Gehirns in der Stoffwechselregulation, ein Thema, das Professor Heni und sein Team intensiv erforschen.
Schaltzentrale Gehirn: Insulin ist ein unterschätzter Akteur
Das Gehirn spielt eine zentrale Rolle in der Steuerung von Stoffwechselprozessen und rückt zunehmend in den Fokus der Diabetesforschung. Auf der Vorab-Pressekonferenz zum Diabetes Kongress 2025 präsentierte Professor Dr. Martin Heni, Kongresspräsident und Leiter der Sektion Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Ulm, neueste Erkenntnisse zur neuronalen Steuerung des Essverhaltens und der Stoffwechselregulation.
Insulin ist nicht nur ein Schlüsselhormon für den Glukosestoffwechsel in der Peripherie, sondern entfaltet auch im Gehirn eine entscheidende Wirkung. Nach der Nahrungsaufnahme gelangt Insulin über den Blutstrom ins Gehirn, wo es spezifische Rezeptoren, beispielsweise im Hypothalamus, aktiviert. Diese Aktivierung beeinflusst nicht nur das Essverhalten, sondern auch die Glukoseproduktion der Leber, die Glukoseaufnahme in Muskel- und Fettgewebe sowie die Insulinsekretion der Bauchspeicheldrüse. Eine gestörte Insulinwirkung im Gehirn – auch als „brain insulin resistance“ bekannt – kann zu übermäßigem Appetit, Gewichtszunahme und einer ungünstigen Körperfettverteilung führen, insbesondere zur Zunahme viszeraler Fettdepots. Darüber hinaus ist diese Störung ein Risikofaktor für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer.
Fettverteilung wichtiger als der BMI
Ein weiteres zentrales Thema war die Rolle der Fettverteilung. Während der Body-Mass-Index (BMI) bisher als Standardmaß für das metabolische Risiko galt, zeigen neue Erkenntnisse, dass die Fettverteilung – insbesondere die viszerale Fettmasse – einen weitaus größeren Einfluss auf das Risiko für Diabetes und andere metabolische Erkrankungen hat. Das Gehirn steuert diese Fettverteilung über komplexe hormonelle und neuronale Signale.
Neue therapeutische Ansätze und offene Fragen
Erste Interventionsstudien weisen darauf hin, dass körperliche Aktivität und bestimmte medikamentöse Ansätze, wie die Nutzung von GLP-1-Rezeptoragonisten, die zentrale Insulinwirkung verbessern können. GLP-1, ein Hormon, das nach der Nahrungsaufnahme ausgeschüttet wird, wirkt nicht nur appetitzügelnd, sondern zeigt auch vielversprechende Effekte in der Therapie von Adipositas und Typ-2-Diabetes. Dennoch bleiben viele Fragen offen. Insbesondere zu den langfristigen Effekten auf neurodegenerative Erkrankungen, Depressionen und Suchterkrankungen laufen derzeit umfangreiche Studien.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit als Schlüssel
Professor Heni betonte die Notwendigkeit einer engen interdisziplinären Zusammenarbeit in der Diabetologie. „Es gibt fast kein Organ, das nicht in Zusammenhang mit Diabetes steht“, so Heni. Die komplexen Wechselwirkungen zwischen Gehirn, Hormonsystem und Stoffwechselprozessen erfordern den Austausch zwischen verschiedenen Fachdisziplinen, um Betroffene bestmöglich zu behandeln.
Die vorgestellten Erkenntnisse eröffnen neue Perspektiven für eine personalisierte Prävention und Therapie von Diabetes und seinen Begleiterkrankungen. Auch wenn viele Ansätze noch in der Forschungsphase sind, verdeutlichen sie das enorme Potenzial innovativer Ansätze in der Diabetologie. Der Diabetes Kongress 2025 bietet eine Plattform, um diese Themen weiter zu diskutieren und die Brücke zwischen Wissenschaft und klinischer Praxis zu schlagen.
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