Die Behandlung von Typ-1-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen hat besondere Herausforderungen – für die Betroffenen, ihre Familien und das betreuende Diabetesteam. Moderne Insulintherapien, digitale Technologien und telemedizinische Ansätze eröffnen neue Möglichkeiten für eine individuell angepasste und sichere Betreuung.
Typ-1-Diabetes ist die häufigste Stoffwechselerkrankung bei Kindern und Jugendlichen. Durch einen Autoimmunprozess ist der Körper nicht mehr in der Lage, Insulin zu produzieren. Dies erfordert die lebenslange Anwendung einer Insulintherapie, die plötzlich in den Alltag des Kindes oder Jugendlichen sowie seiner Familie integriert werden muss.
In Deutschland stehen verschiedene Ansätze zur Verfügung, um diese Therapie individuell auf die Bedürfnisse der Betroffenen anzupassen. Neben der Insulinverabreichung mit Insulinpens erleichtern Insulinpumpen und kontinuierliche Glukosemesssysteme (CGM) den Alltag der Nutzenden. Nachfolgend werden die aktuellen Möglichkeiten der Insulintherapie, die Rolle der Digitalisierung in der Diabetesberatung sowie die Bedeutung von Schulung und Notfallmanagement vorgestellt.
Insulintherapie: Pens und Pumpen im Vergleich
Die Insulintherapie kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Eine Möglichkeit ist die Anwendung von Insulinpens, bei denen das Insulin mehrmals täglich individuell auf Mahlzeiten und den Alltag abgestimmt verabreicht wird. Alternativ können Insulinpumpen eingesetzt werden, die das Insulin kontinuierlich über einen kleinen Katheter im Unterhautfettgewebe abgeben.
Moderne Insulinpumpensysteme arbeiten teilweise mit Algorithmen, die die Insulinabgabe in Echtzeit anpassen. Während der Glukosegehalt im Fettgewebe kontinuierlich über einen Sensor gemessen wird, berechnet der Algorithmus die benötigte Insulinmenge und gibt diese in Form von Mikrodosen ab. Bei Mahlzeiten muss der Kohlenhydratanteil jedoch weiterhin manuell ermittelt und ein Bolus vor dem Essen abgegeben werden.
Die Vorteile solcher Systeme sind vielfältig: Der Katheter muss nur alle zwei bis drei Tage gewechselt werden, was die Anzahl der notwendigen Einstiche reduziert. Zudem ermöglichen die Systeme eine bedarfsgerechtere Insulinzufuhr, was das Risiko von Hypo- und Hyperglykämien senkt. Durch die personalisierbaren Einstellungen können Zielwerte, Insulinabgaben und Reaktionen auf spezielle Nahrungszusammensetzungen individuell angepasst werden.
Digitalisierung in der Diabetesberatung
Die Digitalisierung hat die Diabetes-Behandlung revolutioniert. Digitale Lösungen ermöglichen eine detaillierte Visualisierung der Therapie, die sowohl für die Betroffenen als auch für das Diabetesteam eine höhere Transparenz und Sicherheit schafft.
Früher erfolgte die Dokumentation der Therapie oft handschriftlich, was zu lückenhaften oder ungenauen Aufzeichnungen führen konnte. Heute können Insulinpumpen, Glukosesensoren und Insulinpens ihre Daten direkt in eine Software übertragen. Diese Daten können analysiert und zur Optimierung der Therapie genutzt werden.
Ein weiterer Vorteil der Digitalisierung ist die Möglichkeit der telemedizinischen Beratung. Die Therapiedaten können automatisch hochgeladen oder von den Betroffenen manuell an das Diabetesteam übermittelt werden. Über ein sicheres Portal kann eine gemeinsame Datenanalyse erfolgen, bei der die Berichtsstruktur erklärt und individuelle Therapieziele besprochen werden. Für eine erfolgreiche Beratung ist es wichtig, Informationen über den Alltag der Betroffenen zu berücksichtigen. Ein Ereignistagebuch oder Fotos von Mahlzeiten und besonderen Aktivitäten können dabei hilfreich sein.
Schulung: Grundlage für eine erfolgreiche Therapie
Die Basis einer erfolgreichen Diabetesbehandlung ist eine umfassende Schulung.
Bei der Manifestation des Diabetes erfolgt in der Regel ein stationärer Aufenthalt, in dem die Behandlungsform und alle notwendigen Schulungsinhalte vermittelt werden.
Evidenzbasierte Schulungsprogramme für Kinder und Jugendliche bilden die Grundlage. Diese Programme vermitteln Wissen über Typ-1-Diabetes, die Insulinverabreichung, Ernährung und den Umgang mit schwankenden Glukosewerten. Kinder sollten ermutigt werden, selbstständig zu handeln, z. B. durch das Stechen zur Blutgewinnung oder das Bedienen von Glukosesensoren. Auch die Eltern der betroffenen Kinder benötigen ausreichend Zeit und Unterstützung, um die Therapie zu erlernen und mögliche Notfallsituationen sicher zu bewältigen.
Notfallmanagement: Die Bedeutung der Notfalltasche
Ein zentraler Bestandteil der Diabetesberatung ist das Notfallmanagement. Für den Fall einer schweren Hypoglykämie oder einer diabetischen Ketoazidose sollten Familien gut vorbereitet sein. Hier spielt die Notfalltasche eine entscheidende Rolle.

Eine solche Notfalltasche sollte folgende Inhalte umfassen:
- Präventionsschema für eine diabetische Ketoazidose: Dieses Schema gibt den Familien klare Handlungsempfehlungen für den Ernstfall.
- Insulinspritzen und Ersatzmaterialien: Für den Fall, dass die Insulinpumpe defekt ist oder der Pen verloren geht, sollten Insulinspritzen und Ersatzkatheter vorhanden sein.
- Anleitung zur Korrekturinsulinberechnung: Die benötigte Insulinkorrekturmenge muss manuell berechnet werden können, falls kein digitaler Bolusrechner verfügbar ist.
- Ketonmessgerät: Ein Gerät zur Messung von Ketonen im Blut oder Urin ist essenziell, um eine beginnende Ketoazidose frühzeitig zu erkennen.
- Notfallmedikamente: Dazu gehört Glukagon, das entweder als Nasenspray oder Injektion verfügbar ist. In der Schulung sollten praktische Übungen zur Anwendung dieser Medikamente durchgeführt werden.
- Kontaktdaten des Diabetesteams: Eine Notfallnummer sollte jederzeit griffbereit sein.
Die Tasche stellt sicher, dass im Ernstfall alle notwendigen Materialien schnell verfügbar sind. Um die Familien auf solche Situationen vorzubereiten, sollten die Inhalte der Tasche in der Schulung ausführlich besprochen und die Anwendung praktisch geübt werden.
Telemedizin: Chancen und Voraussetzungen
Die Möglichkeit der telemedizinischen Beratung ist ein großer Vorteil moderner Diabetestechnologie. Voraussetzung dafür ist ein persönliches Kennenlernen zwischen dem Diabetesteam und der Familie, das in der Regel während des stationären Aufenthalts bei der Diabetesmanifestation stattfindet.
Die telemedizinische Beratung ermöglicht eine flexible und ortsunabhängige Betreuung. Therapiedaten können in Echtzeit analysiert werden, und die Beratung kann individuell auf die Bedürfnisse der Familie abgestimmt werden. Für eine erfolgreiche telemedizinische Betreuung ist es wichtig, dass technische Voraussetzungen wie ein sicheres Arzt-Patienten-Portal und die Verfügbarkeit der notwendigen Geräte gegeben sind.
Fazit: Personenzentrierte Betreuung
Die moderne Insulinbehandlung und Diabetesberatung bieten durch technologische Fortschritte und Digitalisierung eine Vielzahl an Möglichkeiten, die Betreuung der Kinder und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes zu optimieren.
Sowohl Präsenz- als auch telemedizinische Beratungen können individuell auf die Bedürfnisse der Betroffenen und ihrer Familien abgestimmt werden.
Die Grundlage für eine erfolgreiche Therapie bildet dabei die Kombination aus evidenzbasierten Schulungsprogrammen, moderner Technologie und einem gut durchdachten Notfallmanagement. Die kontinuierliche Betreuung durch ein erfahrenes Diabetesteam ist entscheidend, um die Lebensqualität der Betroffenen langfristig zu sichern.
Autorin: Sarah Biester, Diabetesberaterin DDG
Literaturhinweise:
S3-Leitlinie „Therapie des Typ-1-Diabetes bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen“, Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), 2023.
Nationale Versorgungs-Leitlinie (NVL) Typ-1-Diabetes, Version 1.0, 2023
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