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Auf die Wortwahl kommt es an – Therapieerfolg durch Sprache

Ärztin spricht stark gestikulierend mit einer Patientin

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Auf die Wortwahl kommt es an – Therapieerfolg durch Sprache

Fachartikel

Diabetologie

Diabetes im Alter

mgo medizin Redaktion

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8 MIN

Erschienen in: diabetes heute

Worte können trösten und Vertrauen aufbauen, aber auch verunsichern oder sogar verletzen. Die Wortwahl in der ärztlichen Kommunikation kann darüber entscheiden, ob Betroffen ihre Diagnose verstehen und eine Therapieempfehlung annehmen, oder sich vor den Kopf gestoßen fühlen und im schlimmsten Fall abblocken. Das richtige Wording ist demnach der Schlüssel zu einer erfolgreichen Behandlung. Keiner sollte jedoch in Watte gepackt werden. Klare Ansagen helfen oftmals mehr.

Sätze wie „Sie haben eine Myokardinfarkt-Vorgeschichte mit konsekutiver kardialer Dekompensation“ sind nicht unbedingt die beste Art und Weise, um einem Betroffenen mitzuteilen, dass er einen Herzinfarkt hatte und sein Herz seitdem nicht mehr genug Blut in den Kreislauf pumpt. Zu viele medizinische Fachbegriffe, die der Laie nicht versteht, können dazu führen, dass das Bedrohungsempfinden steigt und das Gehirn die Situation als potenziell gefährlich bewertet. Das kann zu emotionalem Stress und am Ende dazu führen, dass der Mensch noch weniger versteht, dem Arzt nicht vertraut, und im schlimmsten Fall die notwendige Behandlung ablehnt. [1]
Auch die Aussage „Sie haben nur noch wenige Monate zu leben“ sollten Ärzte besser überdenken und ihrem Gegenüber eher aufzeigen, dass seine Erkrankung fortgeschritten und die noch verbleibende Zeit begrenzt ist.
Verharmlosungen wie „Das ist nur eine kleine Operation, es besteht kein Grund zur Sorge“ tragen hingegen nicht dazu bei, den Betroffenen zu beruhigen, sondern sorgen eher dafür, dass er sich nicht ernst genommen fühlt. „Es handelt sich zwar um einen Routineeingriff, aber ich verstehe, dass Sie sich Gedanken machen, und erkläre Ihnen daher genau, was auf Sie zukommen wird“, wäre hier passender.

Klare Worte helfen

Der Psychologe Arnulf Schüffler warnt jedoch auch davor, allzu empathisch und bemitleidend aufzutreten, zumindest in Situationen, in denen der Patient Einfluss auf seine Erkrankung nehmen kann. „Wir Menschen können lebensbedrohliche Nachrichten relativ schlecht akzeptieren und damit umgehen. Wird uns mitgeteilt, dass unsere Überlebenschance bei 20 Prozent liegt, glauben wir, dass wir zu den 20 Prozent gehören“, erklärt Schüffler. Das belegt auch eine englische Studie [2], die untersucht hat, wie Menschen auf negative Informationen reagieren. Die Forschenden haben mittels funktioneller Magnetresonanztomografie festgestellt, dass negative Nachrichten oder unangenehme Informationen ignoriert oder abgeschwächt werden, wenn sie nicht zu den optimistischen Erwartungen passen. „Das kann dann dazu führen, dass der Patient keine Notwendigkeit sieht, in irgendeiner Form tätig zu werden, da er daran glaubt, dass alles gut werden wird. Daher ist es wichtig, dass Ärzte klar und deutlich kommunizieren, dass eine Besserung der Erkrankung oder gar Heilung nur möglich ist, wenn der Patient mitarbeitet“, so der Essener Psychologe.
Je nach Erkrankung und Schweregrad kann das zum Beispiel ein sofortiger Verzicht auf Nikotin oder Alkohol sein, eine Ernährungsumstellung, mehr Sport oder aber spezielle Therapien.

»Prospect Theory« in der ärztlichen Kommunikation

Die Problematik zeigt sich anschaulich am Beispiel Diabetes mellitus: Obwohl die Erkrankung schwerwiegend ist, können die meisten Betroffenen mit entsprechender Lebensweise gut damit umgehen. Werden jedoch wichtige Maßnahmen vernachlässigt, kann Diabetes lebensbedrohliche Folgen haben.
„Wenn wir diese Diagnose bekommen, sagt uns unser Gehirn erst einmal, dass es ja nicht so schlimm sein kann, weil wir in unserem bisherigen Leben keinerlei Probleme diesbezüglich hatten“, beschreibt Schüffler das Phänomen. „Aus psychologischer Sicht wäre es an dieser Stelle wichtig, dem Patienten den sprichwörtlichen Tritt in den Hintern zu verpassen und ihm ganz klar die Botschaft zu vermitteln, dass er selbst tätig werden muss.“
Die richtige Formulierung ist hier erneut entscheidend, wie auch die »Prospect Theory« belegt. Sie kommt eigentlich aus der Verhaltensökonomik, lässt sich aber auch sehr gut auf die ärztliche Kommunikation anwenden. Die Theorie besagt, dass das Risikoverhalten von der subjektiven Wahrnehmung von Sicherheit und Verlustaversion beeinflusst wird. [3] Durch Sätze wie „Wenn Sie so weiter machen, werden Sie sterben“ fühlen sich Menschen eher bedroht, die Verlustaversion setzt ein, und Empfehlungen werden abgelehnt. Die Aufforderung „Sie sollten jetzt Ihre Ernährung umstellen, um gut mit der Erkrankung leben zu können“, sorgt hingegen für Akzeptanz und ein Gefühl der Sicherheit.

Raus aus der Opferrolle

Entscheidend ist, dass sich der Betroffene nicht als Opfer sieht, sondern erkennt, dass er die Kontrolle über seine Krankheit erlangen kann. Mit platten Aussagen wie „Sie haben Diabetes, lassen Sie ab sofort besser mal die Cola weg“ erreicht man hingegen genau das Gegenteil. Der Mensch sieht die Schuld bei sich, weil er zu viel Süßgetränke zu sich genommen hat, verfällt in die Opferrolle und resigniert. Oder aber, er fühlt sich vor den Kopf gestoßen und nicht wirklich gesehen, da er vielleicht gar keine zuckerhaltigen Getränke trinkt. Beides führt nicht dazu, dass sich der Betroffene intensiv mit der Krankheit beschäftigt und an sich arbeitet. „Vertrauen ist in jedem Veränderungsprozess die notwendige Grundlage“, bringt es Schüffler auf den Punkt. „Nur, wenn ich meiner Ärztin oder Arzt vertraue und mich ernst genommen fühle, sind Veränderungen überhaupt möglich.“

Partnerschaftlich ja – 
freundschaftlich nein

Eine fragebogenbasierte Analyse in Lehrpraxen der Universität Oldenburg aus dem Jahr 2023 ergab, dass 85,4 % der Befragten das partizipative Beziehungsmodell bevorzugen, das eine partnerschaftliche Gesprächsgestal­tung und gemeinsame Entscheidungsfindung umfasst [5]. „Partnerschaftlich bedeutet jedoch in den wenigsten Fällen, dass der Arzt sich verhält, als wäre er der beste Freund und uns bemitleidet. Eigentlich wollen die meisten Menschen, dass jemand professionell und auch mit einer professionellen Abgeklärtheit mit ihnen umgeht, aber dennoch natürlich empathisch“, ist der Psychologe überzeugt. Im ersten Moment würde vielleicht ein sanfter, verständnisvoller Ton helfen, langfristig bräuchten wir jedoch jemanden, der uns zwar versteht, aber der auch ganz klar zum Ausdruck bringt, was wir tun müssen.

Kommunikation am Ende des Lebens

Kommt jedoch der Punkt, an dem Veränderungen keine Auswirkungen mehr haben, muss sich auch die ärztliche Kommunikation ändern. Das Thema Sicherheit steht dann an erster Stelle, der Betroffene braucht eine eindeutige, geklärte Situation, keine Handlungsempfehlungen mehr. „Auch, wenn es sehr hart klingt, aber es hilft den meisten Menschen sehr, wenn sie am Ende ihres Lebens verstehen, wie die Faktenlage ist und dass es keine Hoffnung mehr gibt“, verdeutlicht Schüffler. Er empfiehlt in solchen Momenten auf die Möglichkeit der psychologischen Betreuung hinzuweisen: „Ein Arzt hat gar nicht die Zeit und auch in den meisten Fällen nicht die notwendigen Qualifikationen, um Betroffene adäquat durch die fünf Phasen der Trauer zu begleiten.“ Diese Trauerphasen werden in der so genannten Trauerkurve beschrieben [4]: Verleugnung, Wut, Verhandeln, Depression und Akzeptanz. Je schneller der Mensch in der letzten Phase ankommt, desto eher kann er damit beginnen, die Zeit, die ihm noch bleibt, so konstruktiv wie möglich zu nutzen. „Wir erleben ganz oft, dass Menschen mit dramatischen Diagnosen nochmal auf Kreuzfahrt gehen oder sich andere Träume erfüllen. Der maximal konstruktive Umgang mit der Endlichkeit des eigenen Lebens führt auch häufig dazu, dass diese Menschen in ihrem Todesmoment ganz ruhig sind und sogar noch ihre Angehörigen trösten.“

Großes Problem: Wenig Zeit

Das Kernproblem in der Kommunikation im medizinischen Umfeld ist jedoch, da ist sich Schüffler sicher, die (nicht vorhandene) Zeit. Seiner Meinung nach würde die Kommunikation oft besser laufen, wenn der Behandelnde die Betroffenen erst einmal genauer kennenlernen könnte. „Fragen zum privaten und beruflichen Hintergrund oder zu Lebensgewohnheiten können ein Gefühl dafür entstehen lassen, wie die Lebensrealität des Menschen aussieht. Dann kann man Diagnosen und Handlungsempfehlungen viel zielgerichteter vermitteln und oft schon im Voraus abschätzen, welche Ansprache benötigt wird.“ Schüffler wirft jedoch auch die Frage auf, ob die Ärztin/der Arzt wirklich die richtige Person für derartige Gespräche ist. Er sieht vielmehr darin eine Chance, anders qualifizierte Fachkräfte wie Diätassistenten oder Physiotherapeuten zu »Gesundheitscoaches« auszubilden, die mit einem anderen Fokus auf die Betroffenen schauen und Zeit haben, ihn auf seinem Weg durch die Erkrankung zu begleiten. „Das muss meiner Meinung nach nicht alles im Aufgabenspektrum des Arztes liegen“, so Schüffler.
Wer auch immer mit Menschen kommuniziert, sollte stets daran denken, dass die Wortwahl maßgeblich Einfluss darauf hat, wie Betroffene ihre Situation begreifen und damit umgehen. Klarheit, Empathie und das richtige Maß an Professionalität schaffen Vertrauen und fördern Mitwirkung. So ist Kommunikation vielleicht am Ende heilsamer als so manche Medizin.

Autorin: Sonja Buske

Literatur:
[1] Ha, J. F., & Longnecker, N. (2010). Doctor-patient communication: A review. Ochsner Journal, 10(1), 38–43.
[2] Sharot, T., Korn, C. W., & Dolan, R. J. (2011). 
How unrealistic optimism is maintained in the face of reality. 
Nature Neuroscience, 14(11), 1475–1479.
[3] Ubel, P. A. (2014). 
Understanding choice: Why physicians should learn prospect theory. 
JAMA: Journal of the American Medical Association, 311(6), 571–572.
[4] Elisabeth Kübler-Ross Foundation. (o.J.). 
Change Curve. 
https://www.ekrfoundation.org/de/5-stages-of-grief/change-curve/
[5] Buchholz, B., & Kettmann, R. (2023). Patientenpräferenzen zur Arzt-Patienten-Beziehung in der allgemeinmedizinischen Versorgung: Ergebnisse einer fragebogenbasierten Analyse in Lehrpraxen der Universität Oldenburg.

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