Juckende oder schmerzende Rötungen, Hautaufhellungen und narbige Veränderungen kennzeichnen den Lichen sclerosus (LS). Die neue S3-Leitlinie betont die Bedeutung früher Diagnosen und Therapien mit hochpotenten Glukokortikoiden, um die Lebensqualität zu verbessern und Komplikationen zu vermeiden. Die chronisch-entzündliche, nicht-infektiöse Dermatose betrifft Frauen, Männer und Kinder gleichermaßen.
Die Symptome sind belastend und unangenehm: Es juckt und brennt in der Genitalregion, es schmerzt beim Wasserlassen, beim Stuhlgang oder beim Geschlechtsverkehr. Lichen sclerosus (LS) ist eine chronische, nicht-infektiöse, nicht heilbare chronisch entzündliche Erkrankung der Haut, die bei Männern, Frauen und Kindern vorkommt. Sie kann in jedem Alter auftreten, die Verteilung zwischen den Geschlechtern, Männer zu Frauen, ist nicht sicher zu sagen, Frauen sind aber deutlich häufiger betroffen. Über die Ursachen gibt es noch keine Klarheit und auch die Verbreitung lässt sich nur schätzen. Expertinnen und Experten betonen, dass Lichen sclerosus nicht selten sei, oft aber nicht erkannt werde. Die vermutete Prävalenz variiert zwischen 0,1% und 3% bei Kindern bzw. postmenopausalen Frauen. „Lichen sclerosus ist bei Medizinerinnen und Medizinern zu wenig bekannt. Daher ist die Therapie häufig mangelhaft“, kritisiert Dr. med. habil. Gudula Kirtschig, Dermatologin am Medbase Gesundheitszentrum Frauenfeld (Schweiz). Um Fachleute und auch Laien umfassend über das Krankheitsbild, Komorbidität, Diagnostik, Therapie und Nachsorge zu informieren, ist nun die aktuelle europäische Leitlinie zu LS für Deutschland angepasst worden. „Früherkennung und Therapie sind das A und O. Zudem muss konsequent behandelt werden, denn Folgeschäden können für die betroffenen Menschen massiv sein“, erklärt Kirtschig, die federführend sowohl an der europäischen als auch der deutschen Leitlinie beteiligt war. Zu den möglichen Komplikationen gehören sexuelle Dysfunktion und auch die Entwicklung anogenitaler Karzinome. Vor allem auch die psychische Komponente ist nicht zu unterschätzen. „Ängste und psychische Erkrankungen, depressive Phasen, der Verlust des Selbstwertgefühls – diese Begleiterscheinungen dürfen nicht übersehen werden“, sagt Kirtschig.
LS führt zu veränderten Schamlippen und kann Scheideneingang verengen
LS macht sich anfangs durch unangenehme Beschwerden wie Juckreiz oder Brennen bemerkbar, es treten Rötungen und feine Risse auf und die kleinen Schamlippen verändern sich. Später entstehen elfenbeinfarbene, ovale und scharf umschriebene Papeln und Plaques der Haut im Anogenitalbereich. Die Haut wird dünner (Atrophie) und verletzlicher, im Verlauf bildet sich Narbengewebe. Häufig treten Probleme beim Wasserlassen, Störungen bei der Stuhlentleerung und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie) auf. Die Folge der Erkrankung ist bei Frauen möglicherweise eine Verengung des Scheideneinganges, was beim Geschlechtsverkehr Schmerzen und Einrisse verursacht oder ihn sogar unmöglich macht. Juckreiz und ein brennendes Gefühl gehört bei Frauen zum Leitsymptom, Männern klagen eher über Schmerzen und eine Vorhautverengung mit sexueller Dysfunktion.
Frühzeitige Therapie mit Kortison auf der äußeren Genitalhaut ist essenziell
„Mit der Behandlung können wir das Fortschreiten der Krankheit stoppen und Beschwerden lindern. Allerdings soll diese möglichst früh einsetzen, um Folgen wie Vernarbungen, die Entstehung von Karzinomen aufgrund der chronischen Entzündung und Einbußen der Lebensqualität zu verhindern“, sagt Prof. Dr. med. Linn Wölber, Koordinatorin der Leitlinie und Leiterin des Dysplasiezentrums Hamburg am Krankenhaus Jerusalem und am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Zentral bleibt eine frühzeitige Therapie mit potenten lokalen Glukokortikoiden der Klasse III oder IV. Dabei empfehlen die Expertinnen und Experten der Leitliniengruppe Glukokortikoide in Salben- anstelle von Cremes- oder Lotions-Grundlage. „Das Wort Kortison ruft noch immer bei vielen Menschen Ängste hervor. Diese sind aber bei lokaler Anwendung im Bereich der äußeren Genitalhaut aufgrund der begrenzten Fläche unbegründet“, sagt Wölber.
Entfernung der Vorhaut als Therapieoption für Jungen und Männer
Aufgrund ihrer nachgewiesenen Wirksamkeit und Sicherheit werden topische Glukokortikoide der Klasse III oder IV wie Clobetasolpropionat 0,05% oder Mometasonfuroat 0,1% Salbe (oder Creme) als bevorzugte Behandlung empfohlen, sowohl bei akuten Schüben als auch in der Erhaltungstherapie. Sie bewirken in der Regel eine rasche Verbesserung der subjektiven Symptome und klinischen Zeichen. Zudem können Emollientien (feuchtigkeitsspendende und hautpflegende Substanzen) nach einer initialen Behandlung mit topischen Glukokortikoiden bei LS eine zusätzliche Linderung der Symptome bewirken. „Wir empfehlen unseren Patientinnen und Patienten mindestens zweimal täglich Emollientien aufzutragen, um die Hautbarriere zu stärken“, ergänzt Kirtschig. Wenn der therapeutische Effekt bei Jungen und Männern nicht überzeugt, sollte – so die Empfehlung in der Leitlinie – eine vollständige Zirkumzision (Entfernung der Vorhaut) erfolgen.
Schulung der Betroffenen kann Therapietreue verbessern
Ein ebenfalls in der Leitlinie akzentuiertes Thema ist die Patientinnen- und Patientenschulung, die mit einer ausführlichen Informationsvermittlung (bei betroffenen Kindern auch der Eltern) einhergehen soll. „Eine umfassende Aufklärung zur Anatomie und zum klinischen Erscheinungsbild des LS ist wichtig. Die Patientin oder der Patient soll unterstützt werden, mit ihrer oder seiner Erkrankung konstruktiv umzugehen. Dazu gehört auch, den Krankheitsverlauf selbst zu beobachten. Das kann die Therapietreue immens verbessern“, ist sich Kirtschig sicher.
Für optimale Behandlung sind fachübergreifende Teams notwendig
„Die Leitlinie zu Lichen sclerosus fördert die interdisziplinäre Zusammenarbeit“, sagt Prof. Dr. med. Silke Hofmann, Direktorin des Zentrums für Dermatologie, Allergologie und Dermatochirurgie, HELIOS Universitätsklinikum Wuppertal und Beauftragte für die Öffentlichkeitsarbeit der DDG. „Für die Behandlung des LS bräuchte es idealerweise interdisziplinäre Teams oder LS-Zentren mit fachübergreifenden Teams“, sagt Hofmann. Nach dem Vorbild interdisziplinärer Kliniken in den Niederlanden, Dänemark oder dem Vereinigten Königreich sollten auch in Deutschland Spezialistinnen und Spezialisten aus Dermatologie, Gynäkologie, Urologie, Kinderchirurgie, Physiotherapie, Psychotherapie und Sexualtherapie zusammenarbeiten.
Zu der Leitlinie von DDG und DGGG, an deren Zustandekommen zahlreiche weitere Fachgesellschaften und Organisationen beteiligt waren, gibt es eine Implementierungshilfein Form eines Vortragsfoliensatzes, der ausdrücklich für die ärztliche Weiterbildung genutzt werden darf.
Tipps für Patientinnen und Patienten
- Seife oder andere reizende lokale Anwendungen vermeiden
- Tägliche, lebenslange Basispflege (2-mal pro Tag eine fetthaltige, parfümfreie Salbe)
- Zustimmen, dass Befund und Verlauf von Arzt oder Ärztin mit Fotos dokumentiert werden für Verlaufskontrollen
- Kratzen unbedingt unterlassen, da sich sonst die Symptomatik erheblich verschlimmern kann
- Auf enge Kleidung verzichten
- Baumwoll- oder Seidenwäsche bevorzugen
- Bei Sport wie Reiten oder Fahrradfahren auf geeigneten Sattel und eine angepasste Sitzposition achten
- Den Austausch mit anderen suchen (Patientenorganisationen)
Implementierungshilfe: Vortagsfolien
Literatur:
Kirtschig G et al., 2023. Guideline on lichen sclerosus
Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Dermatologische Gesellschaft (DDG)
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