Ein wichtiger Tag in der Digital-Historie des deutschen Gesundheitssystems: Alle Dermatologinnen und Dermatologen sind jetzt zur Nutzung der Elektronischen Patientenakte (ePA) gesetzlich verpflichtet. Ab sofort müssen sie bestimmte Daten in die elektronische Akte einstellen.
Obligatorisch muss der Dermatologe Befundberichte aus invasiven oder chirurgischen sowie aus nichtinvasiven oder konservativen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen sowie Befunddaten aus bildgebender Diagnostik, Laborbefunde und eArztbriefe in die Akte einpflegen. Fakultativ können – auf Wunsch der Patienten – Daten aus strukturierten Behandlungsprogrammen (DMP), elektronische Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen sowie Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen eingestellt werden.
Die aktuellen ePA-Zahlen auf einen Blick
Nach müdem Start haben Popularität und Nutzung der ePA in den vergangenen Monaten zugelegt. Im Arzt-Patienten-Gespräch ist die ePA bislang aber nur selten ein Thema. Das zeigt eine neue Befragung des Marktforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Siemens Betriebskrankenkasse. An der Befragung nahmen 2.050 Personen teil. Danach gaben 88 % der Befragten an, schon einmal von der digitalen Akte gehört zu haben. 21 % der Befragten nutzen die ePA bereits jetzt aktiv oder planen dies zukünftig. Rund 5 % der Versicherten haben Widerspruch eingelegt.
Aktuelle Zahlen der Gematik besagen, dass knapp 46.000 von 160.000 medizinischen Einrichtungen mit der ePA arbeiten. So gab es seit dem Start der bundesweiten ePA-Einführung zu Spitzenzeiten täglich etwa sechs Millionen Zugriffe auf die ePA in medizinischen Einrichtungen. Insgesamt wurden zum Beispiel im Mai etwa 50 Millionen Patientenakten in medizinischen Einrichtungen geöffnet. Zum 22. Mai standen bereits etwa 600.000 Dokumente in den Patientenakten. Auch die Nutzung der in der ePA integrierten elektronischen Medikationsliste (eML) steigt: Auf etwa 1,5 Millionen Medikationslisten wurde im Mai bereits täglich zugegriffen. Seit Januar 2025 haben etwa 70 Millionen der gut 74 Millionen gesetzlich Versicherten in Deutschland eine ePA von ihrer Krankenkasse erhalten.
KBV-Vorstandsmitglied Steiner sieht Praxen als „Vorreiter bei der ePA“
„Die Praxen sind gut vorbereitet und nutzen bereits die elektronische Patientenakte, auch wenn es an einigen Stellen noch hakt und auch die Telematikinfrastruktur nicht stabil läuft“, sagte KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner. Wie schon bei anderen digitalen Anwendungen seien die Niedergelassenen dennoch Vorreiter. Dies zeigten neben den Zugriffszahlen der gematik auch die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage der KBV, an der sich über 5.000 Ärzte und Psychotherapeuten beteiligten. Anfang September nutzten danach schon mehr als 60 % der Praxen die ePA – Tendenz steigend. Die Praxen erkennen Vorteile, kritisieren aber auch technische Probleme. „Technische Probleme führen dazu, dass der Zugriff auf die ePA nicht möglich ist, das Hochladen von Dokumenten teilweise zu lange dauert oder manchmal auch gar nicht klappt“, fuhr Steiner fort. Zum Nutzen befragt, sagte sie: „Während aktuell nicht selten Dokumente aus vorangegangenen Behandlungen fehlen oder die Patienten einen Stapel alter Befunde in die Praxis mitbringen, stehen medizinische Dokumente bald digital in der ePA zur Verfügung.“ Dies könne die Anamnese, Befunderhebung und Behandlung unterstützen.
Jede zweite raxis, die die elektronische Patientenakte bereits nutzt, sieht dies laut Umfrage als Vorteil. Den größten Nutzen hat für die meisten derzeit aber die Medikationsliste. Anhand der Liste könnten Ärzte sofort sehen, welche Arzneimittel ein Patient bereits erhalten hat, erläuterte Steiner. Besonders geschätzt werde dies im Vertretungsfall und bei neuen Patienten. Die Liste enthält alle Arzneimittel, die Ärzte ihren Patienten nach Anlegen der Akte per eRezept verordnen und die von der Apotheke abgegeben werden. Die Verordnungs- und Dispensierdaten fließen dabei automatisch vom eRezept-Server, auf dem die Rezepte liegen, in die ePA des Patienten ein. Ein Manko: Die Medikationsliste enthält keine Betäubungsmittel wie starke Schmerzmittel, die noch nicht elektronisch verordnet werden können. „Hier bedarf es einer schnellen Lösung“, bemerkte Steiner. Dies sei aus medizinischer Sicht dringend notwendig.
Qualität der ePA-Module unterschiedlich
Zur technischen Umsetzung der ePA in den Praxisverwaltungssystemen (PVS) liegen der KBV auch nach der Befragung ganz unterschiedliche Rückmeldungen aus den Praxen vor. Rund 40 % der Ärzte sind mit ihrem ePA-Modul sehr zufrieden oder zufrieden, ebenso viele allerdings auch nicht. 20 % der Umfrageteilnehmer haben die Software weder gelobt noch kritisiert. Steiner empfiehlt Praxen, bei denen die ePA noch nicht optimal läuft, Feedback an Hersteller und gematik zu geben, damit notwendige Verbesserungen zeitnah erfolgen. Kritisch sieht Steiner, dass kurz vor der verpflichtenden Nutzung der ePA noch immer nicht alle PVS-Hersteller den Praxen ein ePA-Modul bereitgestellt hätten. „Diese Praxen können die ePA schlichtweg nicht nutzen und dürfen deshalb auch nicht mit Sanktionen bestraft werden.“
Größtes Problem ist die mangelnde Stabilität der TI
Grundvoraussetzung für die Nutzung der ePA sei eine stabile und zuverlässige Telematikinfrastruktur (TI), die nach wie vor nicht geschaffen sei. An die gematik gerichtet sagte sie: „Für die ePA und andere Anwendungen wie das eRezept ist eine mindestens 99-prozentige Verfügbarkeit der TI notwendig. Alles andere gefährdet das Vertrauen und die Akzeptanz und kostet Zeit, die für die Patientenversorgung fehlt.“ In der Umfrage berichteten fast drei Viertel der Praxen, dass sie im letzten Monat technische Probleme gehabt hätten. In den meisten Fällen konnten sie nicht auf die ePA zugreifen oder Dokumente hochladen. Neben einer stabilen und zuverlässigen TI müsse die ePA nun zügig weiterentwickelt werden, forderte Steiner. Dazu zählten Funktionen wie die Volltextsuche und die Verwendung von strukturierten Daten. Ganz oben auf der Liste der Inhalte, von denen sich Praxen großen Mehrwert erhofften, stehe der Krankenhaus-Entlassbrief, sagte sie. Die Krankenhäuser seien zwar genauso wie die Praxen zur Nutzung der ePA seit 1. Oktober gesetzlich verpflichtet, allerdings seien die wenigsten schon so weit. Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft sind dies lediglich 9 %.
Bundesärztekammer weist auf Probleme in Krankenhäusern hin
Zum Start der ePA erklärte Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt am Montag: „Die ePA bietet die große Chance, die Patientensicherheit zu stärken und die Behandlungsqualität weiter zu verbessern. Sie entfaltet ihren vollen Nutzen aber nur, wenn sie vollständig und aktuell ist. Mit jedem Eintrag wächst ihr Wert: Behandlungen lassen sich besser koordinieren, Risiken schneller erkennen und Doppeluntersuchungen vermeiden. Umso wichtiger ist es, dass alle Ärztinnen und Ärzte die ePA konsequent nutzen und mit relevanten Informationen füllen. Das gilt gleichermaßen für die Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern. Dort ist die Umstellung der komplexen Softwaresysteme jedoch deutlich aufwendiger als in den Praxen, sodass viele Häuser die ePA zum Starttermin voraussichtlich noch nicht einsetzen können.“
Franz-Günter Runkel, Chefreporter für Berufs- und Gesundheitspolitik
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