Adipositas betrifft in Deutschland über die Hälfte der Erwachsenen und stellt eine ernste gesundheitliche und gesellschaftliche Herausforderung dar. Auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin stellten am Eröffnungstag drei Expertinnen in Wiesbaden unterschiedliche Therapieansätze bei Adipositas vor.
Adipositas bringt zahlreiche Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf- und Lungenerkrankungen sowie psychische Belastungen und soziale Einschränkungen mit sich. Svenja Meyhöfer aus Lübeck stellte einen multimodalen Therapieansatz mit den Elementen Ernährung, Bewegung und Verhaltensänderung vor, der sich auch in der aktuellen S3-Leitlinie wiederfindet. Diese Maßnahmen reichen jedoch oft nicht aus: „Der durchschnittliche Gewichtsverlust liegt bei drei bis acht Prozent, obwohl gesundheitlich relevante Effekte meist erst ab fünf bis zehn Prozent auftreten“, erklärte sie. „Medikamentöse Therapien, insbesondere GLP-1-Rezeptoragonisten wie Semaglutid oder Tirzepatid, ermöglichen deutlich stärkere Gewichtsreduktionen“, fuhr Meyhöfer fort. Studien zeigten unter Semaglutid eine mittlere Reduktion von 17 %, in Einzelfällen über 20 % sowie eine signifikante Senkung kardiovaskulärer Risiken, unabhängig vom Gewichtsverlust. Tirzepatid erreichte in Studien sogar durchschnittlich eine Reduktion um 21 %.
Sarkopene Adipositas
Kristina Norman, Nuthetal, lenkte den Fokus auf die sarkopene Adipositas – eine Kombination aus übermäßiger Fettmasse und verminderter Muskelmasse, die mit einer besonders schlechten Prognose einhergeht. „Betroffene leiden unter verminderter körperlicher Leistungsfähigkeit, einem höheren Risiko für Stürze, Gebrechlichkeit und metabolische Erkrankungen“, erläuterte Norman. Diagnostisch sei diese Form schwierig zu erfassen, da geeignete Methoden zur genauen Messung der Muskelmasse begrenzt seien. Als therapeutische Maßnahme gelte Krafttraining in Kombination mit ausreichender Proteinzufuhr als Goldstandard. Gewichtsverlust sollte bei sarkopener Adipositas vorsichtig und zielgerichtet erfolgen, um weiteren Muskelabbau zu vermeiden. „Kombinierte Interventionen zeigen jedoch, dass auch bei älteren Patienten durch gezieltes Training und moderate Gewichtsreduktion Kraft und Mobilität verbessert werden können“, zeigte sich die Expertin zuversichtlich. Für medikamentöse Therapien wie GLP-1-Analoga gäbe es dagegen noch wenig Daten hinsichtlich ihres Einflusses auf Muskelmasse und -funktion bei dieser Patientengruppe.
Bariatrische Chirurgie
In einem weiteren Vortrag berichtete Andrea Schenk aus Lübeck über die aktuelle Lage der bariatrischen Chirurgie. In Deutschland erfolge die Operationsindikation meist spät – im internationalen Vergleich häufig erst bei deutlich höherem BMI. „Laut Leitlinie ist eine Operation ab einem BMI von 35 mit Komorbiditäten oder ab 40 indiziert, primär ab 50“, so Schenk. Die am häufigsten durchgeführte Methode sei die laparoskopische Sleeve-Gastrektomie. Sie biete Vorteile hinsichtlich der endoskopischen Nachsorge.
Neben dem Gewichtsverlust habe die Operation weitere positive Effekte: „Sie reduziert Begleiterkrankungen wie Diabetes und Schlafapnoe, senkt das kardiovaskuläre Risiko und sogar die Inzidenz und Mortalität bestimmter Krebserkrankungen. Auch die Lebensqualität steigt langfristig signifikant“, führte Schenk aus. Nach massiver Gewichtsreduktion wünschten sich viele Betroffene plastisch-chirurgische Korrekturen, die laut Studien auch das psychische Wohlbefinden und den Therapieerfolg stabilisieren können. Essenziell sei die Nachsorge nach bariatrischer Chirurgie und dabei besonders die Kontrolle von Eisen- und Folsäurewerten. Schenk: „Empfohlen wird eine lebenslange Nachsorge, die jedoch in der Praxis häufig auf wenige Jahre begrenzt ist.“
Quelle: 131. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, Sitzung Adipositas
Autorin: Sonja Buske
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