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Varikose – Chancen für die Hausarztpraxis

Paar barfuß am Strand

Varikose – Chancen für die Hausarztpraxis

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Erschienen in: Der Allgemeinarzt

Krampfadern an den Beinen können Menschen bereits bei kleinsten Anzeichen sehr beunruhigen oder folgenreiche Ausmaße erreichen, ohne dass der Patient deswegen zum Arzt geht. Auf der anderen Seite stehen Erstversorger:innen oft unvorbereitet da, wenn die Patient:innen mit der Bitte um Rat kommen.

Heute steht der ehrliche medizinische Rat oft im Konflikt mit dem „Setting“ – wir sind gezwungen unsere Praxen als Unternehmer zu führen, und zwar nicht nur in der Hausarzt-, sondern auch in der Facharztpraxis. Leider führt das bei Disziplinen, die durch Therapie mehr umsetzen als durch die Beratung, oft zur Über-Therapie. Bei den Hausärzten kommt auch noch das Gefühl dazu, dass sie sich um „noch etwas kümmern“ müssen, wofür es eigentlich Fachärzte gibt und Allgemeinärzte keinen Mehrwert erfahren.
Das ist jedoch nur teilweise korrekt. Zum einen sollten der finanzielle und der zeitliche Druck nicht davon ablenken, dass die Hausarztpraxis der Ort ist, wo Patienten vertrauen dürfen, dass sie beraten werden. Zum anderen bietet die Phlebologie einige Möglichkeiten, nach Fortbildung die Patienten gut zu versorgen und dabei sinnvoll IGeL-Angebote einzusetzen. Ihre Patienten werden es Ihnen danken. Daher ist es immer wieder wichtig, sich vor Augen zu führen, wann welche Therapie wirklich nötig ist. Immer vor dem Hintergrund, dass wir in Deutschland (noch) leichte Fälle zu Lasten der Krankenkassen behandeln dürfen.


Was muss ich in der 
Hausarztpraxis wissen?

90 % der Erwachsenenbevölkerung sind von Venenerkrankungen betroffen.
Nur 15 % der Erwachsenenbevölkerung benötigen (kurzfristig) fachärztliche Therapie.
Durch Anamnese, Befund und ggf. „Basic“-­Ultraschall können Sie den Patienten fundiert beruhigen oder weiterleiten – und das als willkommene IGeL-Leistung zur Entlastung des Zeitbudgets Ihres Patienten.
Bei akuten Schmerzen können Sie vor Ort den Thrombose-Ausschluss als IGeL-Leistung anbieten.
Informationen im Einzelnen:
Die Varikose und die Folgen der Thrombose in all ihren Ausprägungen von Besenreisern bis offenes Bein betreffen 90 % der Erwachsenenbevölkerung. Gleichzeitig vorliegende Beschwerden können vertebragen (Kribbeln, auch im Liegen, Taubheitsgefühl und längs-ausstrahlend) oder Gelenk-bedingt sein (Knie/Knöchel/Hüft-Schmerzen). Sieht der Patient gleichzeitig in der Schmerz-Region Besenreiser, ist er überzeugt, dass diese die Ursache für die Schmerzen sind. Das füllt unnötigerweise Facharztpraxen und vermeidet, dass Sie für Ihre Patienten einen schnellen Termin bekommen, wenn er wirklich sinnvoll ist, und es verschleppt die Therapie orthopädischer Erkrankungen. „Nur“ 15 % der Erwachsenenbevölkerung haben eine Varikose, die fachärztlich versorgt werden muss (weiterführende Diagnostik, ggf. invasive Therapie). Wichtig ist es, beim Patienten in der Hausarztpraxis Komplikationen bzw. drohende Komplikationen zu erkennen und den Patienten gezielt weiterzuleiten.


Komplikationen der Varikose

Der Grund, eine Erkrankung zu behandeln, ist das Vorbeugen von Komplikationen oder der Einschränkung der Lebensqualität, ebenso das Vermeiden von irreversiblen Schäden. Eindeutig sollten die Patienten mit Folgeerscheinungen der Krankheit weitergeleitet werden, bei Komplikationen sollte sofort gehandelt und dann vorgestellt werden. Wir sprechen hier von:
dem Auftreten von venös bedingten Ödemen,
der Progression zur Hautveränderung, der so genannten Dermato-Lipo-Sklerose (Rötung, Ekzem, Verhärtung) und
der Entstehung eines Ulcus cruris, dem „offenen Bein“,
der Vorbeugung einer Krampfaderblutung: Diese sind selten, können aber fatal sein – ein Blick auf das Bein zeigt eindeutig die sehr dünnwandigen Venen, die bei antikoagulierten Patienten durch Kratzen aufplatzen können.

Jeder dieser Patient:innen kann aber auf dem Weg zum Facharzt schon einmal mit der budgetfreien Therapie „Kompressionskniestrümpfe“ versorgt werden.


Die Thrombose


Diese Erkrankung ist mit viel Angst belegt – kein Wunder, man kann an der Komplikation akut sterben. Allerdings wird sie oft unter- oder überbewertet. Daher ist die Möglichkeit zur Akut­diagnostik einer oberflächlichen oder tiefen Venenthrombose, um diese zu erkennen oder auszuschließen Gold wert – auch wörtlich für die Patienten. Der Start der Therapie mit Kompression und Antikoagulation und die kurzfristige Vorstellung beim Facharzt geben Ihnen und Ihren Patienten ein sehr gutes Gefühl. Zudem handelt es sich um ein sehr legitimes IGeL-Angebot.
Warum auch das noch 
in der Hausarztpraxis?
Genauso wie Sie die prävalenten Erkrankungen arterielle Hypertonie und Diabetes mellitus versorgen, bietet die noch prävalentere Erkrankung Varikose Ihnen die Möglichkeit, sinnvolle und zusätzliche Umsätze zu generieren.
Als Hausarzt mit Facharztbezeichnung Innere Medizin oder Chirurgie können Sie bei jedem Patienten, bei dem Sie die Licht-Reflektionsrheographie oder den arteriellen oder venösen Doppler durchgeführt haben (beides delegierbare Leistungen mit anschließender Beratung durch Sie), einmal im Quartal den phlebologischen Basiskomplex abrechnen (circa 17 Euro)
Die Chronische Venöse Insuffizienz (CVI) ist eine chronische Erkrankung, bei der Sie die Chroniker-Ziffern abrechnen können.
Richten Sie eine phlebologische Sprechstunde ein und IGeLn für die Duplex-Sonografie zwischen 50 und 80 Euro.


Wichtiger Hinweis: Kompressionsstrümpfe unterliegen keiner Budgetierung! Die Kompression ist als Therapie alleine – wenn sie konsequent und in ausreichender Länge und Klasse getragen wird – immer eine Alternative bei allen Ausprägungen der Varikose. Viele Patienten wählen diese Therapie tatsächlich und halten sie sehr konsequent viele Jahre durch. Gute Sanitätsgeschäfte oder Apotheken als Partner auf diesem Weg sind von herausragender Bedeutung, denn die Compliance der Therapie hängt vom Tragekomfort des Strumpfs ab. Dazu gehören die korrekte Vermessung, Anleitung zum Anlegen und Beratung zum Material. Meiner Ansicht nach ist der Kniestrumpf in den meisten Fällen deswegen sinnvoller, weil die längeren Varianten gerne rutschen und unangenehme Furchen in den Kniekehlen bilden. Dies geschieht besonders häufig bei Männern, die eher keine Strumpfhosen wählen und bei denen der Haftrand am Oberschenkel wegen der vorhandenen Behaarung problematisch ist. Auch die Leitlinie Thrombose hat nun in aller Deutlichkeit auf knielange Kompression als optimale Lösung hingewiesen.


Zusammenfassung

Die venöse Insuffizienz in ihren sehr unterschiedlichen Ausprägungen ist eine sehr prävalente Erkrankung – nur circa 10 % der Erwachsenen sind davon nicht betroffen. Bei immerhin 15 % der Bevölkerung liegen Komplikationen von Krampfadern wie Ödeme, Hautveränderungen bis hin zur Ulceration der Haut am Knöchel vor. Diese Progression geschieht jedoch langsam und die Therapie kann daher immer in Ruhe bedacht werden. Als Hausärzt:innen sind Sie der erste Ansprechpartner für Patient:innen und können ihnen viel Angst, Wartezeit und Übertherapie ersparen, wenn Sie informiert mit Kompression beginnen. Dabei bietet das Feld auch gute Optionen für extra-budgetären Zugewinn.

Wo kann ich mich weiterbilden?
Es gibt mehrere Möglichkeiten, sich auf dem Gebiet weiterzubilden. ­Strukturiert bietet die Deutsche Gesellschaft für Phlebologie ein Fortbildungszertifikat an, das curriculär angelegt ist (1 Basisworkshop zur Einführung und 2 Hands-on Workshops sowie 60 phlebologische Fortbildungspunkte in den letzten 3 Jahren plus Colloquium unter www.phlebology.de/aerzte/wissen/
fortbildungen/). Der nächste Basisworkshop findet im Herbst statt (Anmeldung unter www.arrien-gmbh.de/basisworkshop-phlebologie). Natürlich ­können Sie sich durch Hospitationen oder Fortbildungen Ihrer Wahl auch in das Thema einarbeiten.
Als Unterstützung für die Sprechstunde hat die Deutsche Gesellschaft für Phlebologie und Lymphologie eine Patientenbroschüre herausgegeben („Kribbeln, Schmerz und Taubheitsgefühl in den Beinen“), die sowohl im Download als auch als Heft den Patienten zur Verfügung gestellt werden kann
 (https://www.phlebology.de/aerzte/service/patientenbroschueren/).

Autorin: Dr. med. 
Erika Mendoza, Fachärztin für Allgemeinmedizi­n, Venenpraxis in Wunstorf und Dozentin für 
Phlebologie, Wunstorf

Bildquelle:© New Africa – stock.adobe.com

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