Sowohl im ambulanten als auch im stationären Setting wird das Thyroidea-stimulierende-Hormon (TSH) häufig bestimmt. Dabei geht es beispielsweise um die Abklärung, ob vorgetragene Symptome, wie Müdigkeit, ungewollte Gewichtszunahmen, Haarausfall et cetera, durch eine Schilddrüsenfunktionsstörung bedingt sind. Allerdings wird dieser Wert auch im Rahmen von Routinen, wie der Gesundheitsuntersuchung, zusätzlich zu den vorgeschriebenen Laborparametern „einfach mal so“ mitbestimmt.
Über die Sinnhaftigkeit und die Notwendigkeit der TSH-Bestimmung in der Hausarztpraxis gibt uns die Leitlinie „TSH-Erhöhung in der Hausarztpraxis“1 der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM) wichtig Hinweise.
Unter anderem möchte diese Leitlinie uns hausärztlich tätige Ärztinnen und Ärzte sensibilisieren, erhöhte TSH-Werte kritisch zu bewerten und eine Übertherapie zu vermeiden. Dazu wurden neue Empfehlungen zur Definition altersabhängiger Normwerte eingepflegt.2 (Tab. 1).
Dabei wird explizit empfohlen, bei asymptomatischen Erwachsenen und bei Frauen mit Kinderwunsch oder Schwangerschaft ohne bekannte Schilddrüsenerkrankung kein TSH-Screening durchzuführen2.
Das Management einer TSH-Erhöhung bei Schwangeren und Frauen mit Kinderwunsch in der hausärztlichen Praxis wird in einem separaten Artikel behandelt.
Anamnese
Wenn Patientinnen oder Patienten über Symptome berichten, die uns an eine Schilddrüsenunterfunktion denken lassen, sollten diese nach Faktoren mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für eine Hypothyreose befragt werden3 (Tab. 2). Bei allen Patientinnen und Patienten sollte –in Abhängigkeit von den geschilderten Beschwerden – eine symptomorientierte körperliche Untersuchung erfolgen, um weitere differentialdiagnostische Überlegungen/Krankheitsbilder abzuklären/auszuschließen.
Labordiagnostik
Bei einer Blutentnahme (BE) sollte daran gedacht werden, dass es Faktoren gibt, die den TSH-Wert beeinflussen können. So beispielsweise die Nahrungsaufnahme und der Zeitpunkt der BE. Im Vergleich zu einer morgendlichen, nüchternen BE führt eine spätere BE und eine BE nach einem Frühstück zu etwa 30% niedrigeren TSH-Werten4.
Auch die Medikamentenanamnese kann von Bedeutung sein: Hochdosierte Azetylsalizylsäure (4 x 1000 mg/d), Heparin, Glukokortikoide und Biotin beeinflussen ebenfalls den TSH-Wert – sie führen zu einer Erniedrigung des TSH-Spiegels. Ein Krankenhausaufenthalt hingegen kann durch eine vorübergehende Stoffwechselumstellung in der Phase der Rekonvaleszenz zu einer TSH-Erhöhung führen.
Weitere Diagnostik
Wurde nun ein erhöhter TSH-Wert festgestellt, ergeben sich je nach TSH-Wert (≤/>10 mU/l) und den anamnestischen Angaben unterschiedliche Empfehlungen für die weitere Diagnostik.
TSH-Wert über dem Referenzwert und ≤ 10 mU/l) und unauffällige Anamnese: Hier sollte eine Wiederholungsmessung des TSH-Wertes erfolgen. Ist dieser im Referenzbereich, ist zunächst keine weitere Diagnostik notwendig. Sollte der Wert weiterhin erhöht sein, wird eine einmalige Bestimmung des fT4-Wertes zur Differenzierung einer latenten respektive manifesten Hypothyreose empfohlen.
TSH-Wert > 10,0 mU/l: Neben einer Wiederholungsmessung des TSH-Wertes sollte auch der fT4-Wert bestimmt werden.
TSH-Wert über dem Referenzwert und auffällige Anamnese: Bei dieser Konstellation sollte direkt eine Bestimmung des fT4-Wertes veranlasst werden.
TPO-Antikörper (TPO-AK)
Bei einer latenten Hypothyreose kann eine einmalige Bestimmung der TPO-AK erfolgen, da bei Vorliegen einer Hashimoto-Thyreoiditis das Risiko leicht erhöht ist, dass sich eine manifeste Hypothyreose entwickelt5. Bei der Entscheidung, ob eine Bestimmung sinnvoll ist, sollte auch bedacht werden, dass dies zu einer Verängstigung beziehungsweise Pathologisierung der Patienten führen kann, andere Patienten hingegen durch die Kenntnis profitieren.
Eine erneute Bestimmung der TPO-AK, die sogenannte „Verlaufskontrolle“, hat keine Auswirkung auf eine therapeutische Entscheidung und sollte nicht erfolgen. Wurde eine manifeste Hypothyreose diagnostiziert, so hat auch hier die Bestimmung der TPO-AK keine Auswirkung auf die hausärztliche Entscheidung.
Sonographie
Da eine routinemäßige Sonographie der Schilddrüse bei Patienten mit TSH-Erhöhung keine Auswirkung auf eine Therapieentscheidung hat, sollte diese bei unauffälliger körperlicher Untersuchung nicht erfolgen6.
Therapie
Nach Diagnostik einer TSH-Erhöhung sollte, unter Würdigung möglicher Folgeerkrankungen, Wechsel- und Nebenwirkungen, mit den Patienten partizipativ eine Entscheidung über die Einleitung respektive Durchführung einer Therapie gesprochen werden. Liegt eine manifeste Hypothyreose vor, sollte eine Therapie immer erfolgen7.
Zur Substitution bei einer latenten Hypothyreose, die kontrovers diskutiert wird, gibt die Leitlinie folgende, individuell zu entscheidende Empfehlungen7: Da bestimmte Lebensmittel wie beispielsweise Milch und Milchprodukte sowie Nahrungsergänzungsmittel mit L-Thyroxin interagieren, sollte gemeinsam mit den Patienten überlegt werden, ob diese eine Einnahme auf nüchternen Magen und mindestens im Abstand von 30 Minuten zu einer Nahrungsaufnahme, anderen Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln, oder eine abendliche Einnahme von dem Zubettgehen bevorzugen8.
Asymptomatische Patienten mit leichter TSH-Erhöhung (≤ 10 mU/l) sollten nicht substituiert werden.
Patienten ≤ 75 Jahre und einem TSH-Wert > 10 mU/l -> Einleitung einer Therapie. Hier kann, je nach Klinik, Patientenwunsch und entsprechender Aufklärung bis zu einem TSH-Wert < 20 mU/l auf eine Therapie verzichtet werden. Patienten > 75 Jahre -> hier kann auf eine Substitution bis zu einem TSH-Wert < 20 mU/l verzichtet werden.
Therapeutisch sollte bei einer behandlungsbedürftigen Hypothyreose als Monotherapie Levothyroxin (L-Thyroxin) eingesetzt werden8. Dabei sollte beachtet werden, dass bestimmte Nahrungsmittel, Nahrungsergänzungsmittel und Medikamente die Wirkung des L-Thyroxins beeinflussen:
Selen?
Für den Nutzen einer ergänzenden Seleneinnahme bei Patienten mit Hypothyreose (und Hashimoto-Thyreoiditis) gibt es keine Evidenz9.
Dosierung von L-Thyroxin
Die Therapie mit L-Thyroxin sollte so erfolgen, dass der TSH-Wert im euthyreoten Bereich liegt. Dabei sind die altersspezifischen oberen Referenzwerte und als unterer Referenzwert ein TSH- Wert von 0,4 mU/l zu beachten. Die in der Leitlinie formulierten Empfehlungen zur Initialdosis sind in Tabelle 4 dargestellt10.
Die volle Dosis des Ersatzpräparates kann bei jungen Menschen ohne Komorbiditäten gegeben werden. Bei Menschen > 60 Jahre alt und/oder kardiovaskulären Erkrankungen sollte eine geringere Startdosis gewählt werden und eine Dosis-Anpassung alle vier bis sechs Wochen mit einer Steigerung um 25 μg L-Thyroxin unter Kontrolle des TSH-Wertes erfolgen. Bei Patienten mit Adipositas kann das sogenannte Normalgewicht, also das geschätzte fettfreie Körpergewicht zur Berechnung herangezogen werden11. Aufgrund der Halbwertszeit vom L-Thyroxin (sieben Tage) empfiehlt sich eine Kontrolle des TSH-Wertes sowohl bei der Ersteinstellung als auch bei Änderung der Dosis frühestens nach acht Wochen. Hat sich eine Dosis etabliert, sollte der STH-Wert anfangs alle sechs Monate kontrolliert werden, später reichen Kontrolle einmal jährlich.
Autor: Dr. med. Armin Wunder
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