Bislang war man vorsichtig mit einer Testosterontherapie bei Männern, die zugleich an LUTS (Lower Urinary Tract Symptoms) erkrankt sind. Aktuelle Studien geben jetzt Entwarnung.
Zwei urologische Erkrankungen, die typischerweise mit zunehmendem Alter bei Männern häufiger auftreten, sind zum einen der symptomatische Testosteronmangel (Hypogonadismus) und zum anderen LUTS (Lower Urinary Tract Symptoms) wie häufiger Harndrang, dünner werdender Harnstrahl oder Postmiktions-Nachtröpfeln. Testosteronmangel und LUTS treten also bei älteren Männern häufig gemeinsam auf, und beide Erkrankungen weisen eine Verbindung zur Prostata auf: LUTS werden von einer BPH (mit-)verursacht, und es ist bekannt, dass das Wachstum der Prostata androgenabhängig ist. Aufgrund von Sicherheitsbedenken wurden daher Männer mit schwerem LUTS (International Prostate Symptom Score/IPSS > 19 auf einer Skala von 0 bis 35) bisher von der Teilnahme an klinischen Studien mit Testosteron ausgeschlossen. Deshalb gab es bislang nur wenige Daten zur Auswirkung einer Testosteron-Therapie auf LUTS. Aber das änderte sich kürzlich.
Zwei aktuelle Registerstudien (bis zu 12-jährige Beobachtungszeit) haben jetzt gezeigt, dass eine langfristige Testosterontherapie bei hypogonadalen Männern, die gleichzeitig an LUTS leiden, zu einer kontinuierlichen Verbesserung der LUTS führte. In einer der Studien mit 321 Probanden sank der IPSS unter Therapie signifikant um im Schnitt 10,1 ± 5,0 im Vergleich zu Placebo (5,38 ± 2,17) im letzten Beobachtungsjahr. Das Restharnvolumen verringerte sich durch die Langzeit-Testosterongabe von 23,8 ± 16,2 ml auf 16,7 ± 6,4 ml. Es konnte zudem gezeigt werden, dass bei den Patienten, die Testosteron vorübergehend absetzten, der IPSS und das Restharnvolumen wieder anstiegen und nach Wiederaufnahme der Testosteron-Therapie erneut abfielen.
Testosteron reduziert Prostata-Beschwerden
In einer weiteren Studie mit 1.176 hypogonadalen Männern unter Testosterontherapie wurden die IPSS-Veränderungen untersucht (nach Kategorien evaluiert: IPSS 0–7 = mild; 8–19 = mäßig; 20–35 = schwer). Auch in dieser Auswertung sah man signifikante Unterschiede zwischen den mit Testosteron behandelten und den unbehandelten Männern (Kontrollgruppe): In der Testosteron-Gruppe nahm der LUTS-Schweregrad im Studienverlauf ab, in der Kontrollgruppe nahm er zu. Und mehr noch: Unter den Patienten, die Testosteron erhalten hatten, gab es beim letzten Kontrollbesuch keinen mit schweren LUTS-Beschwerden. Ein weiterer Nebeneffekt: Testosteron-erhaltende Patienten wurden signifikant seltener a-Blocker und 5a-Reduktase-Hemmer verschrieben.
Und das Prostatakrebs-Risiko?
Auch das Prostatakarzinom-Risiko unter einer Testosterontherapie wird immer wieder diskutiert – und auch hier gibt es neue Daten. Die Phase-4-Studie TRAVERSE-Studie untersuchte hypogonadale Männer mit zusätzlichen kardiovaskulären Vorerkrankungen bzw. mit erhöhtem Risiko hierfür. Die Patienten wendeten entweder täglich ein Testosteron-Gel oder Placebo an. Insgesamt wurden nun im Rahmen einer Subgruppenanalyse die Daten von 5.204 Männern ausgewertet. Während der Nachbeobachtungszeit von 33 Monaten war die Inzidenz von hochgradigen Prostatakarzinomen in beiden Gruppen vergleichbar. Auch die Inzidenz von Prostatakarzinomen jeglichen Grades, akutem Harnverhalt, invasiven chirurgischen Eingriffen, Prostatabiopsien und neu angesetzten Prostata-Medikamenten unterschied sich nicht signifikant.
Autor: Dr. med. Christian Bruer
Quelle: Der Allgmeinarzt
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