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Steigendes FSME-Risiko in Deutschland: Zecken, Impfung, Risiko

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Steigendes FSME-Risiko in Deutschland: Zecken, Impfung, Risiko

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Erschienen in: Der Allgemeinarzt

Die gemeldeten Fälle der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) in Deutschland nehmen stetig zu. Als mögliche Gründe werden unter anderem eine Ausweitung der Risikogebiete, der Klimawandel sowie eine mangelnde Durchimpfungsrate diskutiert. Ein Update

Prof. Dr. med. Gerhard Dobler, Leiter Nationales Konsiliarlabor für FSME am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, München, berichtete: „Mehr als 97 Prozent der Vektor-übertragenen Erkrankungen in Deutschland gehen auf Zeckenstiche zurück.“ Stechmücken, die beispielsweise das West-Nil-Virus übertragen, würden epidemiologisch noch keine Rolle spielen. Die wichtigste Virusinfektion im Zusammenhang mit Zeckenstichen ist die FSME. Sie kommt aktuell in Europa und Asien vor, breitet sich aber immer weiter aus. Als Hot-Spots der FMSE gelten zum einen das Baltikum mit Finnland und Teilen Schwedens. Zum anderen ist es Mitteleuropa mit Süddeutschland, der Schweiz, Österreich, Tschechien und der Slowakei. Seit 2016 steigen die Fallzahlen unter anderem in Deutschland deutlich an1. „2024 ist das Jahr mit der zweithöchsten jemals in Deutschland gemeldeten FSME-Fallzahl“, so Dobler. Was sind die Gründe für diesen Anstieg?

Von Risikogebieten bis Zeckenlast

Jedes Jahr aktualisiert das Robert Koch-Institut (RKI) die Liste der FSME-Risikogebiete: 2025 kamen mit den Landkreisen Celle (Niedersachsen) und Elbe-Elster (Brandenburg) sowie dem Stadtkreis Augsburg (Bayern) drei neue Regionen hinzu. Damit zählt nun knapp die Hälfte aller Land- und Stadtkreise in Deutschland als Risikogebiet.

„Ich halte den Begriff des Risikogebiets für nicht sehr passend: Es ist mir ein wichtiges Anliegen darauf hinzuweisen, dass FSME auch in den vom RKI nicht als Risikogebiet ausgewiesenen Landstrichen vorkommt“, verdeutlichte Dobler. So seien bereits in ganz Deutschland autochtone FSME-Fälle aufgetreten. „Untersuchungen von Wildtieren ergaben für Nordrhein-Westfalen, dass bis zu 25 Prozent der erfassten Füchse Antikörper gegen das FSME-Virus aufweisen. Das ist eine vergleichbare Durchseuchung wie im Süden“, meinte der Virologe. Dennoch komme es dort nur selten zu menschlichen Erkrankungsfällen, was sich bislang noch nicht erklären lasse. Doblers Aufruf: Wenn eine entsprechende Symptomatik und Anamnese vorliegen, dann sollte man auch außerhalb von Risikogebieten auf FSME testen.

Die Anstieg der FSME-Fälle in den vergangenen Jahren sei laut Dobler nicht auf die Ausweitung der Risikogebiete zurückzuführen: 80 bis 90 % der gemeldeten Fälle seien in Bayern und Baden-Württemberg aufgetreten. Gleichzeitig gebe es innerhalb dieser Bundesländer auch Regionen, in denen die FSME drastisch zurückgehe, wie beispielsweise in Unterfranken. „Ich halte es nicht für geschickt, von einer Epidemiologie in Deutschland zu sprechen, denn wir sehen sehr diverse Entwicklungen, die es lokal zu betrachten gilt“, erläuterte der Experte. Auch eine diskutierte Zunahme der Aktivitäten im Freien sieht Dobler nicht als möglichen Grund für den Anstieg.

Ein weiterer Erklärungsansatz sieht eine wachsende Zeckenpopulation insgesamt sowie eine größere Anzahl von FSME-Virus-positiven Zecken in der Verantwortung. „Wir beobachten seit 15 Jahren die Nymphenaktivität im FSME-Herd Haselmühl, und der Trend ist gleichbleibend – es gibt nicht mehr Zecken“, berichtete Dobler von seiner Forschungsarbeit. Jedoch verschiebt sich der Aktivitätszeitraum der Zecken: Durch mildere Winter sind die Nymphen im Frühjahr aktiver – genau in dem Zeitraum, in dem hauptsächlich die Übertragung der FSME stattfindet.

Mangelnde Impfrate als Ursache?

Ein weiterer Grund für die Zunahme der FSME in Deutschland könnte mit dem Thema Impfung zusammenhängen: Stecken eventuell eine abnehmende Impfbereitschaft, fehlende Booster-Impfungen oder gar eine Abnahme des Impfschutzes dahinter? Betrachtet man die Entwicklung der Durchimpfungsrate in Österreich im Vergleich zu den FSME-Fallzahlen, zeigt sich eine klare indirekte Korrelation: Je höher die Impfrate der Bevölkerung – in Österreich über 80 % – desto niedriger sind die nachgewiesenen Fallzahlen. „Das ist sicherlich ein Effekt der Impfung“, so Dobler.

Durch moderne Untersuchungsverfahren können heutzutage im Serum FSME-Impfantikörper von Infektionsantikörpern unterschieden werden. Somit kann erstmals epidemiologisch gezeigt werden, wie häufig die FSME-Infektion in der Bevölkerung vorkommt. „Betrachtet man die Antikörper der Population der Ungeimpften, so ergibt sich sowohl für Österreich als auch für Süddeutschland eine Infektionsprävalenz von zehn bis 14 Prozent – ein enormer Anteil“, führte Dobler aus. Mindestens jeder zehnte Ungeimpfte infiziert sich demnach in diesen Regionen innerhalb von zwanzig Jahren mit dem FSME-Virus. Das spiegele sich in dem ansteigenden Trend der humanen FSME-Fälle wider und sei unabhängig von der Durchimpfungsrate, meinte der Experte: „Der Infektionsdruck in der Natur ist im Vergleich zu den vergangenen Jahrzehnten dramatisch höher.“

Symptome und Verlauf der FSME

Bei etwa einem Drittel der mit dem FSME-Virus infizierten Personen kommt es zum Ausbruch der Krankheit, die typischerweise einen biphasischen Verlauf hat. Nach einer Inkubationszeit von drei bis acht Tagen treten in der ersten Phase grippeähnliche Symptome, Fieber und ein erheblich verminderter Allgemeinzustand auf. Nach einem symptomfreien Intervall, das bis zu einer Woche andauern kann, dominieren in der zweiten Phase Organmanifestationen sowie eine ZNS-Symptomatik mit Fieber bis zu 41 Grad Celsius.

„Von denjenigen, die eine ZNS-Symptomatik entwickeln, trägt etwa die Hälfte bleibende neurologisch-psychiatrische Schäden davon“, führte Dobler aus. Bei circa einem Prozent der Betroffenen führt die Erkrankung zum Tod. Die Diagnose stützt sich auf Anamnese und Symptomatik. Die Diagnose-Sicherung erfolgt durch den Nachweis FSME-Virus-spezifischer Antikörper in Serum oder Liquor. Seit Mitte 2022 gehen die Kosten für die Diagnostik nicht mehr zu Lasten des Praxis-Budgets.

Eine kausale Therapie der FSME existiert bislang nicht, sodass lediglich symptomorientiert behandelt werden kann. Daher kommt der Prävention durch Impfung eine entscheidende Rolle zu. Nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) sollten alle Personen geimpft werden, die sich in FSME-Risikogebieten aufhalten oder planen, dorthin zu reisen und in Beruf oder Freizeit zeckenexponiert sind. Als Indikationsimpfung werden die Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen, die Verordnung des Impfstoffs erfolgt über den Sprechstundenbedarf.

Bericht: Martha-Luise Storre

Quelle: Vortrag von Prof. Dr. med. Gerhard Dobler /München: „Die Rückkehr der Infektionskrankheiten – Die Zecke im­ ­Fokus“ im Rahmen der 4. Digitalen Campuswoche vom 11. bis 16. November 2024; virtuell. Veranstalter: MSD

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