Die Weltgesundheitsorganisation definiert das Post-COVID-Syndrom als das Fortbestehen oder die Entwicklung neuer Symptome drei Monate nach einer SARS-CoV-2-Infektion, wobei diese Symptome mindestens zwei Monate lang anhalten, ohne dass es eine andere Erklärung dafür gibt (WHO, 2022). Die Symptome müssen zu relevanten Einschränkungen der Funktionsfähigkeit im Alltag führen.
Während die überwiegende Mehrheit in den ersten vier Wochen nach COVID-19 ausheilen, sind weltweit bis zu 400 Millionen Menschen vom Post-COVID-Syndrom betroffen. Prävalenzschätzungen zum Post-COVID-Syndrom reichen von etwa 5–10 % der Infizierten. Von diesen dürften wiederum ca. 10 % rehabilitationsbedürftig sein. Häufige Symptome sind Fatigue bzw. eine unverhältnismäßige Erschöpfung, Müdigkeit und neurologische Symptome wie Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen. Diese meist sehr einschränkende Symptomatik ist häufig von psychischen Beschwerden wie depressiven Symptomen begleitet. Obwohl es zahlreiche Forschungsanstrengungen zu den Ursachen und Krankheitsmechanismen des Post-COVID-Syndroms gibt, steht noch keine kurative Therapie zur Verfügung, die an den Kausalzusammenhängen ansetzt. Symptomorientierte Behandlungsprogramme haben sich jedoch als hilfreich erwiesen. Auch gibt es deutliche Hinweise darauf, dass das Krankheitsverhalten (emotional und behavioral) bei der Aufrechterhaltung eine entscheidende Rolle spielt.
In Deutschland ist die psychosomatische Rehabilitation ein etabliertes Versorgungsmodell mit einer Kapazität von etwa 150.000 Behandlungsplätzen/Jahr. Es wird meist versucht, diese bestehenden Strukturen zu nutzen und die bereits gut evaluierten Behandlungsprogramme an die spezifischen Bedürfnisse von Post-COVID-Patienten anzupassen. Mittlerweile hat sich das an die individuellen Bedürfnisse von Post-COVID-Patienten angepasste Konzept, wie z. B. die multimodale Post-COVID-Rehabilitation erfolgreich etabliert.
Die Psychosomatik kennt sich vor allem mit kognitiven Beeinträchtigungen im Rahmen von depressiven Störungen, PTBS oder Angststörungen aus. Kognitive Störungen, wie z. B. Einschränkungen in den exekutiven Funktionen, der Aufmerksamkeit und dem Gedächtnis, sind sehr häufige und häufig genannte Symptome im Zusammenhang mit der Post-COVID-Erkrankung. Bei kognitiven Defiziten handelt es sich meist um jene Beeinträchtigungen, die die Arbeitsfähigkeit ernsthaft gefährden und zu langfristigen Arbeitsausfällen oder einer Frühverrentung führen.
Depressive Symptome können ohne offensichtlichen Auslöser (endogen) oder reaktiv als Folge schwerwiegender Lebensereignisse wie einer Herzerkrankung oder einer SARS-CoV-2-Infektion auftreten. Auch können sie als Reaktion auf Veränderungen in Bezug auf Krankheit und Lebensstil aufkommen (z. B. aufgrund von Quarantänemaßnahmen, Verlust des Arbeitsplatzes). Auch weisen einige Forschungsergebnisse auf einen Zusammenhang zwischen Immunaktivierung und Depression hin. Kognitive Defizite können Teil einer neurologischen oder psychischen Erkrankung wie Multiple Sklerose oder Depression sein. In der ICD-11 ist die Konzentrationsschwierigkeit neben den Kernsymptomen depressive Stimmung und Interessenverlust ein diagnostisches Nebensymptom der Depression. Da es sich bei der Post-COVID-Erkrankung sowohl um eine neurologische Erkrankung handelt als auch um eine psychische Herausforderung, könnten depressive und kognitive Symptome bei der Post-COVID-Erkrankung stark miteinander verknüpft sein. Folglich können auch Patientinnen und Patienten mit einer Post-COVID-Erkrankung von einer psychotherapeutischen Behandlung profitieren.
Wirksamkeit von Post-COVID-Rehabilitation auf psychische und kognitive Beschwerden
Kupferschmitt et al. untersuchten, inwiefern depressive Symptome und kognitive Beeinträchtigungen (hier in den Bereichen Alertness, Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis) bei Post-COVID-Patienten und Patientinnen in der psychosomatischen Post-COVID-Rehabilitation vorliegen. Darüber hinaus wurde getestet, ob sich depressive Symptome und kognitive Beeinträchtigungen im Laufe der Rehabilitation (fünf Wochen) verbessern.
Psychische Beschwerden
In einer Studie von Kupferschmitt et al. zum therapeutischen Effekt der psychosomatischen Post-COVID-Rehabilitation auf depressive Symptome und kognitive Defizite berichteten Post-COVID Patienten und Patientinnen bei Reha-Beginn in klinisch relevantem Ausmaß depressive Symptome; bei 31 % der Post-COVID-Patienten und -Patientinnen war die depressive Symptomatik schwer ausgeprägt. In Deutschland liegt die 12-Monats-Prävalenz depressiver Störungen bei 10,7 % und in den USA bei 12,7 %. Die Lebenszeitprävalenzrate in der Allgemeinbevölkerung liegt seit Jahren stabil bei rund 30 % (USA 29,5 %, Deutschland 31,1 %), was auch während der COVID-19-Pandemie weitgehend stabil blieb: 33,7 % depressive Störungen. Studienergebnisse belegen, dass Depression sowohl Risikofaktor als auch Folge eines Post-COVID-19 Syndroms sein kann.
In der Studie von Kupferschmitt et al. wies der PHQ-9 auf das Vorhandensein depressiver Symptome bei Post-COVID-Patienten und -Patientinnen hin (PHQ-9 = 15,15 ± 5,11). Im Verlauf der Rehabilitation gingen die depressiven Symptome auf ein subklinisches Niveau zurück (PHQ-9 = 8,80 ± 4,61), was auf eine starke Wirkung der stationären Post-COVID Rehabilitation hindeutet (Cohen’s d = 1,57). Dies deckt sich mit weiterer Forschungsliteratur, die darauf hinweist, dass Post-COVID-Patienten und -Patientinnen von einer psychotherapeutischen Begleitung profitieren und sich dabei sowohl die Selbstwirksamkeit (d = 0,69) als auch die Aktivität und Teilhabe (d = 1.06) verbessern lässt.
Kognitive Störungen
Kognition ist ein weit gefasster Begriff und umfasst verschiedene Bereiche, wie z. B. exekutive Funktionen, Aufmerksamkeit, Gedächtnisfunktionen, Handlungsplanung, Sprache, etc. Kupferschmitt et al. untersuchten mittels TAP (Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung) Funktionen der Aufmerksamkeit (einschließlich Messungen der Alertness) und das Arbeitsgedächtnis. Da Fatigue und Fatiguability Symptome des Post-COVID-19 Syndroms sein können, wurde die kognitive Fatiguability als bedingter Parameter für die kognitive Leistung erfasst. In der TAP schnitten die Post-COVID-Patienten und -Patientinnen überwiegend niedrig durchschnittlich bis unterdurchschnittlich ab (Prozentrang von 0 bis 21). Lediglich die geteilte Aufmerksamkeit (Fehler) war bei Aufnahme durchschnittlich (Prozentrang 42–50). Trotz kognitiven Trainings konnte von Aufnahme bis zur Entlassung in den TAP-Subtests Arbeitsgedächtnis, Daueraufmerksamkeit und geteilte Aufmerksamkeit keine statistisch signifikante Veränderung der Leistung festgestellt werden.
Depression und kognitive Störung beim PCS – Zusammenhängend oder unabhängig?
Da Kognitive Störungen sowohl häufige Symptome beim Post-COVID-Syndrom als auch bei Depressionen sind, wurden die Zusammenhänge untersucht. Hierbei ließ sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gesamtergebnis im Depressionsmaß PHQ-9 und den Ergebnissen in der kognitiven Testung TAP feststellen. Auf Einzelitem-Ebene fanden sich leichte Zusammenhänge zwischen Interessens-/Lustverlust und Daueraufmerksamkeit (r = 0,32), Hoffnungslosigkeit und dem Arbeitsgedächtnis (r = 0,39), Schlafstörungen und dem Arbeitsgedächtnis (r = 0,38). Der leichten Spur eines Zusammenhangs zwischen depressiven Symptomen und kognitiven Störungen folgend, ergaben die Regressionsanalysen zur Untersuchung des Beitrags der Depression zur Varianz der kognitiven Beeinträchtigung jedoch kein signifikantes Ergebnis. Die untersuchten einzelnen depressiven Symptome trugen nicht zur Erklärung der kognitiven Beeinträchtigungen in der TAP bei.
Zusammenschau
Wie bereits erläutert, weisen Post-COVID-Patienten und -Patientinnen in der psychosomatischen Post-COVID-Rehabilitation zu Beginn der Rehabilitation klinisch relevante Depressionswerte auf, die sich im Laufe der Rehabilitation verbessern. Kognitive Beeinträchtigungen sind ebenfalls Teil der depressiven Symptome, sodass die Möglichkeit besteht, dass eine kognitive Beeinträchtigung im Rahmen einer reaktiven depressiven Störung aufgrund von COVID-19 auftritt oder ein reines Post-COVID-Symptom ist, das unabhängig von einer Depression vorliegt.
Die Ergebnisse der Korrelations- und Regressionsanalysen stützen die These, dass kognitive Defizite beim Post-COVID-Syndrom wahrscheinlich kein Artefakt einer reaktiven depressiven Störung sind. Wenn es sich bei den kognitiven Beeinträchtigungen um Symptome einer reaktiven Depression handelt, würden wir davon ausgehen, dass sie mit dem Abklingen der depressiven Symptomatik ebenfalls abebben würden. Die Ergebnisse von Kupferschmitt und Kollegen zeigen ein anderes Bild: Die depressiven Symptome klingen ab, die kognitiven Beeinträchtigungen bleiben bestehen. Auch konnten keine signifikanten Korrelationen zwischen den depressiven Symptomen und den kognitiven Störungen gefunden werden.
Bericht: Dr. rer. medic. Alexa Alicia Kupferschmitt
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