Alle Milbenarten (Hausstaub- und Vorratsmilben), die im Haushalt vorkommen, werden im internationalen Sprachgebrauch als „domestic mites“ bezeichnet. Sie kommen in unterschiedlicher Menge weltweit vor. Hausstaubmilben (HSM) ernähren sich überwiegend von Hautschuppen, Vorratsmilben (VRM) bevorzugen proteinreiche Substanzen wie Getreideprodukte, Mehl, Tierfutter, Heu, Schimmelpilze etc.
Hausstaubmilben kommen bevorzugt – aber nicht nur – im ländlichen Bereich im Hausstaub vor. In Haushalten mit Felltieren gibt es mehr Milben wegen des „besseren Nahrungsangebotes“. Hausmilben sind wegen ihrer Größe von nur 0,2 – 0,6 mm für das bloße Auge nicht sichtbar. Die Allergenträger sind die Kotpartikel sowie Teile des Milbenkörpers. Das Mikroklima eines Hauses hat entscheidenden Einfluss auf die Milbenpopulation. Am wohlsten fühlen sich Milben bei Temperaturen ab 25–30°C und hoher Luftfeuchtigkeit zwischen 75–80 % (Matratze!). Textile Gegenstände wie z.B. Kissen, Teppiche, Kuscheltiere, Kleidung oder Polstermöbel sind ebenfalls milbenbesiedelt. Die Milbenpopulation in Teppichen und Teppichböden ist zunehmend in den Sommermonaten mit Maximum im Spätsommer/Frühherbst. Zu Beginn der Heizperiode sterben Milben aufgrund der rückläufigen Luftfeuchtigkeit ab. Durch die eingetrockneten Reste der Milbenkörper sowie den ausgeschiedenen Milbenkot ist zu diesem Zeitpunkt die Allergenbelastung am größten. Durch Konvektion mit der trockenen Heizungsluft werden die Allergene im Raum verteilt, wodurch eine ganztägige Allergenexposition resultiert. Dennoch finden sich Milbenallergene nach dem Bettenmachen, Staubwischen und Staubsaugen etc. nur über kurze Zeit in der Luft, da diese im Vergleich zu Katzenallergenen schnell sedimentieren.
Die Milbenexposition besteht auch in öffentlichen Räumen z.B. Kino, öffentlichen Verkehrsmitteln sowie im Auto. Darüber hinaus kann die Milbenallergie ganzjährige Beschwerden auslösen, mit einem Maximum im Herbst und Winter. Entgegen früherer Ansicht kommen Milben übrigens auch in Höhenlagen >1500 m vor, da für Milben nicht der Luftdruck, sondern die relative Luftfeuchtigkeit für das Überleben entscheidend ist.
Die besten Daten zur Häufigkeit von Sensibilisierung in der erwachsenen deutschen Bevölkerung stammen aus der Studie des Robert-Koch-Instituts mit ca. 8.200 Teilnehmern aus dem Jahr 2011. Davon waren 15,9 % im Bluttest auf Hausstaubmilbe (Dermatophagoides pteronyssimus, d.pt.) sensibilisiert, hochgerechnet ca. 11 Mio Erwachsene. Sensibilisierung heißt „Allergiebereitschaft“ und nicht manifeste Erkrankung. Dennoch zeigt der hohe Sensibilisierungsgrad, dass es oft lohnenswert ist, bei bestimmten Symptomen einen Allergietest zu veranlassen.
Welche Symptome können auftreten (Haustaub- und Vorratsmilben)?
Hals/Nase/Ohren: behinderte Nasenatmung, Niesattacken, Fließschnupfen, eingeschränktes Riechvermögen, Rachenverschleimung, Paukenerguss v.a. bei Kindern
Augen: Rötung, Tränenfluss, Juckreiz, Lidschwellung
Lunge: erschwerte Atmung, Pfeifen, Husten (insbesondere in der Nacht)
Haut: Urtikaria, Ekzemverstärkung bei vorbestehender Neurodermitis
Schlafstörungen mit Tagesmüdigkeit und Leistungsminderung
Chronische besonders morgendliche Kopfschmerzen
Milben spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung allergischer persistierender Atemwegserkrankungen wie der allergischen Rhinitis (AR) und dem allergischen Asthma (AA). Die AR ist global gesehen die häufigste immunologische Erkrankung überhaupt. Allergisches Asthma kann primär oder infolge einer AR auftreten (Etagenwechsel). Bei Milben-assoziierter AR in bis zu 50 %!
Kreuzallergie zu Nahrungsmitteln
Manche Nahrungsmittel enthalten Allergene, die in Aufbau und Struktur dem Milbenallergen Tropomyosin (Der p10) oder Argininkinase sehr ähnlich sind. Vereinzelt kann es dadurch zu allergischen Reaktionen nach dem Verzehr von Muscheln, Krustentieren (z.B. Garnelen) und Weichtieren (Schnecken) sowie nach essbaren Insekten (bislang nur vereinzelt) kommen. Nahrungsmittel können mit Milben kontaminiert sein; Reaktionen unterschiedlicher Ausprägung bis zur Anaphylaxie nach Verzehr von Getreideprodukten sind bekannt.
Was kann der Hausarzt tun?
- In erster Linie auch an eine Allergie denken
- Symptome überwiegend in Innenräumen mit Besserung „an der frischen Luft“
- Auslösung/Verstärkung der Symptome bei verstärkter Staubexposition: Bettenmachen, Staubwischen, Staubsaugen, Aufräumen (Speicher)
- Nächtliche und morgendliche Symptome, oft Nase putzen
- Chronische besonders morgendliche Kopfschmerzen
- Ganzjährige Symptome mit Betonung von Herbst und Winter
- Besserung durch topische oder systemische Antihistaminika
Oft ist die Differenzierung zwischen rezidivierenden Atemwegsinfekten und Allergie schwierig, sodass gerade im Zweifelsfall auch eine Allergietestung erfolgen sollte.
Was kann der Allergologe tun?
- Pricktest mit HSM und VRM zum Nachweis einer kutanen Sensibilisierung
- Gesamt Immunglobulin E (IgE) und spezifisches IgE auf HSM und VRM zum Nachweis einer serologischen Sensibilisierung.
- Wenn bei typischen klinischen Symptomen beide Tests positiv sind, ist eine relevante Allergie hochwahrscheinlich.
- Wünschenswert ist die Durchführung einer nasalen Provokation mit Milbenallergen insbesondere vor einer geplanten Allergen-Immuntherapie und als Verlaufskontrolle unter Therapie.
Leider sind derzeit nur noch wenige Allergene kommerziell erhältlich. Das ist besonders problematisch zur Diagnostik einer sogenannten lokalen allergischen Rhinitis, die häufiger bei Milbenallergie vorkommt. Dabei besteht die Besonderheit, dass sowohl der Hauttest als auch der Bluttest keine Sensibilisierung nachweist, da ausschließlich eine lokale IgE-Produktion in der Nasenschleimhaut besteht. Eine nasale Provokation mit Milbenallergenen ist dann aber positiv! Nur wenige spezialisierte HNO-Zentren können eine Bestimmung des spezifischen IgE im Nasensekret durchführen, was dann die Diagnose sichert. Die Allergie gegen HSM ist wesentlich häufiger als gegen VRM. Es gibt aber auch Allergien gegen beide. Eine isolierte Allergie gegen VRM ist selten und tritt eher berufsassoziiert auf (z.B Bäcker, Landwirte).
Was kann man bei einer Milbenallergie tun?
- Reduktion der Milbenzahl und Exposition im häuslichen Umfeld:
- Anschaffung milbendichter Überzüge für Matratze, Oberbett und Kissen, auch für das „Partnerbett“. Die Überzüge sind bei Milbenallergie verordnungsfähig. Das Material ist durchlässig für Feuchtigkeit und Luft, aber nicht für die Allergenträger. Die Überzüge sollten zweimal im Jahr bei 60°C gewaschen werden.
- Der Staubsauger sollte einen Feinstaubfilter (HEPA) haben, damit mit der Abluft keine Allergenpartikel verteilt werden.
- Feucht Staubwischen
- Trockenes Raumklima mit Feuchtigkeit <50%, Lüften!
- Kuscheltiere viermal im Jahr bei 60°C waschen, wenn das nicht geht: 24 Std. in der Kühltruhe aufbewahren und danach zum Entfernen der abgestorbenen Milben und Kotpartikel lauwarm auswaschen.
- Bettwäsche wöchentlich bei 60°C waschen
- Polstermöbel mit Lederbezug statt Textil
- Haustiere sollten sich nicht im Schlafzimmer aufhalten
- Keine Neuanschaffung von Felltieren
- Luftreiniger mit Feinstaubfilter verringern signifikant den Allergengehalt der Raumluft (Milben-, Hunde-, Katzenallergen) sind aber nur sinnvoll mit den bereits genannten weiteren Maßnahmen zur Milbenreduktion.
- Allergen-Immuntherapie (AIT):
- Die Sanierungsmaßnahmen bzgl. Milben sind Voraussetzung für eine effektive AIT.
- Die AIT mit Milben sollte über drei Jahre ganzjährig erfolgen.
- Nach der Steigerungsphase (s. Dosierungsschema des Präparates) i.d.R. einmal im Monat sc. Injektion an der Außenseite der Oberarme (nicht intramuskulär).
- Nach der Injektion 30 min in der Praxis bleiben. Nicht jeder verträgt die vom Hersteller vorgeschlagene Höchstdosis von z.B. 0,5ml. Wenn z.B. bei einer Dosis von 0,4 ml starke lokale Nebenwirkungen über Handtellergröße oder Fernsymptome wie Rhinokonjunktivitis auftreten, ist 0,3ml die individuelle Höchstdosis, die für drei Monate beibehalten werden sollte. Dann evtl. noch einmal einen Steigerungsversuch wagen. Wenn das nicht klappt, Fortführung mit der individuellen Höchstdosis, was zu keiner nennenswerten Einschränkung der Wirksamkeit führt.
- Lokale Kühlung nach der Injektion (Kühlpack mit Kühlschrank-Temperatur!) sowie ggf. Antihistaminikum vor Injektion verbessern die Verträglichkeit. Antihistaminika beeinflussen nicht die Effektivität der Therapie. Bei der Verwendung von zwei Lösungen (HSM und VRM), erfolgt am besten je eine Injektion in den linken und rechten Oberarm im Abstand von 15 min. Die sublinguale Therapie ist für Hausstaubmilben eine wirksame Alternative. Der große Nachteil ist u.E. die Compliance und die mangelnde ärztliche Kontrolle. Nur höchstens ein Drittel der Patienten führt die Therapie über drei Jahre durch. Während der Therapie (subcutan oder sublingual) sollte einmal jährlich eine Kontrolle beim Allergologen erfolgen. Die symptomatische Therapie mit Antihistaminika oder topischen Kortikosteroiden beeinflusst nicht den Effekt der AIT.
Nicht erforderliche Gegenmaßnahmen
Nicht erforderlich sind übrigens „Milbenstaubsauger“ für die Matratze (mittelfristig wirkungslos). Nach Anschaffung einer neuen Matratze dauert es nur ca. vier Monate bis sich wieder eine relevante Allergenmenge (2µg Allergen/g Staub) angesammelt hat. Auch das Entfernen kurzfloriger Teppichböden hat keinen nennenswerten Effekt. Acarizide („Anti-Milbenspray“) haben eine fragliche Wirkung. Bislang sind keine kontrollierten Studien zur Wirksamkeit bzgl. der Symptome und der absoluten Reduktion der Populationsgröße der Milben bekannt. Dampfreiniger bringen ebenfalls nur einen geringen Zusatznutzen für die Reduktion von Allergenen.
Autoren: Dr. med Friedrich Riffelmann; Tanja Hardebusch
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