Die Influenzasaison steht vor der Tür, die STIKO-Empfehlungen sind bekannt und die Impfstoffe gegen die Grippe werden in den kommenden Wochen ausgeliefert. Zeit sich noch einmal mit den aktuellen Entwicklungen, den Empfehlungen, den verfügbaren Impfstoffen und der Anwendung in der Praxis auseinanderzusetzen.
In den vergangenen Jahren wurden ausschließlich tetravalente Impfstoffe gegen zwei A-Stämme sowie je einen B-Stamm der Victoria- und der Yamagata-Linie empfohlen und eingesetzt. Seit März 2020 wurde die B-Yamagata-Linie jedoch weltweit nicht mehr nachgewiesen.
B-Yamagata verschwunden – die WHO empfiehlt trivalente Impfstoffe
Insgesamt hat die Diversität auch bei den Influenza-A-Untergruppen abgenommen. Einige Experten vermuten einen Zusammenhang mit der Ausbreitung des COVID-19 Virus. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verzichtet daher in der Empfehlung für die Zusammensetzung der Grippeimpfstoffe für die Nordhalbkugel in der Saison 2024/2025 auf diese Komponente (Tab. 1). In diesem Herbst werden weiterhin dennoch vorwiegend tetravalente Impfstoffe mit beiden B-Komponenten in Deutschland verfügbar sein. Die Ausnahme sind Influenza-Lebendimpfstoffe, da man hier auch keine attenuierten Impfstämme der Yamagata-Linie in Umlauf bringen will.
Empfehlungen der STIKO – und wer sollte noch geimpft werden?
Die STIKO-Empfehlungen haben sich vor allem in Hinblick auf den Wegfall der Empfehlung zur quadrivalenten Impfung geändert. Die Zielgruppen für Standard-, Indikations- und beruflich bedingte Impfungen sind unverändert. Auch für Reisende wird bei Indikation auf die Sinnhaftigkeit der Impfung als Reiseimpfung aufmerksam gemacht.
Eine Impfung kann aber auch außerhalb der genannten Gruppen der STIKO sinnvoll sein. Bei der Influenza handelt es sich um eine meist schwere Multisystemerkrankung, die auch junge, gesunde Personen für ein bis zwei Wochen ans Bett fesseln kann. Für jeden, der das vermeiden will, zum Beispiel aus beruflichen Gründen, ist eine Impfprophylaxe sinnvoll. Auch bei Sportlern dauert es nach einer Infektion oft Monate, bis sie wieder auf Vorerkrankungsniveau sind. Für Kleinkinder und Kinder ist eine Impfung ebenfalls sinnvoll, wenn man zum einen die Erkrankung bei Kindern vermeiden, zum anderen eine Übertragung an andere unterbinden will.
Häufig handelt es sich bei der Entscheidung zur Influenzaimpfung eher um eine Lernstufe als um eine Lernkurve. Nach einer einmal durchgemachten Erkrankung lassen sich die meisten gerne impfen. Insbesondere der hohe Verlust an Lebensqualität in den Risikogruppen, oft auch verbunden mit einem Krankenhausaufenthalt, sind hier teilweise sehr eindrücklich für die Betroffenen. Ein gutes Beispiel dafür, dass uns Krankheiten nicht stärker machen, sondern mit einem, teilweise unwiederbringlichen, Verlust an Gesundheit einhergehen.
Es wird von der STIKO explizit darauf hingewiesen, dass für die Saison 2024/2025 die Verwendung von quadrivalenten Influenzaimpfstoffen weiterhin möglich ist. Ausgenommen davon sind Lebendimpfstoffe.
Verfügbare Impfstoffe in Deutschland
In Deutschland sind neben den meistgenutzten eibasierten Impfstoffen (Influsplit, Influvac, Vaxigrip, Xanaflu) mit Zulassung ab sechs Monaten auch diverse andere Impfstoffvarianten zugelassen. Vor allem zellkulturbasierte Impfstoffe (Flucelvax) spielen als Alternative für Erwachsene und Kinder ab dem zweiten Lebensjahr eine Rolle. Ein rekombinanter Impfstoff auf Zellkulturbasis ist zugelassen, steht aber voraussichtlich nicht zur Verfügung. Diskutiert wird bei nicht eibasierten Impfstoffen eine etwas bessere Wirkung durch eine Umgehung der Eiadaption, bei der sich das Saatvirus geringgradig an die Eizellen bei der Herstellung anpasst, was zu einer Beeinträchtigung der Wirkung führen könnte. Sowohl für zellkulturbasierte als auch rekombinante Impfstoffe empfiehlt die WHO eine andere Zusammensetzung als für eibasierte Impfstoffe.
Für über 60-Jährige empfiehlt die STIKO für die Saison 2024/2025 ausschließlich die Verwendung des Hochdosisimpfstoffes (Elfluelda). Eine Übergangsregelung die die Verwendung anderer Impfstoffe, zum Beispiel in einfacher Dosierung, auch bei Älteren auf GKV-Kosten ermöglicht hat, ist inzwischen ausgelaufen und es besteht im Zweifelsfall ein Regressrisiko. Nur wenn der Hochdosisimpfstoff nicht verfügbar ist, darf auf einen anderen Impfstoff ausgewichen werden.
Zur Verwendung ab einem Lebensalter von 50 Jahren steht mit Fluad ein adjuvantierter Influenzaimpfstoff mit dem Adjuvans MF59C zur Verfügung, der im Vergleich zum eibasierten Standarddosisimpfstoff eine gute Wirksamkeit gerade bei Älteren und Risikopatienten zeigt. Da sich die STIKO für die Älteren jedoch für die ausschließliche Verwendung des Hochdosisimpfstoffes ausgesprochen hat, ist eine Verwendung nur als Selbstzahlerleistung beziehungsweise nach Rücksprache mit den Krankenkassen möglich.Kinder und Jugendliche im Alter von zwei bis 17 Jahren können auch mit dem labend-attenuierten Impfstoff Fluenz geimpft werden, der für die Saison 2024/2025 nach WHO-Empfehlung als trivalenter(A,A,B) Impfstoff zur Verfügung steht. Die Impfung wird nasal in beide Nasenlöcher gesprüht und bietet damit eine nicht-invasive Lösung für die Kleinen.
Digitalisierung als Weg zu hohen Durchimpfungsraten
Die Durchimpfungsraten für atemwegsübertragbare Erkrankungen sind in Deutschland chronisch zu niedrig. Das betriff neben Influenza (über 60-Jährige 43 %, Indikationsimpfung 35 %, Schwangere 18 %) auch Pneumokokken (über 60-Jährige 23 %, Indikationsimpfung 26 %) und die COVID-Booster Impfung. Ein besserer Start ist für die gerade von der STIKO empfohlene RSV-Impfung auch nicht in Sicht. Eine Kombination aus schlechter Vergütung, hoher Auslastung der Praxen und steigendem Aufklärungsbedarf trägt hier nicht unbedingt zur Verbesserung bei.
Eine Hoffnung auf höhere Durchimpfungsraten besteht in der anstehenden Implementierung des digitalen Impfpasses in die elektronische Patientenakte (ePA). Praxen müssen hier eine Lösung finden die Impfdaten zu digitalisieren und in die ePA zu integrieren. Entsprechende Programme stehe in Form von digitaler Impfmanagementsoftware schon zur Verfügung. Einmal digitalisiert sehen Ärztinnen und Ärzte sowie MFAs auf einen Blick, welche Impfungen fällig sind. Das wiederholte Durchblättern von Impfpässen entfällt. Auf Patientenseite unterstützen mit dem System verknüpfte digitale Impfpasssysteme in App-Form durch Ampelsysteme, die dem Patienten seinen Impfbedarf anzeigen, eine erhöhte Nachfrage. In Studien ließ sich beispielsweise durch die Verwendung der Impfsoftware Impfdoc NE ein deutlicher Anstieg der Durchimpfungsraten in den Praxen nachweisen. In jedem Fall ist es als Hausarzt sinnvoll sich zeitnah mit der Thematik des digitalen Impfpasses auseinanderzusetzen, um auf die Impfpassintegration in die ePA vorbereitet zu sein.
Autor: Dr. med. Markus Frühwein
Quelle: Der Allgemeinarzt



