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Grippe & Co.: Schutz für Herz-Kreislauf-Patienten verbessern

Ein Paar sitzt eingekuschelt in einer Decke auf dem Sofa, mit Tee und Taschentüchern, Symbol für Erkältung und Gemütlichkeit.

Grippe & Co.: Schutz für Herz-Kreislauf-Patienten verbessern

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Allgemeinmedizin

Impfen und Infektionen

mgo medizin Redaktion

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5 MIN

Erschienen in: Der Allgemeinarzt

Impfungen sind die kosteneffektivste Präventionsmaßnahme in der Medizin. Dies gilt insbesondere für PatientInnen mit chronischen Erkrankungen, auch oder insbesondere mit kardiologischen Problemen.

Trotz eindeutiger Empfehlungen, sowohl durch die ständige Impfkommission als auch durch Leitlinien der jeweiligen Fachverbände sind die Durchimpfungsraten in den Risikogruppen deutlich zu niedrig. So sind bei den Patientinnen und Patienten mit impfrelevanten Grunderkrankungen nur ca. 31 % gegen Influenza und 23 % gegen Pneumokokken geimpft. Gerade Patientinnen und Patienten mit Vorerkrankungen sind durch impfpräventable Infektionen besonders stark gefährdet. Bei chronischen Herzerkrankungen ist beispielsweise das Risiko mit über 65 Jahren an einer Influenza zu versterben 5-fach erhöht.

Kommen weitere chronische Erkrankungen, z. B. Lungenerkrankungen hinzu, kann es bis auf das 20-Fache ansteigen. Auch wenn sich mit einer Influenzaimpfung kein sicherer Schutz gegen eine Infektion erreichen lässt, lassen sich die Erkrankungsfälle deutlich reduzieren und Durchbruchsinfektionen verlaufen milder bei geringeren Hospitalisations- und Letalitätsraten. Im Gespräch mit dem/der Patienten/in sollte der Schutz vor dem Ableben jedoch keine zu große Rolle spielen. Wichtiger ist den Betroffenen klarzumachen, dass eine entsprechende impfpräventable Erkrankung häufig mit einer langanhaltenden oder dauerhaften deutlichen Verschlechterung der Lebensqualität eingeht. Ob der 70-Jährige, der vorher mit gut eingestellten chronischen Erkrankungen noch regelmäßig in die Berge ging, nach einer Influenza oder Pneumokokkenpneumonie seinem Hobby noch nachgehen kann, ist durchaus anzuzweifeln.

Berücksichtigt man die aktuelle Studienlage und die Empfehlungen der STIKO/Fachgesellschaften wird die Relevanz in der vollständigen Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen deutlich. Wer im Rahmen einer entsprechenden Diagnose die empfohlenen Impfungen nicht durchführt oder zumindest aufklärt und empfiehlt, behandelt unvollständig, nicht leitliniengerecht und setzt Patientinnen und Patienten einem unnötigen Gesundheitsrisiko aus. Die Durchführung von Impfungen in Facharztpraxen wäre zur Erreichung hoher Durchimpfungsraten und damit zu einem besseren Schutz der Patientinnen und Patienten durchaus wünschenswert, insbesondere wenn Betroffene mit kardiologischen Problemen vorwiegend dort behandelt werden. Leider werden diese Impfungen viel zu wenig umgesetzt, obwohl die Datenbasis in Hinblick auf den gesundheitlichen Nutzen für den/die Patienten/in recht eindeutig ist und klare Empfehlungen durch die ständige Impfkommission vorliegen. Im Masernschutzgesetz wurde auch nochmals klargestellt, dass alle Ärztinnen und Ärzte impfen dürfen. Umso wichtiger ist es die Grundlagen der für die Facharztpraxis relevanten Impfungen zu kennen.

Influenza

Ein gutes Beispiel für die Sinnhaftigkeit von Impfungen bei kardiovaskulären Erkrankungen ist die saisonale Impfung gegen Influenza. In der IAMI-Studie wurde der Effekt von Influenzaimpfungen noch im Krankenhaus nach stattgehabtem Myokardinfarkt untersucht. In den darauffolgenden 12 Monaten waren in der Interventionsgruppe Todesfälle, Herzinfarkte und Stentthrombosen unter den geimpften Patienten deutlich seltener aufgetreten. Die Grippeimpfung hat das Risiko für diesen kombinierten primären Endpunkt damit um 28 % reduziert.

In den Leitlinien zur Sekundärprävention wird die Influenzaimpfung sowieso empfohlen (Ib-Empfehlung). In einer anderen Studie ließ sich mit Schutzraten zur Verhinderung eines Myokardinfarkts zwischen 15 % und 45 % ein Effekt der jährlichen Influenzaimpfung vergleichbar mit anderen Interventionen wie antihypertensive Therapie, Statine oder Rauchentwöhnung nachweisen. Es wird angenommen, dass die Wirkung auf die Verhinderung einer Reihe von Faktoren zurückzuführen ist, wie die entzündungsbedingte Freisetzung von Zytokinen, Plaqueruptur und thrombogene Prozesse, die durch schwere Infektionserkrankungen wie die Influenza ausgelöst werden. Dies lässt sich entsprechend auch auf andere impfpräventable Erkrankungen wie RSV, COVID-19 oder Pneumokokken-CAP übertragen.

Nach STIKO sollte die Impfung bei chronisch Kranken jedes Jahr im Herbst mit einem inaktivierten Impfstoff der von der WHO empfohlener Antigenkombination erfolgen. In den letzten Jahren wurden dabei ausschließlich tetravalente Impfstoffe gegen zwei A-Stämme sowie je einen B-Stamm der Victoria- und der Yamagata-Linie empfohlen. Die B-Yamagata-Linie konnte jedoch seit März 2020 weltweit nicht mehr nachgewiesen werden, was wahrscheinlich auf einen Zusammenhang zur Ausbreitung des COVID-19-Virus zurückzuführen ist. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verzichtet daher in der Empfehlung 2024/2025 für die Zusammensetzung der Grippeimpfstoffe auf diese Komponente. Aktuell sind in Deutschland aufgrund des langwierigen Produktionsprozesses weiterhin dennoch vorwiegend tetravalente Impfstoffe mit beiden B-Komponenten verfügbar, die jedoch auch nach STIKO bedenkenlos verwendet werden können. Bei 18- bis 59-Jährigen können alle normal dosierten ei- und zellkulturbasierten Impfstoffe beliebig eingesetzt werden. Für die über 60-Jährigen wird nach STIKO aktuell nur der Hochdosisimpfstoff (Efluelda, Fa. Sanofi) mit 4-fachem Antigengehalt verwendet. Ab der Influenza-Saison 2025/2026 wird allen Personen in dieser Altersgruppe alternativ auch der mit MF-59 adjuvantierte Influenza-Impfstoff (Fluad, Fa. Seqirus) empfohlen.

Digitales Impfmanagement

Höhere Durchimpfungsraten und (auch ein finanzieller) Mehrwert für die Praxis

Ein häufiges Argument, insbesondere in Facharztpraxen, für die fehlende Durchführung empfohlener Impfungen ist die zugegebenermaßen schlechte Vergütung einzelner Impfungen. Bei einem klassischen Impfmanagement mit regelmäßiger, zeitaufwändiger Kontrolle des gelben Heftchens, Abgleich mit den aktuellen Impfempfehlungen und resultierender Indikationsstellung ist das sicher richtig. Die Implementierung eines digitalen Impfmanagements, z. B. Programme wie Impfdoc NE, mit digitalem Impfpass vereinfacht die Prozesse in der Praxis, reduziert den Zeitaufwand und verbessert auch das finanzielle Outcome deutlich. So kann ein/e medizinische/r Fachangestellte/r bereits an der Anmeldung auf einen Blick sehen, welche Impfungen empfohlen sind bzw. ausstehen und zwar immer auf Basis der aktuellen Empfehlungen und der im PVS dokumentierten Diagnosen. Die Impfungen können damit auch weitgehend arztunabhängig durchgeführt werden. Da gerade im kardiologischen Bereich fast jede/r Patient/in eine Impfindikation aufgrund von Vorerkrankungen hat, diese regelmäßig durchgeführt werden müssen und außerdem außerbudgetär vergütet werden, können Impfungen den Umsatz und Gewinn einer Praxis steigern, ohne den Arzt/die Ärztin zusätzlich zu belasten.

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