Schätzungen der WHO sagen voraus, dass die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) in zehn Jahren die an dritter Stelle führende Todesursache weltweit sein wird. Je früher die Erkrankung erkannt wird, desto besser kann sie behandelt werden. Ein Konzept ist es daher, Patienten in frühen Krankheitsstadien zu identifizieren und zu intervenieren. Hier hat sich der Begriff „frühe COPD“ eingebürgert.
Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) stellt mittlerweile die dritthäufigste Todesursache in Europa und den USA dar und ist mit einer Prävalenz von 13,2 % in Deutschland eine weit verbreitete Erkrankung. Sie wird überwiegend durch Rauchen verursacht und ist durch eine Entzündung der Atemwege und die Ausbildung eines Lungenemphysems charakterisiert. Ursache für das Lungenemphysem ist die fortschreitende Zerstörung der Alveolen durch inhalative Schadstoffe wie Tabakrauch. Funktionell führen Bronchiolitis und Lungenemphysem zu einer expiratorischen Flusslimitation mit Überblähung. Patienten sind durch Luftnot, Husten, Auswurf und systemischen Begleiterkrankungen eingeschränkt.
Die Behandlung von Patienten mit vorgeschrittener COPD ist oftmals schwierig und beruht auf der inhalativen Gabe von Bronchodilatatoren und inhalativer Steroide (ICS) sowie weiteren pharmakologischen sowie nicht-pharmakologischen Maßnahmen. Eine Heilung oder deutliche Modulation der Erkrankung kann hierbei nicht erreicht werden. Ein Konzept ist es daher, Patienten in frühen Krankheitsstadien zu identifizieren und hier zu intervenieren. Hier hat sich der Begriff „frühe COPD“ (early COPD) eingebürgert.
So griffig der Begriff der frühen COPD auch erscheinen mag, müssen zuerst verschiedene Begriffe voneinander abgegrenzt werden.
1. Eine leichtgradige COPD, also eine COPD mit geringer funktioneller Einschränkung, die nicht weiter progredient ist, sondern die in einem milden Stadium verbleibt.Dies kann darauf zurückzuführen sein, dass das Rauchen eingestellt wurde. Eine besondere Gruppe bilden die Patienten, welche spirometrisch unter die PRISm (preserved ratio and impaired spirometry)-Kategorie fallen. Hierbei ist PRISm definiert als: „Seine FEV1% soll kleiner als 80 % sein, aber die Ratio FEV1/FVC bleibt größer oder gleich 0,70“.
2. Die frühe COPD im eigentlichen Sinn, also ein Anfangsstadium einer progredienten Erkrankung. Diese Form der COPD ist naturgemäß nur durch den Verlauf von einer milden COPD abzugrenzen. Einige wichtige Punkte müssen hier betrachtet werden:
- Was sind die Mechanismen die zu einer weiteren Progression führen?
- Gibt es Risikofaktoren und Biomarker?
- Kann durch Interventionen eine Progression aufgehalten werden?
In einer früheren Version der GOLD-Leitlinie gab es noch das „COPD-Stadium 0“, was definiert war als eine entsprechende Exposition mit Symptomatik, aber ohne Obstruktion. Nachdem in einer Studie gezeigt wurde, dass diese Patienten sich nur zu einem Teil weiter verschlechterten und auch tatsächlich im Weiteren eine Obstruktion ausgebildet hatten, wurde dieses Stadium wieder aufgegeben.
Aktuell werden verschiedene Definitionen einer frühen COPD diskutiert, die sich deutlich unterscheiden. Es gibt Ansätze, in welchen eine Subkategorisierung über eine anatomische Definition erfolgt. Gerade eine Betrachtung des Zeitverlaufs ist hier nicht überall integriert. Es gibt hier keinen Konsensus bezüglich Definition und Diagnosekriterien.
Symptomatik und Diagnostik
In einigen Studien zum GOLD-Grad 0 und den PRISm-Patienten konnte gezeigt werden, dass dies keineswegs banale Formen einer COPD-Erkrankung sind. Es konnte gezeigt werden, dass diese Patienten eine deutlich schlechtere Lebensqualität haben und auch über mehr Komorbidität hin verweisen. Zu diesen Komorbiditäten gehört ein höheres Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen. Ansonsten bestehen definitionsgemäß Symptome im Sinne von Husten und ggf. auch Auswurf.
Zur weiteren Diagnostik kommen verschiedene Verfahren zum Einsatz. Zum einen natürlich die Spirometrie, um hier den Tiffeneau-Index und die absolute Reduktion der FEV1 beurteilen zu können. Allerdings wurde gerade auch diese Messung der FEV1 oftmals als eindimensional kritisiert. Die spirometrischen und bodyplethysmografischen Daten sind unzureichend, um den Verlauf der Erkrankung vorherzusagen. Es zeigt sich, dass vor allem in den niederen Graden der GOLD-Klassifikation eine große Heterogenität in der Symptomlast der Patienten herrscht.
Eine Studie aus der deutschen COSYCONET-Kohorte zeigte, dass Patienten, welche eine COPD-typische Symptomatik (Husten/Auswurf/Luftnot) aufweisen und in die GOLD-0-Kategorie fallen, eine vergleichbare Symptomlast zu GOLD-2-Patienten haben. Weiterhin zeigten die COPD-GOLD-0-Patienten ein vergleichbares oder sogar ein höheres Risikoprofil bezüglich der kardiovaskulären Risikofaktoren. Die Prävalenz von Schlafapnoe, einem Hypertonus, Obesität und Diabetes waren höher in der COPD-GOLD-0-Gruppe. Einen hohen Stellenwert zur frühen Erkennung könnte auch die Diffusionskapazität haben, da dies eine frühe Emphysementwicklung anzeigt. Im Vergleich dazu hatten Patienten, welche normale spirometrische Werte in der Lungenfunktion, aber eine eingeschränkte Diffusionskapazität hatten, ein höheres Risiko eine COPD zu entwickeln (3 % vs. 22 %). Des Weiteren ist bekannt, dass eine eingeschränkte DLCO (diffusing capacity of the lungs for carbon monoxide) auch ein Risikofaktor ist, später eine Obstruktion zu entwickeln.
Als Bildgebung kommt im Wesentlichen ein CT infrage, das in früheren oder milden Stadien einer COPD selten zum Einsatz kommt. Einen Blutbiomarker für den Beginn oder die Prognose der COPD gibt es ähnlich wie auch bei späteren Stadien der COPD nicht.
Polygenetischer Risiko-Score
Zusammenfassend gibt es keinen biochemischen Biomarker zur Diagnose oder Prognoseabschätzung einer frühen COPD. Ein polygenetischer Risiko-Score, zusammengesetzt aus multiplen Genvarianten über das ganze Genom verteilt, wurde in Hinsicht auf die Lungenfunktion FEV1 und FEV1/FVC in multiplen Kohorten mit Population mit verschiedenen ethnischen Hintergründen auf die Präsenz einer COPD appliziert. Dabei stellt sich der Score aus verschiedenen Genvarianten aus mehreren Genomweiten Assoziationsstudien zusammen, die bereits mit einem erhöhten Risiko für COPD in Verbindung gebracht wurden. Der polygenetische Risiko-Score war signifikant mit einer COPD assoziiert und den bislang bekannten genetischen Scores überlegen. Im Zusammenhang mit den klinischen Risikofaktoren wie z. B. Alter, Geschlecht und Tabakexposition war der Score aussagekräftiger als klinische Risikofaktoren allein. Somit kann dieser Score verlässlich eine kleine Gruppe an Patienten identifizieren, die ein erhöhtes Risiko für eine COPD aufweisen.
Der Score korreliert nicht mit der Tabakexposition und bietet somit eine unabhängige Information über das COPD-Risiko. Dies macht polygenetische Scores, auch wenn noch nicht regelmäßig in der Praxis genutzt, zu einem möglichen Screeningtool zur Erkennung der COPD in frühen Stadien.
Sonderfall: junge Patienten
Ein spezielle Patientengruppe bilden junge Patienten. Eine, in jungen Lebensjahren (18–30 Jahre), beginnende und im Nachhinein bestehende Bronchitis-Symptomatik hängt mit einer beschleunigten Abnahme der FEV1- und FVC-Werte und einer höheren Chance auf einer bleibenden obstruktiven oder restriktiven Ventilationsstörung zusammen. Husten wurde zusätzlich mit Emphysembildung assoziiert.
Therapie und Interventionen
Die Entschlüsselung der Pathomechanismen der frühen COPD wäre wichtig, um hier Interventionen zu entwickeln, die auch ein Voranschreiten der Erkrankung bremsen könnten. An bisher verfügbaren Behandlungen kommen insbesondere die Rauchentwöhnung und die Physiotherapie zum Einsatz. Diese können das Auftreten oder Fortschreiten nicht verhindern.
Die inhalative Therapie mit LAMA (long-acting muscarinic antagonist), LABA (long-acting beta-agonist) und in ausgewählten Fällen ICS ist oft sinnvoll. In einer Subgruppenanalyse der UPLIFT-Studie wurde gezeigt, dass Tiotropium bei Patienten mit COPD GOLD II die Abnahme der postbronchodilatatorischen FEV1 sowie das Risiko von Exazerbationen reduziert. Zudem war insgesamt die Lungenfunktion besser und die Lebensqualität wurde von den Probanden als besser empfunden.
Die Reduktion der Abnahme der postdilatatorischen FEV1 ist von speziellem Interesse, weil das Potenzial besteht, den natürlichen Verlauf der Erkrankung in den frühen Stadien der Erkrankung zu verändern.
Eliminierung beeinflussbarer Risikofaktoren essenziell
Wie kann man aber den Patienten helfen, die unter die PRISm-Kriterien fallen? Die RETHINC-Studie vom September 2022 lässt vermuten, dass diese Patientengruppe schwierig zu behandeln ist. Untersucht wurden Raucher oder Ex-Raucher mit kumulativ mindestens 10 PY und einem CAT-Score von 10 Punkten entsprechend einer hohen Symptomlast. Alle Patienten hatten einen Tiffenau-Index von >0,70. Hier wurde in dieser multizentrischen, placebokontrollierten, randomisierten Studie gezeigt, dass duale langwirksame Bronchodilatatoren keine nachweisliche Besserung der respiratorischen Symptomatik bei Rauchern und Ex-Rauchern hervorgebracht hat, obwohl diese spirometrisch eine erhaltene Lungenfunktion haben. Somit sind diese Resultate für die klinische Praxis sehr relevant. Patienten, trotz einer spirometrisch erhaltenen Lungenfunktion (FEV1/FVC ≥0,70) und mit positiver Raucheranamnese, profitieren nicht von einer inhalativen Therapie mit Bronchodilatatoren. Dementsprechend soll die Verschreibung gar nicht oder sehr restriktiv erfolgen.
Aus diesem Grund sind die frühzeitige Erkennung und Eliminierung beeinflussbarer Risikofaktoren essenziell. Je früher die Intervention auf die Risikofaktoren begonnen wird, desto mehr Lungenfunktion kann man den Patienten erhalten. Vor allem in den frühen Stadien der COPD ist die Abnahme der FEV1 schneller voranschreitend als in den Stadien III und IV nach GOLD. Ein Maximum des FEV1-Abfalls liegt in Stadium II vor. Vor allem die Tabakexposition, sei sie passiv oder aktiv, muss reduziert oder ganz ausgeschalten werden. Dies ist bis dato die einzige Maßnahme, welche die Progression der Erkrankung aufhält. Die Lung Health Study hat gezeigt, dass Probanden, die innerhalb eines Jahres nach Diagnose mit dem Rauchen aufgehört hatten, einen durchschnittlichen Gewinn von 47 ml an FEV1 im ersten Jahr hatten. Die Probanden, die weiter rauchten, wiesen eine Abnahme der FEV1 um 49 ml an FEV1 im ersten Jahr auf.
Fazit für die Praxis
Wie kann man nun die Daten in die Praxis umsetzen? In den letzten Jahren gab es in der Behandlung der COPD wenig Innovation. Das Fundament der Behandlung bleibt weiterhin der Rauchstopp. Dies ist momentan die einzige Möglichkeit, den Progress der Erkrankung zu bremsen respektive zu stoppen und die Mortalität zu verringern. Die inhalativen Therapien dienen in erster Linie zur Verbesserung der Lebensqualität durch eine Reduktion der respiratorischen Symptomatik und der Anzahl der Krankenhausaufenthalte. Eine einheitliche Definition der „frühen COPD“ gibt es aktuell noch nicht und es existieren zum Teil mehrere Konzepte, die sich überschneiden. Dadurch, dass das Konzept der „frühen COPD“ in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus gerückt ist, ist das Bewusstsein des Bedarfs an einer Behandlungsstrategie, welche die Entwicklung einer Atemwegsobstruktion verhindert, größer geworden. Bei fehlenden standardisierten Screening-Möglichkeiten auf nationalem oder internationalem Niveau liegt aktuell die Verantwortung in den Händen der Kliniker. Hier sollte bei passender Anamnese mit den entsprechenden Risikofaktoren und passender Symptomatik der Patient schnellstmöglich eine Lungenfunktion erhalten.
Als aktuell am praktischsten einsetzbaren Cut-off-Wert kann man einen Tiffeneau-Index von 0,70 festhalten. Hier gibt es belastbare Daten, dass Patienten mit einem Tiffeneau-Index von >0,70 nicht von einer inhalativen Therapie profitieren, jedoch bei Patienten mit einem Tiffeneau-Index von <0,70 die Abnahme der Lungenfunktion und die Symptomlast verbessert werden kann.
Zusammenfassung
Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) betrifft ungefähr ein Zehntel der gesamten Weltpopulation und wurde von der WHO als eines der bis dato noch nicht gelösten Probleme identifiziert. Schätzungen der WHO sagen voraus, dass die COPD in zehn Jahren die an dritter Stelle führende Todesursache weltweit sein wird. Bis auf wenige Ausnahmen ist die Tabakexposition die Hauptursache der COPD. Trotz der intensiv betriebenen Forschung um das Thema, gab es in den letzten Jahren keinen Durchbruch bezüglich einer Innovation der bestehenden Therapien oder ein Aufkommen von neuen Therapiemöglichkeiten. Hier kommt das Konzept der frühen COPD zum Tragen. Je früher die Erkrankung erkannt werden kann, desto besser kann sie behandelt werden und ggf. der natürliche Progress der Erkrankung gestoppt oder sogar umgekehrt werden. Aus diagnostischer Sicht kann die CT-Diagnostik mit dem frühzeitigen Erkennen von Emphysemarealen und deren Verteilung ein Element in der frühzeitigen Erkennung der COPD spielen. Zusammen mit einer Risikostratifizierung über polygenetische Risiko-Scores könnten so effektive Screeningtools entwickelt werden.
Durch den Mangel an einer standardisierten Definition und standardisierten Diagnostikverfahren gibt es kein einheitliches Vorgehen in der Therapie.
Autoren: Prof. Dr. Dr. Robert Bals & Christophe Jentgen
Bildquelle: Sebastian Kaulitzki – stock.adobe.com



