In die aktualisierte Leitlinie „TSH-Erhöhung in der Hausarztpraxis“[1] der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin e. V. (DEGAM) wurden auch Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie von schwangeren Frauen und Frauen mit Kinderwunsch aufgenommen, die unter einer behandelten Hypothyreose leiden beziehungsweise einen erhöhten TSH-Wert aufweisen. Diese Patientengruppe begegnet uns immer wieder in der hausärztlichen Praxis[2].
In der Schwangerschaft wird der TSH-Wert im ersten Trimenon durch die Bindung des Schwangerschaftshormons ß-hCG an den TSH-Rezeptor physiologisch leicht gesenkt[3]. Im weiteren Verlauf der Schwangerschaft steigt der TSH-Wert wieder leicht an, da das ß-hCG fällt und die Wirkung nachlässt. Ist bei schwangeren Frauen eine Hypothyreose bekannt, kann dies zu einer Absenkung des TSH-Wertes führen[4].
Diagnostik
Hier gilt, was auch für alle anderen, nicht schwangeren Patientinnen gilt: Bei schwangeren Frauen, die asymptomatisch sind und bisher nicht wegen einer Schilddrüsenerkrankung behandelt werden, sollte kein Routine-TSH-Screening erfolgen.
Sofern eine TSH-Bestimmung durchgeführt wurde, liegt der obere TSH-Referenzwert bei 4,0 mU/l, „sofern keine regionalen oberen TSH-Referenzwerte für Schwangere verfügbar sind“[5]. In Deutschland liegen zurzeit keine „keine publizierten populationsbasierten TSH-Verteilungen für Schwangere vor“. Zu beachten ist, dass regionale TSH-Referenzwerte gegebenenfalls von Laboren definiert werden[4].
Wurde ein TSH-Wert > 4,0 mU/l festgestellt, sollte eine Differenzierung latente/manifeste Hypothyreose durch eine Kontrolle des TSH-Wertes und gegebenenfalls die Bestimmung von fT4, eine erweiterte Anamnese, bei der insbesondere auch nach Faktoren gefragt werden, die mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für eine Hypothyreose einhergehen und – zur Differenzierung weiterer Krankheitsbilder – eine symptomorientierte körperliche Untersuchung erfolgen[6]. Diese Diagnosesicherung ist sinnvoll, um eine Übertherapie zu vermeiden.
Dass eine Kontrolluntersuchung des TSH-Wertes sinnvoll ist, zeigt eine retrospektive Kohortenstudie aus Alberta (Kanada): Diese hat bei 111.522 schwangeren Frauen beschrieben, wie sich der TSH-Wert verhält, wenn einmalig im ersten Trimenon ein TSH-Wert zwischen 4,0 bis 9,99 mU/l gemessen wurde. Bei der Kontrollmessung zwischen drei bis neun Wochen nach Erstbefund fand sich bei 67,9 % der Schwangeren ein TSH-Wert ≤ 4,0 mU/l, ohne dass mit einer Therapie begonnen wurde[7].
TPO-Antikörper (-AK)
Bei einer diagnostizierten TSH-Erhöhung kann – sofern dies im Vorfeld noch nicht geschehen ist – eine einmalige Bestimmung der TPO-AK erfolgen. Inwieweit eine schwangere Frau durch eine derartige Diagnostik profitiert oder möglicherweise verängstigt wird, sollte individuell betrachtet werden. Bei Schwangeren, deren TSH- Wert im Normbereich liegt, sollte keine Bestimmung der TPO-AK erfolgen.
Therapie
Eine Substitution sollte mit Levothyroxin (L-Thyroxin) durchgeführt werden. Unter dieser „sollte das TSH regelmäßig, mindestens einmal pro Trimenon, kontrolliert werden. Das Kontrollintervall kann in Abhängigkeit von Verlauf und Höhe des TSH-Wertes individuell angepasst werden … [außerdem] sollte sechs Wochen postpartal eine erneute TSH-Kontrolle erfolgen, um die Notwendigkeit einer Therapiefortsetzung beziehungsweise einer möglichen Dosisreduktion oder Therapiebeendigung zu erfassen“[8].
Therapie der latenten Hypothyreose
Die Entscheidung für oder gegen eine Therapie mit L-Thyroxin sollte unter Würdigung des TSH-Wertes und möglicher Symptome partizipativ mit der Schwangeren getroffen werden und sich am TSH-Wert (unter oder über 10 mU/l) orientieren. Das Statement der Leitlinie sagt klar: „Eine Empfehlung zur Hormontherapie bei latenter Hypothyreose in der Schwangerschaft kann aufgrund der vorliegenden Datenlage aktuell nicht formuliert werden“[9]. Diese Aussage bezieht sich auf Schwangere mit einem TSH < 10 mU/l – eine Empfehlung zur Therapie gibt es nur für Schwangere mit einer latenten Hypothyreose und einem TSH > 10 mU/l. Sollte eine Entscheidung für eine Therapie getroffen werden, gilt es zu vermeiden, dass in eine iatrogene Hyperthyreose „therapiert“ wird, deshalb sollten die genannten Kontrollintervalle eingehalten werden. Möglicherweise kann postpartal die Dosis reduziert oder die Medikation beendet werden, deshalb empfiehlt die Leitlinie sechs Wochen nach der Geburt eine TSH-Kontrolle.
Therapie der manifesten Hypothyreose
Bei Erstmanifestation einer manifesten Hypothyreose sollte eine Therapie mit L-Thyroxin eingeleitet, bei Patientinnen, die bereits mit L-Thyroxin aufgrund dieser Erkrankung vorbehandelt werden, diese fortgesetzt werden. Auch hier gelten die beschriebenen Kontrollintervalle. Eine euthyreote Einstellung mit TSH-Werten zwischen 0,4 bis 4,0 mU/l ist anzustreben. Da ein größerer Teil der mit Levothyroxin (LT4) vorbehandelten Schwangeren einen erhöhten Bedarf an LT4 haben, sollte postpartal „auf die präkonzeptionelle L-Thyroxin-Dosis reduziert werden“[10,11].
Kinderwunsch
Wie bei Schwangeren sollte auch bei Frauen mit Kinderwunsch, die asymptomatisch sind und bisher nicht wegen einer Schilddrüsenerkrankung behandelt wurden, kein Routine-TSH-Screening erfolgen[12]. Sofern aufgrund angegebener Symptome eine Laboruntersuchung durchgeführt wurde, die einen erhöhten TSH-Wert zeigte, sollte eine weitergehende Diagnostik wie oben angegeben erfolgen. Bei unerfülltem Kinderwunsch respektive künstlicher Befruchtung sind gegebenenfalls abweichende Vorgehensweisen in einem interdisziplinären Setting (Reproduktionsmedizin, Gynäkologie, Endokrinologie etc.) zu klären[13].
Autor: Dr. med. Armin Wunder
Quelle: Der Allgemeinarzt



