Die interkulturelle Behandlung von Menschen mit Diabetes und Migrationshintergrund stand im Mittelpunkt eines Symposiums auf dem Diabetes Kongress (DDG) Ende Mai in Berlin. Vier Experten stellten Konzepte vor, die dabei helfen sollen, eine adäquate Diabetes-Versorgung auch bei Sprachbarrieren und kulturellen Unterschieden gewährleisten zu können.
In Dresden wird eine spezielle Diabetes-Sprechstunde für Kinder und Jugendliche aus der Ukraine angeboten. Irena Drozd stellte das Konzept vor. Sie berichtete, dass seit Beginn des Krieges in der Ukraine zunehmend geflüchtete Kinder und Jugendliche in die spezialisierte Sprechstunde kommen. „Es gibt große Unterschiede im Wissen und in der praktischen Umsetzung der Therapie. Einige Familien nutzen veraltete Pumpenmodelle, andere kennen moderne Systeme nur aus Onlineforen. Ein strukturierter Schulungshintergrund fehlt meist, was sich besonders in der Hypoglykämiebehandlung zeigt, etwa wenn bei niedrigem Blutzucker ungeeignete Lebensmittel verwendet werden“, so Drozd. Ein weiteres Problem sei die Sprache. Ob russisch oder ukrainisch gesprochen wird, habe oft politische Hintergründe, was auch die Auswahl von Dolmetschern erschwere. Hinzu kämen organisatorische Hürden wie der Versicherungsstatus, der nicht immer geklärt sei. „Die psychische Belastung der Familien ist zudem hoch, da sie sich in einem fremden Land ohne Sprachkenntnisse zurechtfinden müssen“, erklärte Drozd. Auch kulturelle Unterschiede würden die Therapie prägen: „In der Ukraine übernehmen meist die Mütter die Verantwortung, Kinder sind weniger selbstständig. Die Ernährung unterscheidet sich ebenfalls, insbesondere das abendliche Hauptgericht mit vielen Kohlenhydraten verlangt eine angepasste Insulindosierung.“
Digitale Übersetzungshilfen
Sebastian Bittner griff das Sprachproblem in seinem Vortrag noch einmal auf und erklärte, dass erwachsene Geflüchtete keinen gesetzlichen Anspruch auf einen Dolmetscher hätten. Ausnahmen gelten lediglich für gehörlose Patienten. In der Fachklinik Bad Heilbronn, in der er tätig ist, werden daher mehrsprachige Informationsmaterialien und digitale Übersetzungshilfen genutzt, um Gespräche zu erleichtern.
Übersetzungs-Apps waren auch das Thema von Simone von Sengbusch aus Lübeck. Sie schilderte eindrucksvoll, wie ein Dolmetschermangel im Klinikalltag zu problematischen Situationen führen kann. In einem Fall konnte nur durch Zufall eine Studentin dolmetschen. Ein anderer Fall verdeutlichte, wie wichtig neutrale Dolmetschende seien, da Abhängigkeitsverhältnisse das Vertrauensverhältnis belasten können. „Technische Hilfsmittel wie Apps oder Geräte mit Sprachausgabe werden bereits genutzt, allerdings mit begrenzter Genauigkeit und teilweise fehlender Datenschutzkonformität“, so von Segbusch. „Die Technik entwickelt sich rasant, aber die Qualität ist stark abhängig von der Trainingsbasis der KI.“ Studien würden zeigen, dass solche Systeme für eine einfache Kommunikation ausreichten, nicht jedoch für komplexe medizinische Inhalte.
Diabetes-Informationsportal
Astrid Glaser, Neuherberg, stellte das Diabetes-Informationsportal diabinfo.de vor, das fundierte Informationen mehrsprachig zur Verfügung stellt. Die Inhalte richten sich an Menschen mit erhöhtem Risiko, an Patienten mit bereits diagnostiziertem Diabetes sowie an Fachkreise. Die Materialien sind in mehreren Sprachen verfügbar, darunter Türkisch, Polnisch, Russisch, Ukrainisch und Arabisch. Besonders wertvoll sind die zweisprachigen PDF-Dokumente, die sowohl Patienten als auch Behandelnden helfen, Inhalte korrekt zu vermitteln und zu verstehen. Auch visuelle Materialien und Grafiken werden angeboten. Insgesamt wurde in allen Vorträgen deutlich, wie entscheidend Sprache, kulturelle Sensibilität und strukturelle Unterstützung für eine erfolgreiche Behandlung von Menschen mit Migrationshintergrund sind.
Autorin: Sonja Buske
Quelle: Diabetes-Kongress (DDG), Berlin, Interkulturelle Behandlung von Menschen mit Diabetes und Migrationshintergrund
Abb.: Graphicroyalty – stock.adobe.com



