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Cannabidiol (CBD) Öl: Moderne Medizin aus der Hanfpflanze

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Cannabidiol (CBD) Öl: Moderne Medizin aus der Hanfpflanze

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Erschienen in: Der Allgemeinarzt

Die Renaissance eines natürlichen Wirkstoffs

Cannabidiol (CBD) ist ein nicht-psychoaktiver Wirkstoff der Hanfpflanze, der in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Renaissance in der medizinischen Forschung erlebt hat. Im Gegensatz zu Tetrahydrocannabinol (THC) verursacht CBD keinen Rauschzustand, bietet jedoch ein breites Spektrum potenzieller therapeutischer Wirkungen. Die wachsende wissenschaftliche Evidenz für seine medizinischen Anwendungen hat zu einem regelrechten Boom von CBD-Produkten geführt, wobei CBD Öl zu den beliebtesten Darreichungsformen zählt.

Der unsichtbare Dirigent im Körper

CBD entfaltet seine Wirkung hauptsächlich über das Endocannabinoid-System (ECS), ein komplexes Netzwerk von Rezeptoren, das zahlreiche physiologische Prozesse reguliert. Anders als THC bindet CBD nicht direkt an die Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2, sondern wirkt als subtiler Modulator verschiedener Signalwege. Es interagiert mit Serotonin-Rezeptoren, TRPV1-Rezeptoren und beeinflusst Enzyme wie die Fettsäureamid-Hydrolase.

Besonders bemerkenswert sind die entzündungshemmenden Eigenschaften von CBD. Aktuelle Forschungen aus dem Jahr 2023 haben gezeigt, dass CBD die Interaktionen von Phosphatase-Subunits beeinflusst und so Entzündungsprozesse auf molekularer Ebene hemmt. Diese Erkenntnisse eröffnen neue Perspektiven für therapeutische Anwendungen bei entzündlichen Erkrankungen.

Hoffnungsträger bei therapieresistenter Epilepsie

Die stärkste wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit von CBD besteht im Bereich der Epilepsiebehandlung. Bei therapieresistenten Formen wie dem Dravet-Syndrom und dem Lennox-Gastaut-Syndrom konnte CBD in klinischen Studien die Anfallshäufigkeit signifikant reduzieren. Diese Erfolge führten zur Zulassung von Epidiolex®, einem CBD-basierten Medikament, in den USA und Europa.

Eine randomisierte, doppelblinde Studie mit Patienten mit Lennox-Gastaut-Syndrom zeigte, dass CBD als ergänzende Therapie nicht nur die Häufigkeit, sondern auch die Schwere der Anfälle reduzieren kann. Die Wirksamkeit blieb über eine 48-wöchige Therapiedauer bestehen, was auf ein nachhaltiges therapeutisches Potenzial hinweist.

Natürlicher Verbündeter gegen Schmerz und Entzündung

Im Bereich der Schmerztherapie zeigt CBD vielversprechende Ergebnisse, insbesondere bei neuropathischen Schmerzen und entzündlichen Erkrankungen wie Arthritis. Die entzündungshemmende Wirkung von CBD basiert auf seiner Fähigkeit, die Produktion proinflammatorischer Zytokine zu reduzieren und die Aktivität von T-Zellen zu modulieren.

Molekularbiologische Untersuchungen haben gezeigt, dass CBD die Aktivität von Phosphatasen moduliert, die eine Schlüsselrolle bei Entzündungsprozessen spielen. Diese Hemmung führt zu einer verminderten Dephosphorylierung entzündungsfördernder Proteine und trägt so zur entzündungshemmenden Wirkung bei.

Bei Arthritis könnte CBD besonders wirksam sein. Studien haben gezeigt, dass CBD eine Reduzierung von Gelenkschmerzen bewirken kann und Betroffene von einer verbesserten Beweglichkeit und geringerer Morgensteifigkeit berichten.

Seelischer Ausgleich durch pflanzliche Kraft

Mehrere klinische Studien deuten auf das therapeutische Potenzial von CBD bei Angststörungen hin. Eine Studie mit 72 Probanden zeigte, dass CBD signifikant zur Reduzierung von Angstzuständen beitragen kann, wobei die Angstwerte bereits innerhalb des ersten Monats abnahmen und während der dreimonatigen Studiendauer niedrig blieben.

Besonders interessant ist die Wirkung von CBD bei sozialer Angst. Eine Untersuchung zeigte, dass die Einnahme von CBD vor öffentlichen Reden Angstzustände, kognitive Beeinträchtigungen und Beschwerden bei der Sprachleistung verringern kann. Diese Ergebnisse legen nahe, dass CBD als natürliche Alternative zu herkömmlichen Anxiolytika in Betracht gezogen werden könnte.

Sanfter Weg in den Schlaf

CBD könnte bei der Behandlung von Schlafstörungen hilfreich sein, obwohl die Studienlage hier gemischte Ergebnisse zeigt. Eine Fallserie mit erwachsenen Probanden zeigte, dass sich die Schlafwerte bereits innerhalb des ersten Monats bei vielen Teilnehmern verbesserten, im Laufe der Zeit jedoch zu schwanken begannen.

Die Wirkung von CBD auf den Schlaf scheint dosisabhängig zu sein, wobei niedrigere Dosen eher wachmachend und höhere Dosen eher sedierend wirken können. Zudem könnte die schlaffördernde Wirkung indirekt durch die Reduktion von Angstzuständen und Schmerzen vermittelt werden, die häufig Schlafstörungen verursachen.

Verträglichkeit und Vorsichtsmaßnahmen

Obwohl CBD im Allgemeinen als gut verträglich gilt, können verschiedene Nebenwirkungen auftreten, darunter Müdigkeit, Schlafstörungen, Verdauungsbeschwerden und Schwindel. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat CBD als sicher eingestuft, und es gibt keine Hinweise auf ein Abhängigkeitspotenzial.

Eine wichtige Überlegung betrifft Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. CBD kann mit dem Stoffwechsel verschiedener Arzneimittel interagieren, indem es Enzyme des Cytochrom-P450-Systems hemmt. Dies kann zu erhöhten Blutspiegeln von Medikamenten führen, die über diese Enzyme metabolisiert werden, darunter Antiepileptika, Antipsychotika und Blutverdünner.

Die langfristigen Auswirkungen einer regelmäßigen CBD-Anwendung sind noch nicht vollständig erforscht. Einige Sicherheitsbedenken betreffen die Leberfunktion, wobei bei höheren Dosen in einigen Studien erhöhte Leberenzymwerte beobachtet wurden. Die britische Food Standards Agency empfiehlt aus Sicherheitsgründen, dass gesunde Erwachsene nicht mehr als 10 mg CBD pro Tag konsumieren sollten.

Qualität entscheidet über Wirkung

Die Qualität von CBD-Produkten variiert erheblich und hängt von Faktoren wie dem Extraktionsverfahren und dem resultierenden CBD-Spektrum ab. Vollspektrum-CBD enthält alle natürlich vorkommenden Cannabinoide und Terpene der Hanfpflanze und könnte durch den sogenannten „Entourage-Effekt“ wirksamer sein als isoliertes CBD.

Ein ernstes Problem bei CBD-Produkten ist die potenzielle Kontamination mit Pestiziden, Schwermetallen, Lösungsmittelrückständen und undeklariertem THC. Studien haben gezeigt, dass viele im Handel erhältliche CBD-Produkte nicht den angegebenen CBD-Gehalt enthalten oder mit THC kontaminiert sind, was rechtliche und gesundheitliche Konsequenzen haben kann.

Rechtliche Grauzone mit klaren Grenzen

Die rechtliche Situation von CBD in Deutschland ist komplex. Grundsätzlich ist CBD als Einzelsubstanz legal, da es nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fällt und keine psychoaktive Wirkung hat. Dies wurde durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom November 2020 bestätigt.

CBD-Produkte müssen jedoch bestimmte Kriterien erfüllen, um legal zu sein: Der THC-Gehalt muss unter 0,2% liegen, die Produkte müssen aus EU-zertifiziertem Nutzhanf stammen, und der Verkehr mit ihnen muss ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dienen.

Eine weitere rechtliche Hürde stellt die Novel Food-Verordnung dar. CBD gilt in der EU als „neuartiges Lebensmittel“, da es vor 1997 nicht in nennenswertem Umfang konsumiert wurde. Dies bedeutet, dass CBD-haltige Lebensmittel vor dem Verkauf eine Zulassung nach einer Sicherheitsprüfung benötigen. Bisher wurden in der EU keine CBD-haltigen Lebensmittel zugelassen.

Individualisierte Anwendung für optimale Ergebnisse

Bei der Erwägung von CBD als Therapieoption sollten Ärzte evidenzbasierte Indikationen berücksichtigen und CBD primär für Erkrankungen in Betracht ziehen, für die eine ausreichende Evidenz vorliegt. Die Produktauswahl und Dosierung sollte individualisiert werden, mit niedrigen Anfangsdosen und schrittweiser Steigerung.

Eine umfassende Patientenaufklärung ist entscheidend für eine erfolgreiche CBD-Therapie. Patienten sollten über die wissenschaftlich belegten Wirkungen und Grenzen von CBD informiert werden, um überhöhte Erwartungen zu vermeiden. Auch Informationen über mögliche Nebenwirkungen, rechtliche Aspekte und Produktqualität sollten Teil der Beratung sein.

CBD sollte in den meisten Fällen als Teil eines umfassenden Behandlungsansatzes betrachtet werden, als Ergänzung zu etablierten Therapien, nicht als deren Ersatz. Bei komplexen Erkrankungen ist eine Abstimmung zwischen verschiedenen Fachrichtungen sinnvoll.

Ausblick in eine vielversprechende Zukunft

Die Forschung zu CBD entwickelt sich rasch weiter, mit zahlreichen laufenden klinischen Studien in Bereichen wie neurologische und psychiatrische Erkrankungen, Schmerzmanagement, entzündliche Erkrankungen und metabolische Störungen.

Trotz der wachsenden Evidenzbasis bestehen weiterhin wichtige Forschungslücken, insbesondere hinsichtlich der Langzeitwirkungen, optimalen Dosierungen und möglichen Wechselwirkungen. Die Entwicklung standardisierter CBD-Präparate mit konsistenter Zusammensetzung und Bioverfügbarkeit stellt eine wichtige Herausforderung für die Zukunft dar.

CBD Öl zeigt vielversprechendes therapeutisches Potenzial in verschiedenen medizinischen Bereichen. Mit zunehmender Forschung und besserer Standardisierung könnte es sich zu einer wertvollen Ergänzung des medizinischen Arsenals entwickeln, insbesondere für Patienten, die von konventionellen Therapien nicht ausreichend profitieren.

Quellenverzeichnis
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). (2023). Fragenkatalog zu CBD. Online verfügbar unter: www.bvl.bund.de/SharedDocs/Fokusmeldungen/01_lebensmittel/2019/2019_03_20_Cannabidiol.html
Peltner, L.K., et al. (2023). Cannabidiol acts as molecular switch in innate immune cells to promote the biosynthesis of inflammation-resolving lipid mediators. Cell Chemical Biology, 30(12), 1120-1132.
Europäischer Gerichtshof. (2020). Urteil vom 19.11.2020 (C-663/18). Verfügbar unter: curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2020-11/cp200141de.pdf
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). (2024). Cannabinoide in CBD-Ölen – wieviel ist enthalten? Verfügbar unter: www.bfr.bund.de/cm/343/cannabinoide-in-cbd-oelen-wieviel-ist-enthalten.pdf
Devinsky, O., et al. (2018). Cannabidiol in patients with seizures associated with Lennox-Gastaut syndrome (GWPCARE4): a randomised, double-blind, placebo-controlled phase 3 trial. The Lancet, 391(10125), 1085-1096.
Shannon, S., et al. (2019). Cannabidiol in Anxiety and Sleep: A Large Case Series. The Permanente Journal, 23, 18-041.
Walczyńska-Dragon, K., et al. (2024). Cannabidiol Intervention for Muscular Tension, Pain, and Sleep Bruxism Intensity—A Randomized, Double-Blind Clinical Trial. Journal of Clinical Medicine, 13(5), 1417.
World Health Organization (WHO). (2018). Critical Review Report: Cannabidiol. Expert Committee on Drug Dependence, Fortieth Meeting.
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg. (2023). Urteil vom 16.08.2023 (9 S 969/23).
Kuhathasan, N., et al. (2019). The use of cannabinoids for sleep: A critical review on clinical trials. Experimental and Clinical Psychopharmacology, 27(4), 383-401.

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