Im Schutz der Dunkelheit raufte sich die gescheiterte „Ampel“-Bundesregierung zu einer letzten gesundheitspolitischen Gesetzgebung zusammen. Nach Mitternacht beschloss der Bundestag das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) und damit die Entbudgetierung der Hausärzte. Damit werden ca. 440 Mio. Euro zusätzlich pro Jahr in die hausärztlichen Budgets fließen.
NDie Geringfügigkeitsgrenzen bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen fanden jedoch keinen Zugang mehr ins Gesetz. Für die Mehrheit im Bundestag sorgten am Ende SPD, Grüne und FDP; CDU/CSU und AfD enthielten sich. Lediglich die Fraktion der Linken stimmte gegen das GVSG. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach begrüßte die Einigung: „Es ist ein unwürdiger Zustand, dass Hausarztpraxen überfüllt sind, weil auch Menschen mit leichten chronischen Erkrankungen jedes Quartal in die Praxen kommen müssen.“ Er hoffe nun auf mehr Zeit für schwere Fälle und neue Patienten. Im Gesundheitsressort hat die Ampel aus Sicht Lauterbachs gut funktioniert. „Hätten wir das in anderen Politikbereichen auch geschafft, stünden wir alle anders da.“
Die aus dem Bundestag ausscheidende FDP-Politikerin Christine Aschenberg-Dugnus gehörte zu den Architektinnen der GVSG-Einigung in letzter Minute und ist im Vorstand ihrer Partei für Gesundheitspolitik zuständig. Ihr Statement war klar: „Budgetierung und Honorardeckel, das klingt harmlos. Aber es sind die leistungsfeindlichsten Instrumente, die unser Gesundheitssystem kennt.“ Der Arztberuf müsse wieder attraktiv werden, in dem jede medizinisch-notwendige Leistung vollständig vergütet werde.
Wichtiges Signal für die Hausarztpatienten
Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband reagierte mit Freude und Erleichterung auf den Beschluss. „SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP haben ihr Versprechen gehalten und den ersten Baustein für eine zukunftsfeste hausärztliche Versorgung gelegt. Das ist ein wichtiges Signal für die Hausarztpraxen und vielerorts buchstäblich die Rettung in letzter Sekunde!“, unterstrichen die Bundesvorsitzenden des HÄV, Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth und Dr. Markus Beier. Insbesondere in budgetierten Regionen, wie etwa Hamburg, Berlin, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt oder Baden-Württemberg, werden viele Hausarztpraxen erleichtert aufatmen, so der HÄV. Ohne die Entbudgetierung hätten in den kommenden Jahren immer mehr Praxen schließen müssen. Dass dies nun verhindert werde, sei ein großer Gewinn für die Versorgung der Menschen.
Auch die Vorhalte- und die Chronikerpauschale haben aus Sicht des Verbands das Potenzial, die versorgenden Praxen zu entlasten, denn sie stärken eine bedarfsgerechte hausärztliche Versorgung. Die Politik habe ein wichtiges Fundament gelegt, auf dem im zweiten Schritt aufgebaut werden müsse. „Die Maßnahmen in die Versorgung zu bekommen, wird keine triviale Aufgabe – auch, weil das Gesetz an ein paar Stellen Lücken lässt. Dennoch ist dieses Gesetzespaket für die hausärztliche Versorgung ein deutlicher Fortschritt zum Status quo. Die Verantwortlichen sind daher dringend dazu aufgerufen, gemeinsam anzupacken und die Maßnahmen im Sinne der hausärztlichen Versorgung umzusetzen“, appellieren Buhlinger-Göpfahrt und Beier.
HZV muss oben auf der Prioritäten-Liste stehen
Die Co-Bundesvorsitzende Buhlinger-Göpfarth blickt bereits weiter in die neue Legislatur des Parlaments. „Die nächste Bundesregierung muss jetzt da weitermachen, wo die Ampel-Parteien aufgehört haben. Ganz oben auf der To-do-Liste steht die Stärkung der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV), denn dieser Punkt fehlt in den Beschlüssen leider komplett. Die HZV ist der Schlüssel, um die hausärztliche Versorgung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten sicherzustellen. Außerdem braucht es eine Stärkung der Praxisteams. Unverständlich ist auch, weswegen die Erhöhung der Bagatellgrenzen nicht Teil des Pakets sind. Hier ist eine Chance vertan worden.“
HÄV äußert Unverständnis über die Haltung der Krankenkassen
Der HÄV sendet eine deutliche Warnung an die Krankenkassen, sich nicht in diesem Prozess querzustellen, nachdem der hausärztliche Bereich jahrelang schwer vernachlässigt worden sei. Deutliche Kritik übt der Verband, da die Krankenkassen bis zuletzt massiv gegen die Stärkung der hausärztlichen Versorgung gearbeitet hätten: „Wenn jetzt nicht in die hausärztliche Versorgung investiert wird“, mahnt Beier, „dann bricht die Versorgung Stück für Stück zusammen – und das wäre sowohl aus versorgungspolitischer als auch finanzieller Sicht katastrophal. Das müssen auch die Krankenkassen verstehen. Außerdem muss man klar sagen: Die Summen, um die es hier geht, sind im Vergleich zu anderen Investitionen, beispielsweise im stationären Sektor, übersichtlich und nicht der Grund für steigende Beiträge.“
Autor: Franz-Günther Runkel
Quelle: Der Allgemeinarzt
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