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Asthma und Allergien – Teil 3: Asthma und Atopie

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Asthma und Allergien – Teil 3: Asthma und Atopie

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5 MIN

Erschienen in: Der Allgemeinarzt

Im dritten und letzten Teil der Serie geht es um den ­Zusammenhang zwischen Atopie und Asthma sowie ­
um den Einfluss des ­Klimawandels auf die ­Allergenität von Pollen.

Asthma und chronische Atemwegserkrankungen gehören weltweit zu den häufigsten chronischen Gesundheitsproblemen und sind oft mit erheblichen Einschränkungen der Lebensqualität verbunden. Atopie, eine genetisch bedingte Veranlagung zur Entwicklung allergischer Erkrankungen, stellt einen zentralen Risikofaktor für die Entstehung von Asthma dar. Insbesondere bei einer familiären Vorbelastung ist das Risiko signifikant erhöht.

Können Asthma und chronische 
Atemwegserkrankungen durch 
Atopieprävention verhindert werden?

Atopie ist ein wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung von Asthma. Die familiäre Vorgeschichte von Atopie ist für die Entwicklung von Asthma von großer Bedeutung. Es ist daher logisch anzunehmen, dass die Verhinderung einer Atopie zur Verhinderung von Asthma von äußerster Wichtigkeit ist. Wir verstehen jedoch immer noch nicht, warum bis zu 75 % der jugendlichen Asthmatiker atopisch sind, aber ein viel geringerer Anteil an Atopikern ist asthmatisch.
In den Anfängen der Atopie- und Asthmaforschung wurde vermutet, dass die meisten Kinder einem Muster folgen würden, das als „atopischer Marsch“ bezeichnet wird. Mit anderen Worten, Asthma würde der Rhinitis folgen, der wiederum ein Ekzem und eine Nahrungsmittelallergie ­vorausgehen. In Bezug auf die Prävalenz scheint dieses Konzept gültig zu sein. Außerdem sehen Kliniker oft kleine Kinder, die häufig mit Ekzemen und Nahrungsmittelallergien konfrontiert sind, und ältere Kinder scheinen allergisches Asthma zu entwickeln.
Die Ergebnisse aktueller Kohortenstudien zeigen jedoch, dass dies bei der Mehrzahl der asthmatischen Kinder nicht der Fall ist. Die sorgfältigste Studie, die dies untersuchte, wurde in Großbritannien durchgeführt. Hier wurden die Daten zweier Geburtenkohorten kombiniert, die zusammen mehr als 10.000 Kinder umfassten. In dieser Studie, die komplexe mathematische Modelle verwendete, folgten nur 6 % der Kinder mit einer atopischen Erkrankung dem klassischen atopischen Marsch wie bereits beschrieben. 70 % der Kinder mit Ekzemen entwickelten keine Atemwegserkrankungen. Es wurde spekuliert, ob die Hautbarriere durch kontinuierliches Waschen mit Seife aufgebrochen wird, indem sie die Haut zu trocken macht. Wird die Haut in der frühen Kindheit dagegen mit einer Basiscreme behandelt und nicht mit Seife gewaschen, kann der Weg des gesamten allergischen Marsches möglicherweise geändert werden.

Klimawandel und Allergieentstehung

Der durch die Erderwärmung beobachtete Klimawandel betrifft die menschliche Gesundheit auch unter allergologischen Aspekten. Eine erhöhte CO2-Konzentration (natürlicher Pflanzendünger), Temperaturen und mildere Winter führen zu teilweise erhöhter und verlängerter Pollenfreisetzung. Weitere Faktoren wie z.B. Trockenheit, Ozon, UV-Strahlung und anthropogene Luftschadstoffe wirken als zusätzliche Stressfaktoren auf die Pflanzen, die mit Veränderungen in Protein- und Metabolitmustern reagieren, sodass auf diese Weise die Allergenität von Pollen beeinflusst wird. Je nach Region und klimatischen Bedingungen werden mehr bzw. neue ­Arten oder in einigen Fällen auch weniger Pollen freigesetzt.
Der Klimawandel führt zu Veränderungen der Fauna und Verschiebung der Vegetationszonen in nördlichere Regionen, eine zunehmende Einwanderung von Neophyten (nicht zur üblichen Vegetation gehörende Pflanzen wie z.B. Ambrosia artemisiifolia = ragweed = Traubenkraut), eine verlängerte Pollenflugzeit mit erhöhtem Pollenflug, eine Änderung der Allergenität (Bet v 1, Phl p 5 etc.) und von Begleitsubstanzen (PALMS, LPS) von Pollen.
Bei zunehmender Erwärmung ist zunächst eine Zunahme der allergenen (und nicht-allergenen) Pollen zu erwarten, bei langanhaltender und weiter steigender Erwärmung werden die ortsüblichen pollenproduzierenden Pflanzen in ihrem Wachstum aber ungünstig beeinflusst und ihr Bestand wird sich verringern. Dies würde zu einer Verringerung des Pollenfluges (allergene und nicht-allergene) führen (Verschiebung der ­Vegetation).
Allergiepräventionsstrategien in Finnland zeigen Wege für erfolgreiche Gegenmaßnahmen auf. Hier wurde ein nationales Allergieprogramm etabliert, in dem klare Anweisungen zur Prävention formuliert wurden. Das Sondergutachten „Umwelt und Gesundheit“ des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU) der Bundesregierung sieht dringenden Handlungsbedarf zur Einleitung geeigneter Vorsorgemaßnahmen auch für Deutschland. Die Umsetzung solcher Maßnahmen kann die Gesundheit der Atemwege sowie die allgemeine Gesundheit und das Wohlbefinden der Bevölkerung nachhaltig verbessern.

Fazit

Derzeit ist das Wissen über die Primärprävention allergischer Atemwegserkrankungen mit Ausnahme der Raucherentwöhnung begrenzt. Das Risiko für AR und Asthma im Kindesalter wird durch Rauchen erhöht. Daher könnte die Anzahl von Kindern mit Asthma und AR aus Atopikerfamilien verringert werden, wenn ihre Eltern zu einer dauerhaften Einstellung des Rauchens überzeugt werden könnten. Es gibt nur ein begrenztes oder kontroverses Wissen über andere Umweltfaktoren und deren Auswirkungen auf allergische Atemwegserkrankungen. Die Belastung der Umwelt durch Abgase und andere Schadstoffe kann zu einer Verstärkung der allergischen Reaktion im Organismus führen. Die Festlegung entsprechender Emissionswerte durch den Gesetzgeber und deren Umsetzung durch Städte und Kommunen könnte somit gerade in Ballungszentren einen Beitrag zur Allergieprävention leisten.
Auch wenn die einzelnen zugrunde liegenden Mechanismen bisher nicht verstanden sind, werden eine westliche Urbanisierung und Änderungen des Lebensstils als Hauptursache für die Zunahme allergischer Atemwegserkrankungen angesehen. Es besteht daher eine weltweite Notwendigkeit, die gegenwärtige Epidemie chronisch allergischer Atemwegserkrankungen einzudämmen und die entsprechende Studienlage durch nationale und internationale Förderungen zu verbessern.
Dabei sind vor allem Studien zur Vorhersage und Prävention von allergischen Erkrankungen erforderlich, da diese Studien effektiv zur Reduktion der sozio-ökonomischen Belastung beitragen können. Ebenso notwendig sind Programme für eine bessere Aufklärung der Bevölkerung über die Folgen und Belastungen durch allergische Atemwegserkrankungen und wie diese durch primäre, sekundäre und tertiäre Präventionsansätze positiv beeinflusst werden können.

Autor: Prof. Dr. med. 
Ludger Klimek

Quelle: Der Allgemeinarzt

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