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Asthma und Allergien – Teil 2: Präventionsstrategien bei 
Atemwegsallergien

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Asthma und Allergien – Teil 2: Präventionsstrategien bei 
Atemwegsallergien

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Erschienen in: Der Allgemeinarzt

Wie lässt sich einer Hausstaubmilben-Allergie vorbeugen? Warum haben Kinder auf dem Land weniger Allergien? Was bringen diätetische Maßnahmen während der Schwangerschaft und für Kinder? Und wie sinnvoll ist die Sekundärprävention mittels Allergen-Immunisierung? Das sind die Themen im zweiten Teil der Serie.

Die meisten Studien, die darauf abzielen, das Asthma- oder Allergierisiko durch eine Kontrolle der umweltbedingten Allergen­exposition zu verringern, sind inkonsistent und ohne klare Ergebnisse.

Allergenvermeidung als Präventionsstrategie bei Atemwegsallergien

Die Isle of Wight-Studie untersuchte die Auswirkungen von Diäten und umfangreichen Maßnahmen zur Verringerung der Hausstaubmilbenexposition (HSM). Diese Studie mit einer relativ kleinen Anzahl von Kindern (n = 120), bei denen das Risiko für allergische Erkrankungen als hoch eingestuft wurde, ist die einzige Studie, bei der eine Verringerung der Sensibilisierung gegen Hausstaubmilben und der chronische Atemwegs­inflammationen (CAI) bis zum Alter von 18 Jahren nachgewiesen werden konnte. Die viel umfangreichere und umfassendere Manchester-Studie zeigte einen gegenteiligen Effekt auf die Milbensensibilisierung. In einer randomisierten, kontrollierten Studie wurde keine Reduktion der Asthma-Entwicklung festgestellt bei Familien, die HSM vermieden, verglichen mit solchen ohne HSM-Karenz. Eine andere Studie untermauerte diese Ergebnisse, indem sie nach der Gewinnung von Staubproben keine Unterschiede hinsichtlich der Sensibilisierung oder Atemwegsproblemen bei Kindern mit oder ohne Allergenkarenz zeigte.
Oft wurde aber eine Verringerung der Allergenexposition nicht erfasst oder nicht nachgewiesen. In den Studien hingegen, in denen eine Verringerung der Allergenexposition nachgewiesen wurde, zeigte sich auch ein positiver Effekt der Karenz auf die Symptomatik. Auf der anderen Seite könnten häufige virale Infektionen der oberen Atemwege in den ersten Lebensjahren den Ausbruch von Asthma in späteren Jahren verringern. Leider verstehen wir die Mechanismen, die über eine Sensibilisierung zur Entstehung allergischer Erkrankungen führen, nur unvollständig, sodass auch der Einfluss der Allergenexposition an der Entwicklung von CAI bisher nicht abschließend geklärt ist. Eine klare Empfehlung zur Allergenkarenz besteht dagegen beim Auftreten einer Anaphylaxie. Auch in der Sekundärprävention spielt die Allergenkarenz eine entscheidende Rolle.

Innenraumallergene

Im Zusammenhang mit AR-Prävention wurden die HSM als Innenraumallergen am häufigsten studiert. Insbesondere in den tropischen Ländern ist die Rate an HSM-Allergien gestiegen. Die Allergie gegen HSM stellt die häufigste Ursache für eine ganzjährige AR dar. Die Schlafumgebung scheint hierbei ein wichtiger Faktor zu sein, da die Kontaktvermeidung bei allergischen Personen zu einer Linderung der Symptome führen kann. In den Ländern, in denen unterschiedliche Allergene aufgrund von saisonalen Veränderungen auftreten, ist die Diagnose komplexer.
Im Jahr 2010 wurde ein Cochrane-Review veröffentlicht. In den neun eingeschlossenen Untersuchungen kamen sieben Studien zu dem Schluss, dass die HSM-Belastung durch die Kombination von Akariziden und eine Kontrolle der Schlafumgebung reduziert werden kann. Die Reduzierung von AR-Symptomen wurde in den eingeschlossenen Studien dagegen nur unzureichend bewertet. Weiterführende Studien, die den Einfluss der Allergenreduktion auf die AR-Symptome untersuchen, sind daher notwendig. Andere Faktoren wie übermäßiger Feuchtigkeitsgehalt und flüchtige organische Verbindungen können auch eine Rolle bei der Allergie gegen Luftallergene spielen. Zusammengenommen besteht jedoch ein umstrittenes Wissen über die Wirkung von Innenraumpartikeln auf die Entwicklung von AR oder CAI. Aber wie bereits erwähnt, die Studien bei denen die HSM Belastung nachweisbar verringert wurde, waren auch die Studien in denen ein positiver Effekt der Karenz auf die Allergiesymptomatik beschrieben wurde.

Außenluftallergene

Der Klimawandel sowie die Exposition gegenüber Luftschadstoffen wie NOx, Feinstäuben (PM10 und PM2,5) und O3 gelten als einige Ursachen für die Zunahme allergischer Erkrankungen.
Luftverunreinigende Substanzen wie Schwefeldioxid (SO2) erhöhen nachweislich die Anzahl an AR erkrankten Patienten. Ein Anstieg des SO2-Spiegels korreliert mit einem Anstieg von Arztbesuchen wegen AR. In einer Querschnittsfragebogenstudie kamen die Autoren zu dem Schluss, dass die Erhöhung der SO2-Spiegel die Prävalenz für AR bei taiwanesischen Schulkindern erhöhte.
In Europa hat sich, durch die Gesetze zur Entschwefelung der Treib- und Brennstoffe, die SO2 Belastung schon über viele Jahren verringert. Eine wichtige Quelle für SO2 sind Schiffe, die trotz gesetzlicher Verringerung von Schwefel in ihren Treibstoffen noch große Teile der Umweltbelastung ausmachen. Des Weiteren hat sich gezeigt, dass die Exposition gegenüber verkehrsbedingten Schadstoffen während der Schwangerschaft die Inzidenz von AR sowie Asthma und Ekzemen erhöht. Es wird spekuliert, dass die Einwirkung extremer Hitze das Auftreten von Heuschnupfen erhöht. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es Hinweise dafür gibt, dass Atemwegserkrankungen mit der Luftverschmutzung assoziiert sind. Die Festlegung entsprechender Emissionswerte durch den Gesetzgeber und deren Umsetzung durch Städte und Kommunen könnte somit gerade in Ballungszentren einen Beitrag zur Allergieprävention beitragen. Dass die Messwerte für Umweltschadstoffe in Europa kontinuierlich sinken, ist ein Nachteil für das Bestreben nach ausreichend sauberer Luft, weil 
die ­politische Notwendigkeit so weniger ­dringend ist.
Kinder, die in einer ländlichen Umgebung aufgewachsen sind, entwickeln seltener Asthma und Allergien. Dieser Effekt wurde ausführlich untersucht und wird auf den Kontakt mit Nutztieren und deren Mikroben zurückgeführt. Jüngste Studien über Amische und Hutterer zeigen, dass die Kinder der Amischen eine viel geringere Prävalenz für Asthma haben als die Kinder der Hutterer trotz eines gemeinsamen ethnischen Hintergrundes. Momentan deuten die Daten darauf hin, dass Substanzen aus der Luft, die wahrscheinlich von Tieren und ihren Mikroben stammen, die angeborenen Immunwege formen und schließlich vor Asthma schützen. Derzeit laufen mehrere Studien, um zu untersuchen, ob bakterielle Lysate die Entwicklung von Asthma verhindern könnten.

Probiotika, Vitamin D und Adipositas

In den letzten Jahrzehnten ist das Interesse an Probiotika gestiegen. In mehreren Studien konnte eine deutliche Verringerung des Risikos eines atopischen Ekzems nachgewiesen werden, wenn sowohl schwangere Frauen als auch Neugeborene probiotische Bakterien wie Bifidobacterium lactis oder Lactobacillus rhamnosus erhalten. Bisher konnte jedoch keine Studie einen Asthma- oder CAI-präventiven Effekt zeigen. Jugendliche können bei der Prävention allergischer Erkrankungen von Probiotika profitieren. Abschließend scheint für Probiotika in Bezug auf die Allergie-Prävention nur schwache Evidenz zu bestehen, und das auch nur für einzelne atopische Erkrankungen wie das atopische Ekzem. CAI und AR können dagegen nicht durch Probiotika beeinflusst werden. In einem systematischen Review wurde die Rolle von Vitamin D bei der Primärprävention allergischer Erkrankungen in vier Bevölkerungsgruppen bewertet: Schwangere und Stillende, Säuglinge und ältere Kinder. Es wurde kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Vitamin D und der Prävention von Atemwegserkrankungen gefunden. Es könnte sogar eine Zunahme allergischer Erkrankungen durch Vitamin D entstehen. Über einen Zusammenhang zwischen AR und Adipositas ist wenig bekannt. In einer chinesischen Studie an über viertausend Kindern war die Prävalenz von AR, CAI und atopischer Dermatitis bei adipösen ­Kindern höher als bei Kindern mit normalem ­Gewicht.

Perinatale Diät und 
mütterliche Ernährung

Während der Stillzeit und in den ersten Lebensmonaten wird die Ernährung des Babys als ein wesentlicher Faktor bei der Entwicklung allergischer Erkrankungen angesehen. Die Ernährung Schwangerer und stillender Mütter sowie das Alter der Lebensmitteleinführung der Kinder sind die Hauptschwerpunkte der hierzu veröffentlichten Studien. Danach ergibt sich keine Evidenz für einen Präventiveffekt in Bezug auf die AR bei diätetischer Ernährung der Mutter während der Schwangerschaft oder der Stillzeit. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass bei mangelndem Milchfluss stark hydrolysierte Formulierungen aus Kuhmilch das Auftreten von atopischem Ekzem verringern. Das Auftreten von Asthma oder AR blieb dagegen unbeeinflusst.
In zahlreichen follow-up Kohorten wurde die Bedeutung des Stillens für die Entwicklung der CAI untersucht. Die Ergebnisse waren häufig inkonsistent und die Studien oft durch Selektionsbias und umgekehrte Kausalität beeinträchtigt. Selbst mehrere im Laufe der Jahre durchgeführte Meta-Analysen konnten das Dilemma nicht lösen und zeigten keinen konsequenten Schutz vor CAI und Asthma. Es ist jedoch offensichtlich, dass das Stillen in allen Richtlinien für viele andere gesundheitliche Vorteile empfohlen werden ­sollte.
Auch der Einfluss von ungesättigten Fettsäuren (Omega-3 und -6) wurde in einer randomisierten, kontrollierten Studie in Australien untersucht. Es wurde kein signifikanter Unterschied beim Auftreten allergischer Erkrankungen zwischen den Studiengruppen festgestellt.
Die mütterliche Ernährung während der Schwangerschaft: Ernährungsgewohnheiten und selektive Nahrungsergänzung sowie Eisen, Vitamin D, Folsäure und andere Nährstoffe können sowohl schützende als auch negative Auswirkungen auf die Entwicklung atopischer Erkrankungen der Nachkommen haben. Zum aktuellen Zeitpunkt besteht keine Evidenz für einen Allergie-präventiven Effekt bei diätetischen Maßnahmen im Rahmen der Schwangerschaft. Nur eine Studie zum Ernährungsverhalten von Müttern konnte eine deutliche Verringerung des Asthma-Risikos zeigen. In dieser dänischen Studie erhielten schwangere Frauen Fischöl oder Placebo und ihre Kinder wurden drei Jahre lang beobachtet. 
Das Risiko von persistierendem Keuchen und Infektionen der Atemwege der Kinder wurde um etwa ein Drittel reduziert86. Eine breitere Herangehensweise praktizieren die Finnen, bei denen allergische Erkrankungen besonders hoch sind. Im „Finnish Allergy Programm“ werden mehrere Faktoren gleichzeitig angesprochen und die ­Biodiversität stimuliert. Wie Allergien vor­zubeugen sind, ist aber noch nicht ausreichend bekannt.

Sekundärprävention mittels 
Allergen-Immuntherapie

Nur wenige Studien befassen sich mit der Möglichkeit, Asthma bei Patienten mit AR durch eine AIT vorzubeugen. Die GAP-Studie ist die einzige große, randomisierte, Placebo-kontrollierte Studie zu diesem Thema. Die Prüfärzte rekrutierten 812 Kinder zwischen 5 und 12 Jahren mit einer AR durch Gräserpollen für eine sublinguale Immuntherapie-Studie, die 3 Jahre Behandlung und 2 Jahre Nachbeobachtung umfasste.
Obwohl die sublingual als Tablette applizierte Immuntherapie Asthma- und AR-Symptome und die Menge an benötigten Asthma- und AR-­Medikamenten reduzierte, gab es keinen Unterschied in der Zeit bis zum Auftreten von Asthma. Der primäre Endpunkt, die Neuentwicklung von Asthma zu verzögern oder gar zu verhindern, wurde damit verfehlt. Die HEAL-Studie zeigte, dass eine frühzeitig und ausreichend hohe Verabreichung des Allergens die Inzidenz von Erdnussallergien verringerte. Für andere Lebensmittel konnte dieser Effekt jedoch nicht nachgewiesen werden.

Autor: Prof. Dr. med. 
Ludger Klimek

Quelle: Der Allgemeinarzt

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