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7. Nürnberger Wundkongress: Neue Herausforderungen der Wundversorgung

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7. Nürnberger Wundkongress: Neue Herausforderungen der Wundversorgung

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Haut und Allergie

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Erschienen in: Der Allgemeinarzt

Die Ausbreitung neuer Erreger ist nur eine Folge des Klimawandels, dessen ­Auswirkungen einen Schwerpunkt des 07. Nürnberger Wundkongresses bildete. Darüber hinaus wurden weitere für die hausärztliche Praxis relevante Themen diskutiert – etwa der Umgang mit Wundschmerzen.

Klimawandel und Wunden: Was erwartet uns?

Etwa seit dem Jahr 1970 nimmt die globale Oberflächentemperatur zu, seither werden immer neue Hitzerekorde vermeldet. Wie Univ.-Prof. Markus Gosch vom Klinikum Nürnberg berichtete, wirken sich steigende Temperaturen z. B. auf die postoperative Wundinfektion aus. „Liegen die Temperaturen im Operationsmonat über 20 °C, steigt das Infektionsrisiko nach einer Operation signifikant an“, erklärte der Tagungspräsident. Dieser Temperaturbereich scheint eine Schwelle darzustellen, ab welcher sich die Wundinfektionen mit dem Nachweis von grampositiven und insbesondere gramnegativen Erregern sowohl in oberflächlichen als auch in tiefen Wunden sprunghaft erhöht.

Klimawandel und Antibiotikaresistenzen

Relevant ist der Klimawandel auch für die Antibiotikaresistenzen. So belegte ein systematisches Review, dass eine steigende Umgebungstemperatur mit einem erhöhten Risiko für die Besiedelung und Verbreitung antibiotikaresistenter Erreger einhergehen kann. In dieser Studie stellten Escherichia coli, gefolgt von Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa und Klebsiella pneumoniae die häufigsten, mit Klimarisiken assoziierten Erreger dar. Überschwemmungen stellten sich als Hauptübertragungswege für diese Erreger heraus.

Laut Gosch werden in den nächsten Jahren einige Maßnahmen erforderlich, um insbesondere vulnerable Personengruppen, wie ältere oder kranke Menschen, vor den Klimaeinflüssen zu schützen. Dazu zählt nicht nur die Klimatisierung von Krankenhäusern und Heimen, sondern auch die Dosisanpassung von bestimmten Medikamenten während länger andauernder Hitzewellen. Hierbei ist insbesondere auf eine mögliche Hyponatriämie durch Diuretika, Laxantien, SGLT2-Hemmer und SSRI zu achten. Insgesamt müsse der Fokus auf der Prävention liegen und Aufklärung und Hitzeschutzmaßnahmen viel stärker kommuniziert werden, forderte Gosch.

Neue Infektionserreger der Haut

Zu den mittels Wasser übertragenen Erregern gehört etwa der halophile (salzbedürftige) Vibrio (V.) vulnificus, der sich bevorzugt bei Wassertemperaturen von über 20 °C vermehrt und für Badende mit Wunden oder gestörter Hautbarriere gefährlich werden kann. „In den letzten Jahren traten an der Ostsee mehrere Infektionen und Todesfälle aufgrund einer Infektion mit V. vulnificus auf“, berichtete Univ.-Prof. Jörg Steinmann vom Klinikum Nürnberg. Die Wundinfektion kann sich rasch ausbreiten und zu tiefgreifenden Nekrosen und Hautulzerationen, aber auch zu einer potenziell tödlichen Sepsis führen. Als frühes Symptom gilt ein überproportional starker, lokaler Schmerz. Bei Verdacht auf eine V. vulnificus-Infektion sollte unverzüglich mit Antibiose behandelt werden.

Ein weiterer relevanter Wunderreger ist Steinmann zufolge die Haut- oder Wunddiphtherie durch Corynebacterium diphtheriae. Häufig tritt eine Mischinfektion mit A-Streptokokken und/oder Staphylokokken auf. Die Infektion kann nach einem Bagatelltrauma oder einem Insektenstich zu schmierigen Belägen auf der Haut führen. Zusätzlich zur lokalen Wundsanierung sollte man die Betroffenen mit einem Antibiotikum behandeln.

Diabetische Fußulzera: Wundverschluss beschleunigen

In einer retrospektiven Real-World-Datenanalyse wurden die Heilungsraten von diabetischen Fußulzera (DFU) verglichen, die in ambulanten Wundversorgungszentren entweder mit einer Matrix aus dem Schafsvormagen (Matrix-Gruppe, n=1150) oder mit Kollagen/oxidierter regenerierter Zellulose (Kollagen/Zellulose-Gruppe, n=1072) behandelt wurden. Die Beurteilung erfolgte in Subgruppen, abhängig von der Behandlungsdauer bzw. der Anzahl der Behandlungen. In der Gruppe mit ≥ 2 Anwendungen war die mittlere Zeit bis zum Wundverschluss in der Matrix-Gruppe mit 14,6 Wochen (± 0,5) signifikant kürzer als in der Kollagen/Zellulose-Gruppe mit 16,4 Wochen (± 0,7; p = 0,0015). Ein sehr deutlicher Unterschied zeigte sich bei Behandelten mit ≥ 8 Anwendungen: In der Matrix-Gruppe heilte das DFU 5,6 Wochen schneller ab als in der Kollagen/Zellulose-Gruppe (20,4 ± 1,3 Wochen vs. 26,0 ± 2,1; p = 0,0118). Bei den anspruchsvolleren Wunden, die ≥ 8 oder ≥ 12 Anwendungen benötigten, war die mediane Verschlusszeit bei den mit Matrix behandelten DFUs um ca. 20 % verkürzt.

Wundschmerz positiv beeinflussen

„Wundschmerz ist mehrdimensional und sollte als komplexes Konstrukt gesehen werden“, erklärte Prof. Katrin Singler, Klinikum Fürth. Je länger der Schmerz anhält, umso wahrscheinlicher ist es, dass somatische Faktoren in den Hintergrund treten und psychosoziale Faktoren prominenter werden. Für eine wirkungsvolle Schmerzbehandlung müssen die psychosozialen Faktoren mitberücksichtigt werden. Hierfür kommen nicht-medikamentöse begleitende Maßnahmen infrage. „Musik, Atemtechniken, Entspannungsverfahren, Massage oder Lichttherapie – die Evidenz für diese Anwendungen ist unterschiedlich, doch wenn es hilft, wenden Sie es bitte an“, sagte die Geriaterin.

Eine Gelegenheit, bei der die Betroffenen häufig Schmerzen empfinden, ist der Verbandswechsel. „Wenn wir eine Wunde schmerzhaft behandelt haben, werden weitere Behandlungen noch schmerzhafter sein – das bedeutet, der erste Verbandswechsel zählt“, betonte Dirk Risack vom Klinikum Nürnberg, mit Verweis auf die Pathophysiologie der Schmerzentstehung. Schmerzen sind sehr abhängig von Persönlichkeitsfaktoren (z. B. Stress, Angst), früheren Behandlungserfahrungen und insbesondere den verbalen Informationen, welche die Patientinnen und Patienten erhalten. „Wenn es schlecht läuft, können verbale Informationen fatale Folgen haben, sie lassen sich aber auch sehr positiv nutzen“, berichtete der Schmerztherapeut. Folglich sollte der Kontext eines Verbandswechsels so geplant werden, dass er für die Betroffenen etwas Positives oder Machbares darstellt. Dazu gehört eine gute Zeitplanung – orale Medikamente sind mindestens 30, besser 60 Minuten vor der Behandlung zu verabreichen, subkutane Medikamente mindestens 30 Minuten vorher. Die üblicherweise eingesetzten Opioide umfassen laut Risack Morphin, Oxycodon, Hydromorphon und Piritramid. An Nicht-Opioiden kommen Metamizol, Ibuprofen und Ketoprofen infrage. „Da nicht jeder Schmerz auf Medikamente reagiert, ist es nur mit Medikamenten oft nicht getan“, erklärte Risack. Seiner Meinung nach erfüllen die Edukation sowie die positive Verstärkung der gegebenen Therapie sehr wichtige Zusatzfunktionen.

Bericht: Dr. rer. nat. Marion Hofmann-Aßmus
Quelle: Nürnberger Wundkongresses am 05. und 06. Dezember 2024

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