Die Practica in Bad Orb – einer der größten hausärztlichen Fortbildungskongresse in beschaulicher Umgebung – ließ es diesmal richtig krachen. Gefeiert wurde das 50-Jahre-Practica-Jubiläum mit umfangreichen Rahmenprogramm.
Professor Frank H. Mader – Allgemeinarzt und Gründer der Practica – beschreibt den Zeitaufwand und die große Herausforderung für die Planung und Organisation des Fortbildungskongresses in Bad Orb wie folgt: „Einmal im Jahr ist Practica – vom 1. Januar bis 31. Dezember.“ Seit 2012 hat er diese Aufgabe an das Institut für Hausärztlichen Fortbildung (IHF) abgegeben.
50 Jahre Erfolgsgeschichte
2025 nun wurde das 50-jährige Bestehen dieser Erfolgsgeschichte erreicht: Hunderte von Seminaren, eine vierstellige Anzahl an Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sowohl aus dem ärztlichen wie auch MFA-Bereich, zahlreiche Begleitveranstaltungen: Get-Together, Kino-Abend, Gala-Abend, Casino-Abend wie auch das traditionelle „Mein Fall“. Die Seminare behandelten nicht nur die klassischen medizinischen Themen – angeboten wurden mehrere Hands-on-Kurse mit praktischen Übungen – sondern auch viel zu Praxisführung und Organisation. Immer stark vertreten die innovative Serie des „Werkzeugkasten-Niederlassung“ von jungen Allgemeinärzt:innen für junge Allgemeinärzt:innen mit so passenden Titeln wie „Freude mit Formularen“ oder „Ehrlich gutes Geld verdienen“, um Tipps und Tricks rund um die Niederlassung zu teilen.
Digitalisierung und Praxisalltag
Um das große Thema Computer usw. kommt man in der Praxis leider nicht mehr herum. Seminare zu KI, TI und PVS waren gut besucht. Wie auch in den Mittagspausen die Sonderveranstaltungen im Untergeschoss direkt unter der Haupttreppe: Dichtgedrängt ließen sich die Zuschauer von den Anbietern verschiedener Praxisverwaltungssoftwares ihre Programme präsentieren.
Hausärztliche Expertise im Mittelpunkt
Besonders erfreulich neben der Vielfalt der Seminare: Die meisten Referentinnen und Referenten stammen aus Hausärztlichen Praxen bzw. Instituten für Allgemeinmedizin. Statt wie auf anderen Fortbildungen begegnen uns keine Universitätsprofessoren aus der Kardiologie (die uns erklären wollen, wie wir im Praxisalltag das Herz zu behandeln haben), treffen wir auf praxisnahe, hausärztliche Leitlinienautoren wie Günther Egidi oder Stefan Bösner. Wobei letzterer den lebenswichtigen „Marburger Herzscore“ mitgeprägt und zugleich die Wissenschaftliche Leitung der Practica zusammen mit Sandra Blumenthal und Ruben Bernau innehat. Bernau wiederum – der zusammen mit seiner Frau eine Praxis in Hambergen betreibt – hat nun frisch den Vorsitz des IHF übernommen. Sein Vorgänger, Hans Michael Mühlenfeld aus Bremen, hatte das Amt über 20 Jahre geführt und wurde feierlich am Gala-Abend verabschiedet. Zu seiner großen Überraschung mit heimlicher Einladung seiner Kinder und Enkelkinder. So galt bei seiner Rede auch sein größter Dank seiner Familie und besonders seiner Ehefrau, die gemeinsam ihm all die Zeit ermöglicht hatten, die es für seine zahlreichen Ämter und die Praxisführung brauchte. So passte es, dass Mühlenfeld als Abschiedsgeschenk eine Badehose geschenkt bekam, da er es in all den Jahren der Practica-Besuche nie geschafft hatte, die neben dem Kongresshotel gelegene Therme zu besuchen.
Ehrungen und historische Persönlichkeiten
Als Ehrengast wurde zudem Frank H. Mader zum 50-jährigen Jubiläum eingeladen. Auf sein Lebenswerk, insbesondere sein Wirken in der hausärztlichen Fortbildung, wurden mehrere Laudationes gehalten, zudem wurde Mader die erstmalige Verleihung der Braun-Erxheimer-IHF-Fortbildungsmedaille zuteil. Die frühere DEGAM-Präsidentin Erika Baum schrieb in einer Erklärung zu den beiden Namensträgern einen lesenswerten Text, zu finden auf der Internetseite des IHF: Robert N. Braun österreichischer Allgemeinarzt hatte die Berufstheorie der Allgemeinmedizin seit Mitte des 20. Jahrhunderts wesentlich geprägt, darunter Vorgehensweisen wie „Ausschluss des abwendbar gefährlichen Verlaufs“ und „abwartendes Offenlassen“ (bzw. -halten). Langjährig führte er auf der Practica mit „Mein Fall“ den „ältesten Qualitätszirkel der Welt“ (Zitat F.H. Mader). Spannend auch die Biographie von Dorothea Christiane Erxleben (geborene Leporin), die 1715 in Sachsen-Anhalt zur Welt kam. Als Tochter eines Allgemeinarztes begleitete sie diesen schon als kleines Kind bei Hausbesuchen und studierte letztlich Medizin mit königlicher Sondererlaubnis. Sie gründete eine eigene Familie und brachte vier Kinder auf die Welt. Sie praktizierte schließlich als Ärztin besonders für ärmere Menschen und schrieb zusätzlich eine Promotion mit dem Thema der Patientensicherheit – „und das alles mehr als 100 Jahre vor der offiziellen Zulassung von Frauen zum Studium in Deutschland“ (Text; E. Baum).
Fazit: Die Vergangenheit, die Gegenwart, die Zukunft der Primärversorgung: Langweilig wird es nicht – der Practica und den Menschen dahinter sei Dank.



